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(2) Die Entstehung des Lebens

Nach dem kurzen Blick in die Zukunft kommen wir zurück auf die Erde, die sich gerade von der Aufregung des Zusammenstoßes mit Theia erholt hat.

 

Wir brauchen den Mond

Jede Wolke hat einen goldenen Rand, sagte meine Großmutter immer. Und so hatte auch der Schock der Kollision mit dem Asteroiden Theia letztlich sein Gutes. Denn aus der Verbindung von Gaia, der Urerde, mit Theia entstand Luna, der Mond.

Dieses Gedankenbild der Mondgeburt möchte ich jetzt gar nicht weiter vertiefen, sondern Deine Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass erst das Zusammenspiel zwischen Mond und Erde unser Leben so richtig lebenswert macht.

Und damit meine ich nicht die romantischen Vollmondnächte im Sommer. Du bist mir sicher dankbar, wenn ich hier nicht den Physik-Grundkurs rekapituliere, und glaubst mir, dass der Mond nicht nur für Ebbe und Flut auf unserer Erde verantwortlich ist.

Nein, er stabilisiert auch den Neigungswinkel der Erdachse von etwa 23,5 Grad gegenüber ihrer Umlaufbahn und sichert damit konstante klimatische Verhältnisse. Bei einem höheren Winkelwert wären die Nord- bzw. die Südhalbkugel jeweils über eine größere Zeitspanne der Sonne zugewandt. Und Sommer und Winter würden dann deutlich länger dauern, was uns extremere Temperaturschwankungen und vermutlich auch häufigere und stärkere Stürme, die aus den Temperatur- und Druckunterschieden entstünden, bescheren würde.

Zudem bremst er durch seine Schwerkraft die Drehung der Erde um sich selbst. Ohne ihn hätten wir also viel kürzere Tage. Und viele von uns schaffen ja heute schon kaum ihr Tagespensum, die Stresskrankheiten würden also deutlich zunehmen.

Oder auch nicht, weil es uns – und alles andere Leben – vielleicht gar nicht gäbe. Zum einen entsteht Leben nicht einfach so aus dem Nichts – anders also als so etwas wie ein Universum – sondern braucht stabile Bedingungen. Dabei hat der Mond zumindest geholfen.

Zudem gibt es die Theorie, dass Leben sich aufgrund sehr hoher Nährstoffkonzentrationen auch in den Pfützen entwickelt haben könnte, die beispielsweise im Wattenmeer bei Ebbe entstehen. Dann hätte sich das Leben aber mit seiner Entstehung sehr beeilen müssen, weil, wie wir als begeisterte Nordseeurlauber wissen, nach der Ebbe die Flut kommt und das mit den Pfützen dann auch immer wieder ein schnelles Ende hat. Also eher keine stabilen Bedingungen. Wie auch immer, zweifelsohne ist die Existenz des Mondes von herausragender Bedeutung für die Entwicklung auf der Erde. Schauen wir also mit etwas Respekt und Dankbarkeit in den Himmel – selbst bei Neumond, wenn sich der Mond also zwischen Erde und Sonne befindet und nachts wie auch die Sonne unterhalb des Horizonts seine Bahn zieht.

 

Wasser auch

Wir haben jetzt also mit Mond und Erde eine stabile Situation. Die Erde hatte noch keine Atmosphäre, die leichten Gase Helium und Wasserstoff konnten sich in den zu Beginn sehr starken Sonnenwinden noch nicht halten und wurden weggeblasen. Auf die Theorie, dass das Wasser durch die Enstat-Chondrit-Meteorite auf die Erde gelangt sei, hatten wir schon hingewiesen. Auf jeden Fall wurde das Klima auf der Erde glücklicherweise mit der Zeit etwas gemäßigter. Sukzessive bildete sich eine Kruste, die Temperatur sank langsam unter die 100 °C-Grenze, so dass der Wasserdampf kondensieren konnte. Schlicht: Es begann zu regnen. Länger zu regnen. Sehr lange zu regnen. Außerordentlich lange… Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrzehntausende und vielleicht noch länger. Immer nur Regen. Vor vier Milliarden Jahren stand das Wasser auf der ganzen Erde knapp zwei Meter hoch. Die Kruste war noch nicht wirklich fest, viele Vulkanausbrüche veränderten die Oberfläche laufend. So etwas wie Festland oder Berge gab es noch nicht. Insofern hätte Robinson auch kaum eine rettende Insel gefunden. Von der Existenz eines Robinson sind wir aber noch einige Jährchen entfernt. Die ganze Erdoberfläche also nur Wasser – aus dieser Zeit könnte auch die Einordnung der Erde als »blauer Planet« stammen, wenn es denn jemand zum Einordnen gegeben hätte.

 

Erste Lebensformen

Wir schenken uns an dieser Stelle mal den Versuch zu definieren, was "Leben" eigentlich ist. Es gibt Dutzende unterschiedliche Definitionen. Wir vertrauen da mal dem berühmten gesunden Menschenverstand, wohl wissend, dass dies mitunter gefährlich in die Irre führen kann.

Mit der Zeit entwickelten sich erste Lebensformen, die Prokaryoten. Das sind Zellen ohne Zellkern. Wir kennen sie als Bakterien. Daneben gibt es auch sogenannte Archaeen, die sich von den normalen Bakterien durch eine anders aufgebaute Zellwand und unterschiedliche Bausteine im genetischen System (der ribosomalen 16S-rRNA, wenn Du es nachschlagen willst) unterscheiden. Stammesgeschichtlich sollen sie uns sogar etwas näher sein. Alles mit Zellkern nennt sich zur Unterscheidung Eukaryoten. Die kriegen wir später. Anders als bei den Trauben auf dem Wochenmarkt, bei denen Bauern durch Züchtung kernlose Varianten entwickelt haben, war die Natur hier auf dem entgegengesetzten Weg und fing kernlos an. Es waren halt andere Zeiten. Wie die kernlosen Prokaryoten als erste Lebensform entstanden sind, weiß man nicht genau.

Vier Theorien zur Auswahl:

  1. Leben ist durch Kometen auf die Erde gekommen. Der eisige Kometenkern könnte widerstandsfähige Zellformen über Zeit und Raum zur Erde transportiert haben. So wurden in den Proben, die eine japanische Sonde auf dem Kometen Ryugu sammeln und zur Erde zurückbringen konnte, zwar keine Zellen, aber immerhin organische Bausteine des Lebens entdeckt. Neben der auch als Vitamin B3 bekannten Nikotinsäure und Aminosäuren handelt es sich dabei um eine Nukleinbase, den RNA-Baustein Uracil. Wie und wo dann das Leben entstanden ist, bleibt im Dunkeln des Universums verborgen.
  2. Oder: Leben ist in der »Ursuppe« entstanden: Heißes Wasser (der Ur-Ozean nach dem langen Regen) vermengt mit Methan, Ammoniak und Wasserstoff (aus den Vulkanausbrüchen) und elektrischer Energie (durch Gewitter) bilden nachweislich Aminosäuren als Grundbausteine des Lebens. Die Idee hatte Ernst Haeckel bereits 1828. Stanley Miller versuchte es 1953 ganz praktisch. Er setzte Wasser und bestimmte Gase elektrischen Entladungen (»Gewitter«) aus und hatte am Ende des Experiments Aminosäuren als Bausteine des Lebens in seinem Glaskolben. Leider waren seine Annahmen, welche Elemente seinerzeit auf der Erde vorherrschten, nicht korrekt, und Wiederholungen des Versuchs mit realistischeren Ausgangsparametern scheiterten. Selbst wenn man annimmt, dass in einer Kopplung dieses Ansatzes mit der Kometentheorie doch eine »lebensfreundliche« Ursuppe entstanden sein mag, ist der weitere Prozess zur Bildung der Prokaryoten nicht nachvollziehbar.
  3. Eine Mischung aus diesen beiden Varianten ist die Idee, dass Vorstufen von biologischen Molekülen dadurch entstanden sein könnten, dass eisenhaltige Meteoriten auf eine Erde trafen, deren Oberfläche durch einen hohen Anteil feiner Vulkanasche geprägt war, in der sich ebenfalls Eisenpartikel befunden haben. Mit diesen Eisenmolekülen als Katalysator könnten unter bestimmten atmosphärischen Verhältnissen organische Verbindungen entstanden sein. In Experimenten, in denen diese Situation nachgestellt wurde, konnten beträchtliche Mengen Ethanol, Methanol, Acetaldehyd und Formaldehyd erzeugt werden. Gerade die letzten beiden Substanzen sind wichtige Bausteine für Fettsäuren, Aminosäuren, Zuckersubstanzen und Nukleinbasen, wie sie in den DNA-Strängen vorkommen. Diese Idee basiert auf der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese, mit der durch Einsatz metallischer Katalysatoren aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff Kohlenwasserstoffe hergestellt werden können und das in der Chemieindustrie Anwendung findet.
  4. Auch die vierte Theorie hat etwas für sich: Auf dem  Grunde der Tiefsee gibt es sogenannte »Schwarze Raucher«, aus denen eine heiße mit Gasen und Mineralen vermischte Flüssigkeit entweicht. In deren Nähe finden sich Archaebakterien, die älteste heute noch existierende Lebensform. So fand man 3,42 Millionen Jahre alte Mikroben, die in Hohlräumen lebten, die durch warmes Wasser aus unterseeischen Quellen entstanden waren. Ein hoher Nickelanteil weist auf einen nicht auf Sauerstoff angewiesenen, sogenannten anaeroben, Methan nutzenden Stoffwechsel hin. Sicherlich kein Beweis, für einen Indizienprozess mag es vielleicht reichen.

Wie auch immer, dass es Prokaryoten gab, ist nachgewiesen. 3,5 Milliarden Jahre alte Überreste sind beispielsweise im Pilbara-Gebiet in Western Australia erhalten. Es handelt sich um Sedimentgesteine, die sogenannten Stromatolithen, die aus vielen von Mikroorganismen gebildeten Einzelschichten bestehen. In Tasmanien findet man sogar noch Stellen, an denen man in kühlen Süßwassertümpeln lebendige Stromatolithen finden kann. In Südafrika hat man in Bohrkernen aus dem Baberton Greenstone Belt 3,42 Milliarden Jahre alte Überreste von Mikroorganismen nachweisen können, die Lichtenergie für ihren Stoffwechsel nutzen und wahrscheinlich Methan produzieren konnten. Fossilien in Deutschland finden sich beispielsweise bei Kilianstädten in Hessen oder in der Pfalz. Diese sind allerdings um einiges jünger, sie stammen aus dem Perm. Da sind wir auch bald.

 

Eine Vorschau auf die Erdzeitalter

Die Erde ist jetzt gut eine Milliarde Jahre alt und das Leben hat begonnen. Die Einteilung der Erdzeitalter kannst Du jederzeit bei Wikipedia und Konsorten nachlesen, wir wollen nur einen kurzen Blick auf die Namen werfen. Nach dem Hadaikum befinden wir uns jetzt im Archaikum, welches den Zeitraum von vor vier bis vor zweieinhalb Milliarden Jahre bezeichnet. Da die hohe Gefahr besteht, dass ich es vergesse zu erwähnen, wenn wir so weit sind: Es folgt dann das Proterozoikum (bis 541 Millionen Jahre) und dann das Phanerozoikum (bis heute). Diese Phasen sind dann weiter unterteilt. Das Phanerozoikum beginnt beispielsweise mit dem Paläozoikum (oder Erdaltertum, bis 251,9 Millionen Jahre). Im Mesozoikum (oder Erdmittelalter, bis 66 Millionen Jahre) liegt auch die Kreidezeit, von der wir mitunter hören, wenn wir mal wieder Jurassic Park sehen. Im Anschluss folgt dann die Erdneuzeit oder das Känozoikum, in dem wir uns aktuell in der Phase des Quartärs (seit 2.588.000 Jahren) befinden. Lies Dir das nochmal in Ruhe durch, schau im Lexikon nach, ich frage Dich morgen ab. Scherz beiseite, aber wenn wir schon durch die Erdgeschichte stiefeln – oder in hoher Entfernung darüber hinweg fliegen – sollten wir diese Begriffe zumindest einmal gehört haben.

Wie auch immer es genau passiert ist, die Erde ist nach einer Milliarde Jahre ihrer Existenz belebt. Bakterien und Archaeen (die Prokaryoten) bestimmten jetzt für anderthalb Milliarden Jahre das, was man auf der Erde so Leben nennt. Anderes Leben existierte nicht. Viren gab es zwar wahrscheinlich auch schon, aber Viren sind eigentlich keine Lebewesen, das sie keinen eigenen Stoffwechsel haben, sondern nur aus Erbmaterial in einer Proteinhülle bestehen. Das nur nebenbei, falls Du gerade ein wenig erkältet bist oder Familie Corona zu Besuch ist.