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(9) Das Quartär

Quartär (vor 2,588 Millionen Jahren bis heute)

Wenn auch das Tertiär begrifflich abgeschafft wurde, das Quartär hat überlebt - wenn auch erst nach hinhaltendem Kampf. 2004 war es bereits abgeschafft, konnte aber 2008/2009 Wiederauferstehung feiern. Die Gründe für dieses Hin und Her lassen wir am besten links liegen.

 

Das Quartär ist die Periode der Erdgeschichte, die vor 2,59 Millionen Jahren begann, und in der wir noch heute leben. Leitfossilien dieser Grenze der Perioden sind die Kleinstlebewesen Discoaster pentaradiatus, Discoaster brouweri und Discoaster surculus, die in den zum Quartär gehörenden Gesteinsschichten nicht mehr zu finden sind. Dort brauchtst Du also auch nicht danach zu suchen.

Zu Beginn des Quartärs kehrte sich das Magnetfeld der Erde um. Das ist eigentlich nicht weiter erwähnenswert, da es alle paar hunderttausend Jahre passiert. Das letzte Mal haben unsere Vorfahren das vor 41.000 Jahren erlebt, mangels Kompass-App auf dem Smartphone aber nicht so recht mitbekommen. Diese Umpolung hielt auch nur etwa eintausend Jahre. Ich erzähle das auch nur, weil die Wissenschaft hier eigentlich bald eine neuerliche Umkehr erwartet. Ein Indiz sehen sie in der relativ schnellen Wanderung des Punktes, an dem im Norden die Feldlinien des Magnetfeldes der Erde senkrecht in den Boden zeigen. Derzeit sind es etwa 50 Kilometer pro Jahr in Richtung Nord-Nord-West. Im Süden geht es behäbiger zu, da liegt der Wert bei etwa 15 km. Bei einer Polumkehr wären wir in Deutschland plötzlich auf der Südhalbkugel und unsere australischen Verwandten lebten im Norden. Trotzdem solltest Du vorsichtig sein, wenn der Makler Dir von dem tollen Nordost-Balkon vorschwärmt. Der Drehung der Erde um sich selbst und um die Sonne ist es relativ egal, wo der magnetische Nord- oder Südpol ist.

 

Nachdem wir im letzten Blog schon die Affen kennenlernen durften, wollen wir uns nun immer mehr mit der Geschichte der Menschheit beschäftigen. Einen kleinen Abstecher in die Klimageschichte gönnen wir uns dieses Mal aber doch noch. Ich hoffe, Du hast gleich ein Paar dicke Socken zur Hand.

 

Entwicklung zum Menschen

Der Mensch stammt vom Affen ab. Der Satz ist nur bedingt richtig. Korrekter wäre es, zu sagen: Mensch und Affe haben gemeinsame Vorfahren. Grob lässt sich die Geschichte der Menschwerdung ausgehend vom Australopithecus, dem »südlichen Affen«, der wohl am ehesten den heutigen Steppenpavianen ähnlich war, beschreiben. Die ältesten Spuren dieses Ahnen des Menschen finden sich in Süd- und Ostafrika, Lucy kennen die meisten, und sind zwischen 3,4 und 3,2 Millionen Jahre alt. Ein Zweig dieser Affenart entwickelte sich zum Homo habilis, dem »geschickten Menschen«, der vor 2,1 bis 1,5 Millionen Jahren lebte. Ein anderer, für uns relevanterer Zweig führte zu dem mir äußerst sympathischen Homo rudolfensis, den es schon 400.000 Jahre vor dem Homo habilis, also etwa vor zwischen 2,5 und 1,9 Millionen Jahren, gegeben hat. Aus ihm entwickelte sich in Folge der arbeitende Mensch oder Homo ergaster (vor 1,9 bis 1,4 Millionen Jahren) und der aufgerichtete Mensch Homo erectus (vor 1,9 Millionen bis vor etwa 200.000, vielleicht sogar bis vor 40.000 Jahren).

Dieser war eine überaus erfolgreiche Art der Gattung Homo, er existierte mehr als anderthalb Millionen Jahre und besiedelte den ganzen Erdball. In Europa kennen wir ihn auch als Homo heidelbergensis und Neandertaler. Auch in Ostasien ist er nachweisbar. Möglicherweise ist er der Stammvater des Homo floriensis, einer kleinwüchsigen Menschenart, deren Fossilien man auf der indonesischen Insel Flores entdeckt hat. Respektlose Zeitgenossen titulieren ihn auch als Hobbit. In Afrika wurde der Homo erectus der Stammvater des Homo sapiens. Zumindest aus unserer Sicht ein weiterer Pluspunkt.

 

Bevor wir jetzt tiefer in die Menschheitsgeschichte eintauchen, müssen wir die Erzählung an dieser Stelle noch einmal unterbrechen. Ich hatte im letzten Blog ja versprochen, dass wir uns noch um die Eiszeiten kümmern wollen. Damit und mit diesem Kapitel schließen wir die erdgeschichtliche Darstellung dann auch ab und kümmern uns ab dem nächsten Blog um das, was der Homo sapiens auf unserem Planeten so alles veranstaltet hat.

 

Eiszeiten

Eiszeiten sind lange her, denkst Du und da hast Du Recht. Wir haben auf die Klimageschichte bisher nicht so sehr geachtet und wollen auch jetzt nur kurz auf die Eiszeiten schauen. Sonst wird es uns auch zu kalt.

 

Vor etwa 2,4 Milliarden Jahren gab es eine, die bis zu 300 Millionen Jahre dauerte. Sie endete wohl vor 2,23 Milliarden Jahren wahrscheinlich aufgrund eines Asteroideneinschlags im Westteil des heutigen Australien. Das durch den Einschlag verdampfte Wasser sorgte für einen Treibhauseffekt, der die Eiszeit beendete. Heute zeugt der Yarrabubba-Krater mit einem Durchmesser von 70 Kilometern von diesem Ereignis. Naja, eigentlich zeugt er relativ wenig, weil es ihn mittlerweile gar nicht mehr gibt. In über zwei Milliarden Jahren erodieren auch die größten Krater. Spuren des Einschlags findet man nur noch im Quarzgestein in der Gegend. Wenn Du jetzt gut in Mathe bist, wirst Du ausrechnen, dass zwischen 2,4 und 2,23 Milliarden Jahren schwerlich 300 Millionen Jahre liegen können. Die Raum-Zeit-Krümmung hilft hier auch nicht bei der Erklärung, es sind einfach die Unsicherheiten in der Datierung solch lang zurückliegender Ereignisse, die hier absolut eindeutige Aussagen verhindern. Diese Unsicherheiten will ich bei den Angaben von Zeiträumen nicht verbergen, aber auch nicht jedes Mal darauf hinweisen. Eine Erinnerung an dieser Stelle mag erst einmal reichen.

 

Weitere Eiszeiten erlebte unsere Erde vor 717 und 640 Millionen Jahren. Im Ordovizium und Silur war es kalt, im Übergang vom Karbon ins Perm ebenfalls. Und aus gesamthafter erdgeschichtlicher Perspektive befindet sich unser Planet seit 34 Millionen Jahren wieder mal in einer Kaltzeit. Wir haben letztes Mal schon gelernt, dass vor gut zweieinhalb Millionen Jahren der Zusammenschluss von Nord- und Südamerika und die Umlenkung der warmen Meeresströmungen als Golfstrom in den Norden verbunden mit einer deutlichen Reduktion des Kohlendioxidgehaltes in der Atmosphäre eine neue Eiszeit auslöste. Seither gab es zwischen 40 und 50 weitere mit jeweils wärmeren Zwischenphasen.

 

Überlagernde Zyklen

Ein wesentlicher Faktor für das Entstehen von Eiszeiten ist die Stellung der Erde in Relation zur Sonne. Wir kreisen ja nicht um unseren Stern, sondern wir ellipsoieren meist. Und auch die Sonne bewegt sich, so dass die Entfernung Erde-Sonne nie gleich ist. Herr Milanković aus Serbien hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausgefunden, dass es gewisse periodische wirkende Gesetzmäßigkeiten gibt, die das Klima auf der Erde wesentlich beeinflussen:

  • Die Ellipsenform der Erdbahn um die Sonne schwankt in einem Zyklus von etwa 100.000 Jahren, wohl ausgelöst durch die Wirkung der großen und nahen Planeten Saturn, Jupiter und Venus, von fast kreisförmig zu rund fünf Prozent elliptisch. Das Maximum wird etwa alle 405.000 Jahre erreicht. Derzeit liegt die Exzentrizität bei etwa 1,67 Prozent, die Entfernung zwischen Erde und Sonne variiert damit im Jahresverlauf um bis zu 3,4 Prozent, die Sonneneinstrahlung selbst in Folge um bis zu 6,9 Prozent.
  • Die Erdrotation ist in sich nicht gleichförmig. Die Erde taumelt wie ein Kreisel in einem Zyklus von 25.700 bis 25.800 Jahren.
  • Der Neigungswinkel der Erdachse schwankt in einem Zyklus von 41.000 Jahren zwischen 22,1 und 24,5 Grad. Die schiefe Achse verdanken wir dem Zusammenstoß mit Theia, Du erinnerst Dich. Man vermutet, dass das Schwanken der Achse in der Bewegung des flüssigen äußeren Erdkerns begründet ist.

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Einflussfaktoren. Die Ausrichtung der Ellipsenbahn um die Sonne verändert sich beispielsweise in einem Zyklus von 112.000 Jahren im Vergleich zur Jupiterbahn. Und kurzlebig, wie wir sind, könnten wir beispielsweise noch einen nur 11-jährigen Zyklus hinzufügen, den 1843 Herr Schwabe aus Dessau entdeckt hat. In diesem Zeitraum wiederholen sich Minima und Maxima der Sonnenflecken.

 

Wenn Du Dir diese unterschiedlichen Milanković–Zyklen vorstellst, dann ist klar, dass der erste die Gesamtmenge der Energie, die von der Sonne auf der Erde ankommt, beeinflusst, die anderen eher die Verteilung auf die unterschiedlichen Regionen. Für die letzten zwei Millionen Jahre ist dieser Effekt aus der Analyse von Eisbohrkernen nachweisbar, wobei seit einer Million Jahren der durch den Neigungswinkel gesteuerte 41.000-Jahres-Zyklus dominiert.

 

Diese Effekte wirken aber nicht allein, das wäre ja auch zu einfach. Sie werden überlagert durch die bereits erwähnte Reflexion von Sonnenwärme durch die weißen vereisten Flächen. Das Maß für diese Reflexionsstrahlung nennen Fachleute und Menschen mit Erdkunde-Leistungskurs Albedo. Die genaue Herleitung der Temperaturentwicklung der letzten Jahrhunderttausende ist ein eigenes Thema, das wir frohen Mutes zur Seite stellen. Uns reicht es, in etwa eine Ahnung zu haben, was die Eiszeiten ausgelöst hat. Der guten Ordnung halber schauen noch einmal kurz auf deren jüngere Geschichte.

 

Pullover an

Vor 34 Millionen Jahren im Paläogen begann die Vergletscherung der Antarktis. Dies wird als Beginn des Känozoischen Eiszeitalters betrachtet, in dem wir auch heute noch leben. Du erinnerst Dich, Känozoikum sagt der Fachmann zur Ära der Erdneuzeit. Das mag jetzt vor dem Hintergrund der Klimakrise überraschend sein: Erdgeschichtlich leben wir in einem Eiszeitalter. Dies gilt insbesondere, da mit Beginn des Quartärs auch die Arktis durch eine verstärkte Eisbildung in dem Spiel mitmischte. Neben dem Känozoischen sind wir also auch im Quartären Eiszeitalter. Du solltest also nicht alle Pullover in die Altkleidersammlung geben.

 

Pullover aus

Ein Eiszeitalter ist aber keine Eiszeit, sondern besteht aus sehr kalten, dazwischen aber durchaus auch aus relativ warmen Perioden. Diese mögen uns mit rund 15.000 Jahren zwar als lang erscheinen. Sie wiederholen sich aber lediglich alle gut 100.000 Jahre. In den 85.000 Jahren dazwischen wird gefroren. Die Warmzeit, in der wir uns derzeit befinden, gibt es seit etwa 11.700 Jahren. Wir haben also statistisch noch 3.300 Jahre vor uns. Allerdings arbeiten mit unserem Kohlendioxid-Ausstoß kräftig an einer Intensivierung und Verlängerung. Zudem sind die 15.000 Jahre auch nur ein Mittelwert, es gab Warmzeiten von 40.000 Jahren Dauer. Die Wissenschaftler gehen aktuell davon aus, dass auch die derzeitige Periode noch mindestens 30.000 Jahre, mit unserer Hilfe sogar bis zu 100.000 Jahre andauern könnte. Die Pullover können also noch ein wenig im Schrank bleiben.

 

Namen sind Eis und Schnee

Im Quartär gab es bisher zehn Eiszeiten, die ich Dir jetzt nicht alle aufzählen möchte. Zudem sind die Namensgebungen sehr durch lokale Eigennamen geprägt, was die Liste, um allen Lesern gerecht zu werden, deutlich verlängern würde.

 

Die letzte Eiszeit beispielsweise heißt in Nordeuropa Weichsel-Eiszeit, im Alpenraum Würm-, in Britannien Devensian-, in Russland Waldai- und in Nordamerika Wisconsin-Eiszeit. Sie begann von etwa 115.000 und endete vor etwa 11.700 Jahren. Es war im Mittel um 6,1 Grad kälter als in unserer heutigen Periode der Erdgeschichte. Die Gletscher drangen von Skandinavien bis nach Schleswig-Holstein und Brandenburg vor. Schottland, Nord- und Mittelengland und die Hälfte Irlands waren unter dem Eispanzer verschwunden ebenso wie die baltischen Staaten und der Nordosten Russlands.

Sie war damit nicht ganz so ausgedehnt wie die Saale-Eiszeit davor, die im Süden Riss-Eiszeit heißt, und vor etwa 300.000 bis 126.000 Jahren das Klima beherrschte. Die Grenzen der Vereisung aus dieser Zeit können wir auf der Landkarte sehr schön an der Lage unserer Mittelgebirge und im Westen an der Grenze zwischen den Niederlanden und Belgien erkennen.

Die Vereisungsgrenze war ähnlich wie die der vorlaufenden im Süden Mindel- respektive im Norden Elster-Eiszeit, die vor 400.000 bis 320.000 Jahren Nordeuropa vergletscherte. Hier verlief die Grenze in Nordrhein-Westfalen deutlich nördlicher, in Thüringen und Sachsen schob sich das Eis sogar noch ein wenig weiter vor. Die Klimageschichte der Eiszeiten rekonstruieren Wissenschaftler unter anderem aus den Ausscheidungen der Eiszeit-Regenwürmer. Wenn Wurmkot nicht so Dein Ding ist, dann ist im Zweifel Paläoklimaforschung nicht die richtige Nummer 1 auf der Liste der Traumberufe.

 

Während dieser Zeiten lebten unsere Vorfahren bereits in Europa. Zeit, dass wir uns ein wenig um sie kümmern. Wir verlassen also die Erdgeschichte, freuen uns, dass wir in einer Warmzeit zwischen den ganzen langen Eiszeiten leben, und kümmern uns ab der nächsten Folge um die Menschheitsgeschichte. Und damit beginnen wir in Afrika, denn da ging es, wie wir bereits gesehen haben, los.