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(16) Erste Dörfer und Städte

Wir sind nun in der Zeit angekommen, in der Menschen in größeren Gruppen zusammenlebten. Regeln und Vereinbarungen wurden notwendig. Spezialfähigkeiten konnten sich immer besser entwickeln. Man musste sich nicht mehr nur um das schlichte Überleben kümmern, kurz: es war die Zeit, in der der Mensch sich zivilisierte. Diesen vom römischen civis für "Bürger" abgeleiteten Begriff wollen wir jetzt nicht ausdeuten. Sonst bekämen wir noch Zweifel, ob wir heute in einer zivilisierten Welt leben. Der Fortschritt hatte allerdings seinen Preis: Man musste Unkraut zupfen und gießen. Es war also auch die Zeit, in der das mit den Rückenleiden losging.

 

Jericho

Die berühmteste Siedlung aus dieser Zeit ist Jericho, benannt nach dem Mondgott Jarich und nahe einer Salzlagerstätte entstanden. Heute hat der Ort etwa 22.000 Einwohner. Vor 12.000 Jahren mögen etwa 1.000 Menschen in einem Dorf gelebt haben, das aber immerhin von einer um das Jahr 8300 v. Chr. erbauten Steinmauer aus 10.000 Tonnen Stein umschlossen war. Auch die Reste eines Turms haben sich erhalten. Diese Befestigungen wurden wohl errichtet, nicht nur, um sich vor Feinden zu schützen, sondern insbesondere auch vor Überschwemmungen. Jericho lag auf einem Hügel zwischen zwei Wadis, also Flussläufen, die nur vorübergehend Wasser führen. Bei heftigen Regenfällen entstehen dort reißende Flüsse, denen die Lehmziegelbauten der Einwohner wenig entgegenzusetzen gehabt hätten.

 

Aus der Bibel erfahren wir, dass die Mauern um etwa 1200 v. Chr. durch die Posaunen der Israeliten zum Einsturz gebracht wurden. Viel pusten mussten sie wohl nicht. Es waren ja einige tausend Jahre vergangen und die Mauern waren in der mittlerweile nur spärlich bewohnten Stadt nicht mehr im besten Zustand. Sonst wären wahrscheinlich nach der Erstürmung viele der Israeliten beim örtlichen Hörakustiker vorstellig geworden.

 

Çatalhöyük

Die älteste »richtige« Stadt, die wir kennen, war allerdings Çatalhöyük, 40 Kilometer südöstlich von Konya in der Türkei gelegen. Vor über 9.000 Jahren blühte auf einer Fläche von bis zu 34 Hektar städtisches Leben. Der Ort, der 2000 Jahre lang bewohnt war, wird in dieser Zeit auf etwa 8.000 Einwohner geschätzt, nur etwas weniger als in dem bekannten Fährhafen Sassnitz auf Rügen leben. Es muss eng gewesen sein. Zum Vergleich: In Arnis, der kleinsten Stadt Deutschlands, idyllisch an der Schlei in Schleswig-Holstein gelegen, wohnen auf 45 Hektar 268 Menschen. Die Häuser waren direkt aneinander gebaut. Straßen und Plätze, Tempel und Paläste fehlten. Die Fußwege führten über die Flachdächer der Häuser, der Zugang erfolgte über Dachluken. Einen Friedhof gab es nicht, die Toten wurden in den Häusern unter den Böden bestattet. Im Grunde eine praktische Regelung. Wenn man sich beim Einstieg durch das Dach das Genick brach, hatten die Verwandten wenig Stress mit der Beerdigung.

 

Als Selbstversorger ernährten die Bewohner sich von Erbsen, Weizen, Gerste sowie Fleisch von Ziegen, Schafen, Rindern und Wild. Vor 8.500 Jahren lernten sie, Keramik zu brennen, was das Leben deutlich vereinfachte.

 

Das Besondere an Çatalhöyük ist, dass die Siedlung wohl als Gemeinschaftswerk aller Bewohner entstanden ist. Das vereinfachte nicht nur den Bau der Häuser, es ermöglichte ihn angesichts der noch am Anfang der Entwicklung stehenden Bautechnik eigentlich erst. Auf der anderen Seite zeigen die Verzierungen in den Wohnungen und insbesondere die Grabstätten mit den ebenfalls häufig bemalten und geschmückten Toten, dass die Wohnungen von den unterschiedlichen Familien sehr individuell gestaltet wurden.

 

Es gibt eine Reihe von Theorien, wie die Gesellschaften in dem Übergangsprozess von den reinen Jäger- und Sammler-Kulturen zur Sesshaftigkeit funktioniert haben. Çatalhöyük mag angesichts des Fehlens von größeren Gebäuden, die als Palast oder Herrschaftssitz gedeutet werden könnten, ein Beispiel sein, dass es durchaus nicht-hierarchische Formen des Zusammenlebens gegeben haben mag. Ob diese dann demokratisch funktioniert haben und welche Regeln und Riten die Menschen zusammenhielten, das alles wissen wir nicht. Wie wir uns Menschen kennen, wird es aber auf Sicht sicherlich irgendjemand gegeben haben, der (oder die) den anderen gerne erklärt hat, dass alles wesentlich besser liefe, wenn man denn auf ihn (oder sie) hörte.

Auf jeden Fall wuchs der Zwang zum Zusammenhalt, um die komplexer werdenden Prozessketten in der Nahrungsversorgung und die zunehmende Spezialisierung der Tätigkeiten in einen gedeihlichen Einklang zu bringen.

 

Wir könnten jetzt noch stärker auf die Schwierigkeiten eingehen, die ein solch enges Zusammenleben nach sich zog. Toiletten mit Wasserspülung gab es noch nicht. Und einen Innenhof mit einem Häuschen, in dessen Tür ein Herz geschnitzt war, gab es auch nicht. Wir denken nicht über die Konsequenzen nach. Aus den Ausgrabungen in Çatalhöyük wissen wir, dass die Einwohner durchaus häufiger aufeinander losgingen. Durch enges Zusammenleben steigen die Konflikte. Schädelverletzungen durch Schläge von hinten waren wohl nicht unüblich. Viele Menschen litten aufgrund der sehr getreidelastigen Ernährung unter Zahnfäule, auch als Karies bekannt. Zahnschmerzen wirken nicht zwingend entspannend, da schlägt man vielleicht eher mal zu, wenn der Nachbar die vereinbarten Ruhezeiten zwischen 13:00 und 15:00 Uhr zum wiederholten Mal missachtet. So beeindruckend also die zivilisatorischen Fortschritte unserer Urahnen waren, ganz einfach hatten sie es auch nicht.

 

Göbekli Tepe

Das Leben ist heute mehr als Schule, Büro, Werkbank, Fitnessstudio, Café und Frühjahrsputz. Wenn auch die Kirchen viele Mitglieder verlieren, ist Spiritualität ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen. Das war vor 12.000 Jahren nicht anders als heute. Mensch ist Mensch.

Im Südosten der Türkei liegt der »Bauchige Hügel«, im Original Göbekli Tepe. Dort haben Archäologen eine Anlage ausgegraben, die etwa 11.500 Jahre alt ist. Sie besteht aus von ringförmigen Außenmauern umschlossenen einzelnen Heiligtümern, in deren Innenräumen drei bis fünf Meter hohe und bis zu zwanzig Tonnen schwere über Mauern oder Steinbänke miteinander verbundene T-Kopf-Pfeiler stehen. Auf diesen finden sich Reliefs von erstaunlicher Qualität, vornehmlich Tierdarstellungen. Da in der näheren Umgebung keine Wohnsiedlungen oder Feuerstätten gefunden wurden, gehen die Forscher davon aus, dass es sich um eine Kultstätte gehandelt haben muss – älter und beeindruckender als das weniger als halb so alte Stonehenge. Dort finden wir zudem auch keine Bilder. Dennoch ist natürlich auch Stonehenge ein überwältigender Ort, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die riesigen Steine vielleicht schon einmal in Wales standen und dann über 300 Kilometer weit nach Wiltshire gezogen worden sind.

 

Das Erklärungsmuster »rituelle Stätte« oder »Heiligtum« wird ja gerne herangezogen, wenn der konkrete Zweck eines archäologischen Fundes unklar ist. Es muss aber nicht falsch sein. Auch in heutigen Städten mögen Kirchen oder Moscheen als beeindruckende Bauten späteren Forschern Rätsel aufgeben. Die Deutung als Kultstätte wäre dann ja auch nicht verkehrt.

 

Die Struktur der Gesamtanlage von Göbekli Tepe ist grandios. Es handelt sich um mehrere Kreisstrukturen, die nach gleichen Gesetzmäßigkeiten und in gleicher Ausrichtung errichtet wurden, so dass die Forscher von einem umfassenden Bauplan ausgehen. Nun entstehen Kultstätten dieses Umfangs und Kunstwerke dieser Qualität nicht einfach so an einem lauen Sonnabendnachmittag, weder heute noch in der Steinzeit. Was auch immer die Menschen getrieben hat, solche Anstrengungen zu unternehmen, die Arbeiter, die die Steine behauen und transportiert haben, hatten mitunter auch Hunger. So gibt es die Überlegung, dass der Getreideanbau dadurch entstand, dass die vielen Menschen, die den Tempel bauten, verlässlich ernährt werden mussten. Sehr nachvollziehbar, zumindest für einige unter uns, ist auch die Annahme, dass das Getreide gar nicht hauptsächlich zum Verzehr gedacht war, sondern als Ausgangsstoff für die alkoholische Gärung und damit das Bierbrauen. Wenn wir akzeptieren, dass wir uns von den Kollegen vor 11.500 Jahren nur wenig unterscheiden, dann müssen wir auch diese Vermutung zulassen. Die genaue Antwort bleibt leider offen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass nur eine richtig ist.

 

Klimakatastrophen

Die Ideen und Techniken, die im Zuge der Zivilsation im Fruchtbaren Halbmond entstanden, breiteten sich wie gesagt Stück für Stück auch nach Osten und nach Europa aus. Ganz so schnell ging es nicht, denn erst einmal kam die Sintflut. Naja, vielleicht. Auf jeden Fall wurde es feucht.

Durch die Temperatursteigerungen im Präboreal und im darauffolgenden Boreal vor etwa 8.000 Jahren schmolzen die Gletscher. Der Meeresspiegel stieg und formte die Küstenlinien neu. So lief beispielsweise die Nordsee voll und Großbritannien wurde eine Insel. Das Schwarze Meer war plötzlich kein Binnensee mehr. Insbesondere für die Siedler in den Küstenregionen war diese Entwicklung dramatisch. 17 Millimeter Anstieg pro Jahr, das klingt erst einmal nicht so schlimm. In 59 Jahren ist das ein Meter, das ist für die Spanne eines Menschenlebens schon sehr viel. Wenn es allerdings so war, dass es einen plötzlichen Dammbruch am Bosporus gegeben hat, der zu einer schnellen Flutung des Schwarzen Meeres geführt hat, dann wären die Menschen in Kleinasien und aus den anderen Küstengebieten mit den 17 Millimetern sehr zufrieden gewesen. Auch wenn sich solch dramatische Geschichten natürlich schön lesen und auch wenn es durchaus Forschungsergebnisse gibt, die sie stützen, ist man mittlerweile doch der Meinung, dass es zwar immer wieder Abschottungen und erneute Salzwassereinbrüche in das Schwarze Meer, jedoch keine daraus abzuleitende Sintflut gegeben habe. Was also genau passiert ist, bleibt wie so häufig offen.

 

Welche Vorbilder die Sintfluterzählungen in der Bibel, im Gilgamesch-Epos der Babylonier oder in der Geschichte von Deukalion in der griechischen Mythologie hatten, die doch alle deutlich später entstanden sind, wissen wir nicht. Flussüberschwemmungen durch Eisschmelze in den Gebirgen, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Meteoriten - such Dir was aus, es gibt zu allem schöne Theorien. Dass diese Berichte immer wieder auftauchen, deutet vielleicht auch nur auf die mangelnde Phantasie der Autoren, die gerne voneinander abgeschrieben haben. Oder es hat doch ein übergreifendes Ereignis gegeben, dass sich in der Erinnerung der Menschen gehalten hat. Manche Traumata verschwinden ja nicht so schnell, auch aus einem kollektiven Bewusstsein.

 

Nachdem sich das Klima wieder stabilisiert hatte, breitete sich die Landwirtschaft immer weiter aus. Vor 7.000 Jahren war der Westen Europas von Bauern besiedelt, vor 6.000 Jahren auch England. So wurden in Anciens Arsenaux bei Sion im Schweizer Kanton Wallis 7000 Jahre alte Pflugspuren entdeckt, die wahrscheinlich durch von Rindern gezogene Pflüge entstanden sind. Und in der Gegen des heutigen Moldawien gab es vor etwa 6.000 Jahren sogenannte Trypillia, größere, eng bebaute Siedlungen von bis zu 320 Hektar für vielleicht 10.000 Menschen, die Feld- und Viehwirtschaft betrieben.

 

Die Stabilität des Klimas müssen wir allerdings ein wenig relativieren. Die Sahara, die nach der letzten Eiszeit um 10.000 v. Chr. durch eine Nordverschiebung der tropischen Region fruchtbar wurde, trocknete ab etwa 4000 v. Chr. immer mehr aus und wurde wieder zur Wüste. Aus der Zeit davor finden wir Zeugnisse menschlicher Siedlungen, beispielsweise Felsbilder wie die aus dem Film "Der englische Patient" bekannten 8.000 Jahre alten Darstellungen von schwimmenden Menschen in den Höhlen von Gilf Kebir.

Das Austrocknen der Sahara kann in komplexen Klimamodellen nachvollzogen werden. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt auch die bereits beschriebenen Zyklen in Neigung und Umlaufbahn der Erde. Es gibt auch die Überlegung, dass der Mensch hier seinen Teil dazu beigetragen hat, indem er größere Gebiete der fruchtbaren Sahara abgeholzt und auf diese Weise zur Versteppung beigetragen hat. Menschengemachter Klimawandel in der Steinzeit? Nun, es mag den Prozess beschleunigt, aber sicher nicht ausgelöst haben. Auch da sind wir mittlerweile weiter.

 

Durch die Bodenerosion und den Staub, der vom Wind weggetragen wurde, entstanden auch in anderen Weltregionen Folgeeffekte. Der Indische Ozean kühlte beispielsweise ab, die Monsunregen gingen zurück. Dürren in Südostasien waren die Folge. Wir erkennen, dass wie immer im Leben alles vernetzt ist und unser Anspruch, eine kohärente Geschichte zu erzählen, immer nur an der Oberfläche streift und nie alle Wirkzusammenhänge berücksichtigen kann. Wir machen in diesem Bewusstsein unserer Unzulänglichkeit dennoch weiter.

 

Fortschritt: Käse und Räder

Ein wesentlicher Entwicklungsschritt war die Nutzung von Sekundärprodukten wie Wolle und Milch mit deren Folgeprodukten Butter, Käse und Quark. Dies hatte insbesondere für die Tiere den Vorteil, dass man sie nicht mehr töten musste, um zu überleben. Dafür durften sie, vor allem die zu Ochsen kastrierten Rinder, jetzt den Pflug ziehen. Länger leben, dafür arbeiten. Wir kennen diese Geschichte. Diese Entwicklungsschritte sind alle etwa fünfeinhalbtausend Jahre alt. Pflug und Bewässerung steigerten die Erträge deutlich. Damit wuchs auch die Zahl der Menschen, die ernährt werden konnten.

Und bei einer größeren Bevölkerung ist es naheliegend, dass sich Spezialfähigkeiten besser nutzen ließen. Jeder musste nicht mehr alles können, einzelne konnten sich auf bestimmte Technologien oder Fertigkeiten konzentrieren, was die Entwicklungsgeschwindigkeit erheblich steigerte. Es ging sozusagen rund.

 

Denn etwa in dieser Zeit, im 5. Jahrtausend v. Chr., gelang dem Menschen ein entscheidender Entwicklungsschritt: die Erfindung des Rades. Anscheinend kamen Töpfer am Indus als erste auf diese geniale Idee. Nun lässt sich mit einer Töpferscheibe der nächste Umzug allerdings nur schwer bewerkstelligen. Insofern wurde weiter getüftelt und wir finden ab etwa 4000 v. Chr. an vielen Orten Hinweise auf Transportfahrzeuge. In Flintbek bei Kiel hat sich sogar eine Fahrspur erhalten, deren Ursprung auf etwa 3400 v. Chr. datiert wird.

 

Natürlich verlief auch diese Entwicklung nicht ohne Brüche. Beispielsweise sorgte die Bewässerung im Süden Mesopotamiens für eine Versalzung der Böden. Dies geschah nicht, weil mit Salzwasser bewässert wurde, sondern weil durch die Feuchte im bewässerten Boden an der Oberfläche durch den Kapillareffekt das Grundwasser nach oben gezogen wurde und dort verdunstete. Im Boden blieben die bislang im Wasser gelösten Salze zurück, was über die Jahrhunderte dazu führte, dass »schwarze Felder weiß wurden«, wie uns 4.000 Jahre alte Keilschrifttafeln berichten. Die Erträge, die ursprünglich bei dem Dreißigfachen des eingesetzten Saatgutes gelegen hatten, schrumpften auf das Sechs- bis Zehnfache. Damit lagen sie allerdings immer noch über denen, die aus dem antiken Italien mit dem Vier- bzw. Griechenland mit dem Sechsfachen überliefert sind.

Ich habe keine guten Vergleichszahlen für die heutige Zeit gefunden, bzw. nicht lange und intelligent genug gesucht. Eine Abschätzung aus den veröffentlichten Hektarerträgen (bei Hafer: gut 45 Dezitonnen pro Hektar) und empfohlenen Aussaatmengen (bei Hafer: 280 bis 320 Körner pro Quadratmeter, wobei 1000 Körner etwa 30 bis 40 Gramm wiegen) ergibt einen Wert, der über dem 40fachen liegt. Rechne aber lieber selber nach, wenn Dich das interessiert. Ich bin weder Agrarökonom noch Mathematiker. Was uns das alles über die Leistungsfähigkeit der modernen Landwirtschaft sagt, will ich daher auch lieber nicht diskutieren.

 

Ein Blick in die Welt

Die Effekte, die die neolithische Revolution im Nahen Osten befördert hatten, waren auch in anderen Weltgegenden zu beobachten. So haben sich auch in Ostasien und Amerika sesshafte Gesellschaftsformen entwickelt. In Europa und Vorderasien musste man sich diesbezüglich aber nicht gesondert anstrengen. Trotz beginnender Sesshaftigkeit suchten Menschen natürlich weiterhin nach besseren Lebensbedingungen und zogen durch die Lande. Sie verbreiteten so auch den technologischen Fortschritt, der sich im Fruchtbaren Halbmond entwickelt hatte, und die Einheimischen konnten durch schlichtes Nachmachen profitieren. Sowohl genetische Analysen, die die Verwandtschaft der Westeuropäer mit den Völkern des Nahen Ostens belegen, zeigen dies, ebenso wie die Erforschung der Entwicklung der Sprachen.

 

In Ostasien begann die Ausbreitung im Norden Chinas, wo der Reisanbau dominierte. Von da aus ging es gen Norden Richtung Mandschurei und Zentralasien, nach Süden bis an den Himalaya und Thailand. Taiwan war etwa vor 4.200 Jahren an der Reihe, Japan erst vor 2.400 Jahren, also zur Zeit der griechischen Perserkriege, als die Vorfahren der Japaner aus Korea einwanderten.

In Amerika gibt es weniger archäologische Funde. Man weiß aber, dass vor 5.000 Jahren die Maya und Azteken den Maisanbau kultivierten und auch bis in den Südwesten der heutigen USA verbreiteten. Auch im Amazonasbecken und an der nordamerikanischen Ostküste entstanden landwirtschaftlich geprägte Kulturen, in Teilen sogar sehr früh. So hat man im Norden Boliviens 10.000 Jahre alte kleine Siedlungen auf Waldinseln in einem Überschwemmungsgebiet nachgewiesen, in denen Maniok und Kürbis angebaut wurden.

In Afrika können wir sicher davon ausgehen, dass die Entwicklung im Niltal eng gekoppelt und im Austausch mit den Siedlern im Nahen Osten verlief. Südlich der Sahara breiteten sich die Bantu aus Westafrika immer weiter durch den Regenwald nach Osten aus. Vor etwa 3.000 Jahren trafen sie dann in Ostafrika auf Bauern, die bereits Pflanzen und Tiere domestiziert, also die fortschrittlichen Techniken und Praktiken aus dem Fruchtbaren Halbmond übernommen hatten. Die Bantu lernten Hirse anzubauen und Rinder zu züchten. Spätestens um 600 v. Chr., also vor gut 2.500 Jahren nutzten sie dann auch die Eisenhacke. So gerüstet wandten sich nach Süden. Bis auf die Kapregion mit ihren klimatischen Verhältnissen, die rein breitengradtechnisch wieder stärker durch Sommer-Winter-Zyklen geprägt waren, konnten sie den größten Teil des südlich der Sahara gelegenen Afrikas erobern. Eine Eroberung, die nicht mit Waffen, sondern mit Hacken aus Eisen vor sich ging. Den »Schwerter zu Pflugscharen«-Ansatz des Propheten Micha aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. hatten die Bantu früh begriffen.

 

Vieles haben wir nun beisammen, um nach der Erdgeschichte und der Entwicklung des Menschen in die eigentliche Geschichtsschreibung einzusteigen, also die Erzählung der Ereignisse und Entwicklungen, die uns durch schriftliche Zeugnisse bekannt sind. Allerdings fehlt dafür noch ein wesentliches Merkmal. Die Schrift. Das nächste Mal schauen wir also auf die Entwicklung der Schrift und beschäftigen uns auf dem Weg in die Bronze- und Eisenzeit auch ein wenig mit der Metallurgie. Ein wenig Zeit haben wir ja noch. Immerhin dauerte es über 5.000 Jahre bis sich nach der neolithischen Revolution die ersten Hochkulturen entwickelten, die uns auch schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben. Wenn Du so willst, war der erste Schritt der schwierigste. Soll ja häufiger vorkommen.