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(32) Die Spätzeit des ägyptischen Reiches

Die sogenannte Spätzeit der ägyptischen Geschichte beginnt entsprechend der offiziellen Geschichtsschreibung mit der 26. Dynastie, deren erster Pharao Psammetich I. (reg. 664 bis 610 v. Chr.) war. Das liest sich einfach, die Situation damals war alles andere als das.

 

Als wir die letzte Folge verlassen haben, herrschten die Assyrer in Ägypten und Tanotamun hatte sich 663 v. Chr. Assurbanipal geschlagen geben müssen. Dieser ernannte dann mit Psammetich den Sohn seines bisherigen ägyptischen Gefolgsmanns Necho zum Herrscher Ägyptens. Dies hätte er vielleicht nicht tun sollen.

 

Die 26. Dynastie

In Oberägypten herrschten trotz der Niederlage gegen die Assyrer faktisch weiterhin der Oberbürgermeister von Theben und Amunpriester, Montuemhat (um 700 bis etwa 648 v. Chr.) mit Namen, und die Gottesgemahlin Schepenupet II. (um 710 bis 650 v. Chr.), eine Tochter des uns wohlbekannten Piye. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass das oberägyptische Reich sich ja längs des Nils erstreckte und somit zwar ziemlich schmal, dafür aber sehr langgestreckt war. So konnte man sich flußaufwärts vor den anrückenden Assyrern schnell zurückziehen.

Psammetich hatte zunächst eh damit zu tun, sich um Unterägypten kümmern und das Nildelta wieder unter seine Herrschaft bringen. Mit assyrischer Hilfe war dies zunächst ja auch gelungen. Psammetich hatte jedoch weitere Ideen im Kopf. Er nutzte die Schwierigkeiten, die Assur zu Hause mit Elam, den Medern und anderen Völkern bekam, aus und befreite mit Unterstützung des lydischen Königs Gyges (reg. etwa 680 bis 644 v. Chr.) und griechischen Söldnern Unterägypten von der assyrischen Herrschaft. Undank ist der Welten Lohn, werden sich die Assyrer gedacht haben, konnten sich aber für diese Einsicht auch nichts kaufen.

655 v. Chr. konnte Psammetich seine Tochter Nitokris (amt. 655 bis 585 v. Chr.) zur Gottesgemahlin des Amun machen, ein Zeichen, dass er zu dieser Zeit auch in Oberägypten hinreichend Macht und Einfluss hatte.

Hauptstadt wurde Sais im westlichen Nildelta. In gewisser Weise können wir von einer Zeit der Wiedererstarkung der ägyptischen Macht sprechen. Ein neuerlicher Angriff der Assyrer wurde 627 v. Chr. abgewehrt. Mit König Gyges von Lydien herrschte in Kleinasien ein verlässlicher Bundesgenosse gegen die Reiche des Zweistromlandes. Dort war Assyrien wie gesagt durch innere Kämpfe so gebunden, dass danach neuerliche Ausflüge nach Ägypten ausblieben.

 

Nach innen zeigte sich Psammetich I. als geduldiger Realpolitiker. Seine Tochter Nikrotis wurde in Theben erst dann Gottesgemahlin des Amun, als die Vorgängerin Schepenupet II., als Tochter des Piye ja noch eine Vertreterin der kuschitischen 25. Dynastie, gestorben war. Auch der Bürgermeister und Herrscher Thebens Montuemhat wurde in seinem Amt als Vorsteher Oberägyptens belassen. Stück für Stück bekam Psammetich so ganz Ägypten wieder in den Griff, auch wenn die Gefilde ganz im Süden im Machtbereich der Nubier blieben. Gegen Ende seiner mit 54 Jahren sehr langen Regierungszeit hatte er sogar Zeit, Assyrien in seinem Kampf gegen Nabopolassar von Babylon (gest. 605 v. Chr., reg. 626 bis 605 v. Chr.) zu unterstützen. Auch hier war er Realpolitiker, der die alte Gegnerschaft beiseitelegen konnte, wenn es darum ging, einen neuen, mächtigen Gegner zu schwächen.

Aus unserer Beschäftigung mit den Reichen Mesopotamiens wissen wir, dass die Geschichte trotz der ägyptischen Hilfe für Assyrien nicht gut ausging. Babylonien wurde stärker, was 605 v. Chr. auch Psammetichs Sohn und Nachfolger Necho II. (reg. 610 bis 595 v. Chr.) lernen musste. Nach einigen Erfolgen, so gelang beispielsweise die Unterwerfung des Königreichs Juda, erlitt er bei einem Vorstoß an den Euphrat gegen den seinerzeitigen Prinzen Nebukadnezar bei Karkemisch an der türkisch-syrischen Grenze eine krachende Niederlage. Wer aufmerksam gelesen hat, erinnert, dass Thutmosis III. gut 840 Jahre zuvor an diesem Ort mehr Erfolg hatte. Auch die von Necho erstmals in Ägypten etablierten Seestreitkräfte konnten ihm nicht helfen. Karkemisch liegt, wenn auch am Euphrat, so doch unglücklicherweise sehr im Landesinneren. Landkartenlesen war anscheinend nicht das Hobby des Pharao.

 

Psammetich II. (reg. 595 bis 589 v. Chr.) war lernfähig. Er hielt im Norden weitgehend Ruhe und orientierte sich nach Süden, wo es ihm gelang, die Nubier – oder Äthiopen, wie sie mittlerweile auch genannt wurden – weiter nach Süden zurückzudrängen. Weniger glücklich agierte sein Sohn Apries (reg. 589 bis 570 v. Chr.), der letztlich durch eine Rebellion seiner Soldaten nach einer 571 v. Chr. erlittenen Niederlage gegen die in Libyen liegende griechische Stadt Kyrene, Namensgeberin der Cyrenaica, durch den Feldherrn Ahmose II. (reg. 570 bis 526 v. Chr.) gestürzt wurde. Diesem gelang es, das Land zu befrieden und wieder zu Wohlstand zu führen. Er förderte insbesondere auch die Verwaltung. Dass Bürokratie schon immer nicht nur Freunde hatte, zeigt die Weisheit aus jener Zeit: »Wenn Re einem Lande zürnt, ernennt er die Schreiber zu seinen Herrschern.«

 

In Folge dieser Versachlichung der Politik verlor das religiös geprägte Theben zusehends an Bedeutung, die gesamte Macht konzentrierte sich in der Hauptstadt Sais. Ahmose agierte sehr griechenfreundlich, in vielen Quellen findet man ihn auch in der griechischen Umschreibung als Amasis. Er trat quasi als stiller Teilhaber in die anti-persische Allianz zwischen Sparta, Babylon und Lydien ein. Auch wenn er nicht aktiv in die folgenden Perserkriege eingriff, war es doch absehbar, dass der Erfolg der Perser irgendwann zu einem Angriff auf Ägypten führen müsste. Ahmose musste das nicht mehr erleben, dafür erwischte es seinen Nachfolger Psammetich III. (reg. 526 bis 525 v. Chr.) schon nach einem halben Jahr. 525 v. Chr. unterlag er in der Schlacht bei Pelusion auf dem Sinai. Zunächst ehrenvoll behandelt, wurde er von dem persischen Großkönig Kambyses II. (reg. 530 bis 522 v. Chr.) nach einem Aufstandsversuch hingerichtet. Trotz dieses unglücklichen Endes können wir die 26. Dynastie durchaus als eine Zeit betrachten, in der Ägypten noch einmal vereint und kraftvoll an alte Stärke erinnerte. Immerhin eine Zeitspanne von etwa 140 Jahren.

 

Die 27. Dynastie oder die erste Perserherrschaft

Die Niederlage Psammetich III. bedeutete das Ende der 26. Dynastie. Die 27. wird auch als 1. Perserherrschaft bezeichnet. Sie dauert über 100 Jahre bis zum Jahr 402 v. Chr. Ägypten war kein eigenständiger Staat mehr, sondern eine Satrapie des Persischen Reiches. Dies ist ein Unterschied zu den Fremdherrschaften der Hyksos oder der Kusch, da jetzt die Unabhängigkeit des Reiches vollkommen verloren war. Der Widerstand der ägyptischen Bevölkerung war entsprechend größer, »Meder« wurde zu einem Schimpfwort. Dabei ließen die Perser die Ägypter weitgehend ihren Alltag und ihre Religion weiterleben und ausüben. Lediglich die Spitze der Verwaltung wurde mit Persern besetzt und in die des Gesamtreichs integriert. Aber persische Soldaten waren in Ägypten stationiert und konnten Aufstände schnell niederschlagen. Diese gab es immer wieder, beispielsweise 519/8 v. Chr. oder 486 v. Chr. nach der persischen Niederlage bei Marathon 490 v. Chr. und dem Tod des Großkönigs Dareios. Ägypten musste wie alle anderen Satrapien Kämpfer stellen, um in anderen Regionen des Reiches für den Erhalt der persischen Ordnung zu sorgen. 490 v. Chr. halfen sie beispielsweise, den Aufstand der Griechen in Milet im Westen Kleinasiens zu brechen.

 

Amytraios oder die kurze 28. Dynastie

Erst nach dem Tod des Großkönigs Dareios II. (reg. 423 bis 405/404 v. Chr.) konnte sich Ägypten der persischen Herrschaft entledigen. Den Aufstand führte Amyrtaios (reg. 405 bis 399 v. Chr.) an, ein Libyer aus Sais, dessen Großvater schon 60 Jahre zuvor gegen die Perser rebelliert hatte. Ihm kamen innerpersische Nachfolgestreitigkeiten der Söhne von Dareios zu Gute, so dass das eingreifbereite persische Heer nicht zum Einsatz kam. Artaxerxes II. (etwa 445 bis 359/358 v. Chr., reg. 405/404 bis 359/358 v. Chr.), der sich als Nachfolger durchsetzen konnte, wurde in Oberägypten noch bis 402 v. Chr. als rechtmäßiger Pharao geführt, Amyrtaios konnte sich hier erst ab 401 v. Chr. durchsetzen. Er ist der einzige Pharao der 28. Dynastie und herrschte nur kurz bis 399 v. Chr. Dann wurde er von Nepherites I. gestürzt und hingerichtet. »Undank ist der Welten Lohn« auch hier, das ist eben nicht nur ein Märchen von Herrn Bechstein.

 

Die auch sehr kurze 29. Dynastie

Nepherites I. (reg. 398 bis 393 v. Chr.) gründete somit die 29. Dynastie, die ihre Hauptstadt in Mendes im östlichen Nildelta, unweit von Tanis, hatte. Diese Dynastie hielt 20 Jahre und weist vier Pharaonen auf, die alle eine antipersische Politik betrieben und die Griechen in ihrem Kampf unterstützen. 379 v. Chr. erhob sich Nektanebos I. (reg. 379/378 bis 361/360 v. Chr.) gegen Nepherites II. (reg. etwa 379 v. Chr.) und gründete die 30. Dynastie.

 

Die wiederum sehr kurze 30. Dynastie oder das Ende naht

Die 30. Dynastie ist insoweit eine besondere, da sie die letzte wirklich ägyptische Dynastie war. Die Hauptstadt wurde nach Sebennytos in die Mitte des Nildeltas verlegt. Nektanebos gelang es 375 v. Chr., einen großangelegten Angriff der Perser wider alles Erwarten zurückzuschlagen. Er regierte 19 Jahre, sein Sohn konnte sich nicht auf dem Thron halten, den sein Vetter Nektanebos II. (reg. 359/358 bis 341/340 v. Chr.) bestieg. Er war der letzte einheimische Pharao der langen ägyptischen Geschichte. Zunächst konnte er 351/50 v. Chr. einen weiteren persischen Angriff unter Artaxerxes III. (etwa 390 bis 338 v. Chr., reg. 359/358 bis 338 v. Chr.) zurückschlagen und auch aktiv in die Aufstände phönizischer Städte eingreifen. Artaxerxes III. gelang es schließlich, diese zu unterbinden und damit hinreichend Freiraum zu bekommen, sich auf die Eroberung Ägyptens zu konzentrieren. 341 v. Chr. war es so weit.

 

Die erneut sehr kurze 31. Dynastie der zweiten Perserherrschaft

Sehr lange konnten die Perser die zweite Eingliederung Ägyptens in ihr Reich jedoch nicht genießen. Artaxerxes und sein Sohn und Nachfolger Arses (reg. 338 bis 336 v. Chr.) wurden beide vergiftet. Der dritte Pharao dieser persischen 31. Dynastie war Dareios III. (etwa 380 bis 330 v. Chr., reg. 336 bis 330 v. Chr.), der das Licht der Perserherrschaft nicht nur in Ägypten, sondern im gesamten Reich der Achämeniden ausmachte.

 

Römer statt Makedonen statt Perser statt Ägypter

332 v. Chr. eroberte Alexander III. (der Große) aus Makedonien Ägypten und bestieg als Meri-Amun-setep-en-Re, was wir vielleicht mit ”Geliebter des Amun, Erwählter des Re« übersetzen können, den Pharaonenthron. Nach seinem Tod folgte erst sein als schwachsinnig geltender Halbbruder Philipp III. Arrhidaois (etwa 357 bis 317 v. Chr., reg. 323 bis 317 v. Chr.), dann sein Sohn Alexander IV. Aigos (323 bis 309 v. Chr., reg. 317 bis 309 v. Chr.). Beide wurden ermordet. Nach einem dreijährigen eher formalen Interregnum herrschte dann ab 306 v. Chr. Ptolemäus I. Soter (etwa 367 bis 282 v. Chr. reg. 305 bis 282 v. Chr.), der vorher schon als Satrap Ägypten regiert hatte. Er begründete die Dynastie der Ptolemäer, die 300 Jahre lang durchaus erfolgreich agierte und 30 v. Chr. aufregend mit Kleopatra VII. (69 v. Chr. bis 30 v. Chr., reg. 51 bis 30 v. Chr.)  – oder wenn Du es namenstechnisch durchgängig haben möchtest: mit Ptolemäus XV. Kaisarion (47 bis 30 v. Chr., reg. 44 bis 30 v. Chr.) dem Sohn Caesars und Kleopatras Mitregent – endete. Kleopatra wählt den Freitod, Kaisarion wird von dem römischen Herrscher Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr., reg. 27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) ermordet. Wir werden uns noch intensiv mit den Ereignissen beschäftigen.

 

Unser Galopp durch die 3000jährige ägyptische Geschichte endet hier. Vieles blieb ungesagt, aber einen kleinen Überblick haben wir gewonnen. In den nächsten Folgen wenden wir uns nach Norden und schauen, was rund um die Ägäis in Kleinasien und Griechenland so passiert ist. Wir beginnen das nächste Mal mit den Hethitern, die kennen wir ja schon ein wenig.