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(41) Die Perser (1): Von Achaimenes über Kyros II. zu Kambyses II.

Wenn wir über »das Perserreich« sprechen, dann müssen wir eigentlich immer dazu sagen, welches wir meinen. Die Achämeniden, die wir uns gleich anschauen werden, herrschten im sogenannten Altpersischen Reich von etwa 550 bis 330 v. Chr., bis Alexander der Große auch hier obsiegte. Zwischen 224 und 651 n. Chr. gab es dann das Neupersische Reich der Sassaniden. Dazwischen existierte erst das Reich der Seleukiden, einer Diadochendynastie nach Alexanders Tod und das Reich der Parther, das uns im Zusammenhang mit dem Römischen Reich begegnen wird.

In dieser Folge konzentrieren wir uns also auf das Altpersische Reich der Achämeniden. Diese kamen natürlich nicht aus dem Nichts, sondern bauten auf dem auf, was Vorgängerreiche geschaffen hatten. Einen kleinen Eindruck davon holen wir uns noch einmal ganz kurz aus der Geschichte Mesopotamiens.

 

Elam

Als wir bei den mesopotamischen Hochkulturen verweilten, blitzte in unserer Erzählung auch das Reich Elam am Persischen Golf im Osten des Mündungsgebietes von Euphrat und Tigris mit seiner Hauptstadt Susa auf. Die Akkader unter Sargon I. und seinen Nachfolgern unterwarfen es in Teilen ab 2300 v. Chr. Diese Phase dauerte jedoch nicht allzu lange. 2150 v. Chr. drehte Puzur-Inschuschinak, der letzte König der elamischen Awan-Dynastie - und keineswegs verwandt mit aus der Literatur bekannten Apachenhäuptlingen -  den Spieß um und eroberte seinerseits große Teile des zerfallenden akkadischen Reiches. Durchsetzen konnte sich in Mesopotamien dann Ur, dessen Herrschaft aber wiederum elamischen Angriffen ausgesetzt war. Dort herrschte mittlerweile die Simaschki-Dynastie, die schließlich unter König Hutran-Tepti oder unter König Kindattu um 2000 v. Chr. die Herrschaft der Stadt Ur beendete.

 

Den Höhepunkt seiner Macht erreicht Elam gut 800 Jahre später. Schutruk-Nachunte (reg. etwa 1184 bis 1155 v. Chr.) eroberte die Stadt Babylon und große Teile des Babylonischen Reiches und entführte die Hammurabi-Stele nach Susa. Nebukadnezar I. konnte einige Jahrzehnte später dann aus babylonischer Sicht die Dinge wieder geraderücken. Das Reich Elam hielt sich bemerkenswerte 3.000 Jahre, bis es 646 v. Chr. von den Assyrern endgültig erobert wurde. Auch danach hatte Elam eine große Bedeutung, zum Beispiel für die Perser. Noch hundert Jahre später bezeichneten sich Kyros I. und sein Sohn Kambyses I. (reg. etwa 600 bis 559 v. Chr.) als »Herrscher von Anschan«, einer wichtigen Stadt Elams, nun eine Satrapie Persiens.

 

Meder

Neben den Elamitern waren die Meder das andere wichtige Volk in der Zeit vor dem Persischen Großreich. Medien lag nordwestlich von Elam, östlich des Oberlaufs des Tigris im Zagros-Gebirge, dem heutigen Grenzgebiet zwischen Irak und Iran. Der Begriff der Meder bezeichnet dabei kein homogenes Volk, sondern eher einen Zusammenschluss unterschiedlicher Stämme. Da die Meder schreibfaul waren, sind keine schriftlichen Quellen überliefert, man tastet also ein wenig im Ungewissen. Wir sind das ja schon gewohnt.

Als Gründer des Meder-Reiches gilt Kyaxares I., der allerdings nicht so hieß. Kyaxares ist ein Titel und bedeutet Autokrat oder Selbstherrscher. Das wäre etwa so, als würden wir nicht von Karl dem Großen, sondern von Kaiser I. sprechen. Kyaxares' Regierungszeit wird im Zeitraum von 768 bis 715 v. Chr. vermutet. Ihm gelang es, aus den unterschiedlichen Stämmen eine Konföderation unter seiner Führung zu bilden. Nicht ganz klar ist in Folge, in welchen Beziehungen die Meder zu den Skythen, Reiternomaden aus den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres, standen. Vielleicht gab es eine etwa 25-jährige skythische Herrschaft in Medien, die dann angeblich Kyaxares II. (reg. etwa 653 bis 584 v. Chr.) um 625 v. Chr. beendete. Die Meder lernten von den Skythen Reiten, Bogenschießen und Militärtaktiken zum effektiven Einsatz dieser Fähigkeiten. Damit und im Verein mit den Babyloniern schafften sie es, das über lange Zeit übermächtige Reich der Assyrer zu besiegen. Wir wissen, dass es eher der Todesstoß für einen eh schon schwächelnden Gegner war, aber immerhin.

 

Eine Anekdote, die fast zu schön ist, um wahr zu sein, haben wir vergessen zu erzählen, als wir bei den Lydiern Station gemacht haben. Am 28. Mai 585 v. Chr. erschreckte die in einer Schlacht befindlichen Lydier und Meder eine - angeblich von Thales von Milet vorausgesagte - Sonnenfinsternis so sehr, dass sie aufhörten zu kämpfen und Frieden schlossen. Alyattes II. von Lydien gab seinem medischen Kollegen Astyages (reg. 585 bis 550 v. Chr.) seine Tochter Aryenis zur Frau. Wenn man es recht bedenkt, gibt es viel zu wenig Sonnenfinsternisse. Zwei gibt es im Minimum jedes Jahr, maximal fünf. Im 21. Jahrhundert n. Chr. sind von den 224 nur 77 partiell. Immerhin noch viele Gelegenheiten, Frieden zu schließen.

 

Nicht nur die Assyrer, auch die Meder verschwanden relativ schnell wieder. Schuld war der medische Adel, der sich 553 v. Chr. mit den Persern verbündete. Mit diesem Rückenwind unterwarf Kyros II. 550 v. Chr. das Mederreich mit seiner Hauptstadt Ekbatana und integrierte es in das persische Reich. Die adeligen Meder konnten unter den Persern weiterhin verantwortungsvolle Posten bekleiden, sie hatten also alles richtig gemacht. Die Babylonier hatten ein gutes Auge, da sie Medien als Umman-Manda bezeichneten, was so viel heißt wie »Irgendwo-da-Land«. Für eine richtige Bezeichnung muss man sich anscheinend länger in der Weltgeschichte behaupten.

 

Wenn es einen Kyros II. gegeben hat, muss es auch einen Kyros I. gegeben haben. Schauen wir uns also jetzt die eigentlichen Perser an, dann werden wir ihn, wenn auch nur sehr kurz, kennenlernen.

 

Das Altpersische Reich der Achämeniden

Natürlich gab es neben Elam und Medien auch andere Staaten auf dem Gebiet des späteren persischen Großreichs. Wir entschuldigen uns bei den Baktriern, Sogdiern, Choresmiern, Arachosiern, Parnern, Sagariern, Sattagyden, Tauriern und vielen anderen, dass wir sie hier nicht recht würdigen können. Das Leben ist ungerecht – wobei dem ein oder anderen werden wir sicher doch noch mal begegnen, mit den Baktriern und Sogdiern hatte Alexander der Große seine Themen, mit den Parthern, die von den Parnern abstammen, später die Römer.

 

Achaimenes

Wir wollten auf Kyros I. schauen. Die namensgebende, erste und einzige Dynastie des altpersischen Reiches beginnt mit seinem Großvater Achaimenes. Wir sprechen daher von den Achämeniden. Achaimenes heißt übersetzt »Mit freundlichem Geist«. Darauf kann man schon mal eine Dynastie aufbauen. Er soll um 700 v. Chr. die Perser in einer großen Wanderung aus der Gegend des Urmia-Sees zwischen Kaspischem Meer und dem Zweistromland nach Süden in die Gegend des späteren Persepolis, die sogenannte Persis geführt haben. Auch Kyros I. war den Medern noch untertan, erst sein Enkel Kyros II., den wir schon kurz kennengelernt haben, schaffte es, in seiner Regierungszeit von 559 bis 530 v. Chr. das Perserreich auf eigene Füße zu stellen.

 

Kyros II.

Wir haben ja schon von ihm gehört, wie er die Meder und danach auch die Lydier unterwarf. Den Trick, im Winter die Truppen nicht nach Hause zu schicken, sondern dem Lydierkönig Krösus nachzusetzen, hast Du sicher nicht vergessen. Während dieser Eroberung kam es auch zu einem ersten Kontakt zwischen Persern und Griechen. Viele der ionischen Städte hatten Krösus unterstützt und versuchten unter Führung des Lydiers Paktyes, den Kyros als Schatzmeister eingesetzt hatte, um 542 v. Chr. gegen die persische Herrschaft zu rebellieren. Das bekam ihnen jedoch weniger gut. Kyros' Generäle Mazares und Harpagos (geb. vor 610 v. Chr.) beendeten diesen Aufstand sehr zügig und der ein oder andere Grieche aus Priene, Magnesia, Smyrna oder Phokaia fand sein Besitztum geplündert und sich und die Seinen versklavt. Allein Milet stellte es schlauer an und sich selbst von Anfang an auf die Seite der Perser. Am Ende war also auch die Westküste Kleinasiens bis hinunter nach Lykien persisch und in den griechischen Städten regierten persertreue Tyrannen. Schöner Nebeneffekt der Siege über Lydien und die griechischen Städte war, dass die Schatzkammern der Perser jetzt gut gefüllt waren.

 

Nachdem Kleinasien gesichert war, schaute sich Kyros um, wo noch etwas zu holen sei, und sein Blick fiel auf Babylon. Wir wissen bereits, dass er dort auch aufgrund des merkwürdigen Verhaltens des babylonischen Herrschers Nabonid leichtes Spiel hatte. Bei Opis schlug er 539 v. Chr. die Babylonier und schickte seine Befehlshaber in die gegnerische Hauptstadt, die bereitwillig ihre Tore öffnete. Kyros machte auch hier wie schon bei den Griechen in Kleinasien dem Namen seines Stammvaters wenig Ehre. Sein Geist war nicht wirklich freundlich, er ließ die gegnerischen Soldaten nach seinem Sieg abschlachten. Die babylonische Armee war somit nicht mehr existent, das Thema irgendwelcher Aufstände damit faktisch erledigt.

 

Mit der Eroberung Babylons war auch die Herrschaft über Palästina mitgekauft. Kyros vergab sich also nichts, wenn er die Juden 538 v. Chr. aus ihrer Babylonischen Gefangenschaft entließ und ihnen gestattete, in die Heimat ihrer Vorväter zu ziehen. Auch aufgrund dieses Gnadenaktes wird Kyros häufig als mildtätiger Herrscher beschrieben. Die Griechen Ioniens würden es sicher anders formulieren. Dennoch schrieb Xenophon (zw. 430 und 425 bis etwa 354 v. Chr.) 150 Jahre später über den persischen Großkönig. »Er würdigte seine Untertanen und kümmerte sich um sie wie um seine eigenen Kinder und sie wiederum verehrten ihn wie einen Vater«. Aber da waren die Perserkriege Geschichte und aus der Entfernung urteilt man milder.

Wir wollen aber gerne anerkennen, dass Kyros II. ein kluger Herrscher war, der es verstand, auf die lokalen Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. So sorgte er dafür, dass Marduk, der Stadtgott Babylons, wieder zu den Ehren kam, die der letzte babylonische König Nabonid ihm streitig gemacht hatte. Damit versöhnte er die Priesterschaft und sorgte für Ruhe bei der Bevölkerung. Gleichwohl wurde die Macht von Priestern und Tempeln im ganzen Reich eingehegt. Kontrolle und Verwaltung lagen in Händen königlicher Kommissare, die auch für die Bezahlung der Steuern sorgten. Nehmen wir Kyros also als pragmatischen Realpolitiker, dem die Inhalte der Religionen so lange egal waren, wie es dem Staatswohl nicht gefährlich wurde. Nur mit Zurückhaltung und Mildtätigkeit haben weder Du noch ich je ein Weltreich erfolgreich regiert. Da ging es Kyros nicht anders.

 

Nach Osten erstreckte sich das persische Reich nach Unterwerfung Baktriens, Gandharas, Sogdiens und Choresmiens bis zum Indus, wobei insbesondere die Flanke nach Norden, östlich des Kaspischen Meeres und südlich des Aralsees nie wirklich befriedet werden konnte. Die Massageten und die Saken, die man der großen Gruppe der skythischen Völker zurechnet, konnten nicht unterworfen werden. Schließlich starb Kyros II. 530 v. Chr. auf einem Feldzug gegen die Derbiker oder besagte Massageten.

 

Kambyses II.

Ihm folgte sein Sohn Kambyses II. (reg. 529 bis 522 v. Chr.). Der schaute auf die Landkarte und sah außer Persien als weiteres Großreich nur noch Ägypten. Man kann vermuten, dass bereits Kyros die Idee hatte, sich irgendwann auch um Ägypten zu kümmern. Vielleicht gab es Pläne in der Schublade. Auf jeden Fall zog Kambyses, nachdem er im Osten noch für ein wenig Ordnung gesorgt und seinen Vater gerächt hatte, 525 v. Chr. sehr gut vorbereitet in Richtung Nil. So waren Verträge mit den Arabern auf dem Sinai geschlossen, die die Wasserversorgung des durchziehenden Heeres sicherstellten. Wir wissen schon, dass er die Ägypter besiegen und dort die 27. Dynastie begründen konnte. Warum er aber drei Jahre am Nil blieb, wissen wir nicht. Es wird von Feldzügen nach Nubien im Süden ausgegangen, vielleicht war es auch die Liebe. Er soll die über 40-jährige Prinzessin Nitetis geheiratet haben, auch um seinen Anspruch auf den Thron der Pharaonen zu untermauern, andere sehen die Dame allerdings als Ehefrau von Kyros II. und als Kambyses' Mutter, während wieder andere das Ganze nur für eine falsche Überlieferung von Herodot halten. Wir wissen so wenig.

 

Kambyses' lange Abwesenheit hatte auf jeden Fall den Nachteil, dass im Kernland sich ein Herr namens Gautama, seines Zeichens Magier aus Medien, an die Macht putschte. Die Umstände sind nicht ganz klar. Eigentlich sollte Kambyses’ Bruder Bardiya (gest. 522, reg. 522) die Geschäfte führen. Entweder wurde dieser ermordet und Gautama gab sich dann als Bardiya aus. Ob er auch den Mord in Auftrag gab, oder ob dies vielleicht im Rahmen eines Streits zwischen den Brüdern Kambyses selbst war, ist unklar. Die andere Variante ist, dass Gautama und Bardiya ein und dieselbe Person sind und es sich um einen Putsch des einen Bruders gegen den anderen gehandelt hat. Auf jeden Fall versprach Gautama/Bardiya den Priestern und dem Volk viel, erließ beispielsweise die Steuern und die Pflicht, im Heer zu dienen, und nutzte so die Unzufriedenheit vieler gegen das konsequente Regiment von Kyros und in Folge seines Sohns Kambyses aus. Dieser brach, nachdem ihm die Nachricht hinterbracht wurde, dann doch aus Ägypten auf, um für Ordnung zu sorgen. Dazu kam er jedoch nicht mehr, da er in Syrien im Juli 522 v. Chr. an einer Beinverletzung starb. Anders als bei seinem Vater ist die Erinnerung der Nachwelt an Kambyses keine gute. Und genauso wie bei Kyros ist dieses Bild stark überzeichnet und insbesondere durch ägyptische Erzählungen aus den später folgenden Aufständen gegen die persische Herrschaft geprägt. Ankreiden müssen wir ihm aber, dass er durch seinen langen Aufenthalt in Ägypten das von seinem Vater geschaffene Großreich in eine ernste Krise stürzte.

 

Wir sind gespannt, wie es mit diesem weiterging. In der nächsten Folge erfahren wir es.