Große Auswahl bei der Thronfolge
Die Nachfolge Herakleios‘ war nicht gut geregelt. So gab es einige Monate ein wenig Durcheinander. Er hatte mit seiner Nichte Martina, mit der er ja in zweiter Ehe verheiratet war, neun Kinder. Eigentlich eine hinreichende Auswahl, viele allerdings kränklich. Ein Sohn war gelähmt, ein anderer taubstumm. Auf jeden Fall fehlte aber die klare Regelung zur Thronfolge.
Martina favorisierte ihren Sohn Konstantinos Herakleios, besser bekannt unter seinem Kosenamen Heraklonas (626 bis 641). Sie hatte bereits 637 dafür gesorgt, dass mögliche (gesunde) Konkurrenten – ein illegitimer Sohn und ein Neffe Herakleios‘ – aus dem Weg geräumt wurden. Das Abschneiden von Ohren und Nasen kennen wir ja schon. Jetzt traf es zusätzlich auch die Füße und alles endete mit einer Verbannung auf entfernte Inseln. Unschöne Geschichte.
Am Ende wurden Heraklonas und sein Halbbruder Konstantinos III., Sohn der Eudokia (etwa 580 bis 612) aus Herakleios‘ erster Ehe, gemeinsam Nachfolger ihres Vaters. Konstantinos III. war aber schon seit längerer Zeit krank und starb kurz nach seiner Thronbesteigung. Der Weg für Martina und ihren Sprössling war damit aber keineswegs frei. Konstantinos III. kannte seine Stiefmutter und hatte seinen Sohn Flavios Herakleios (630 bis 668, reg. 641 bis 668) schon zum caesar und damit potentiellen Nachfolger ernannt. Zudem hatte er dem Heer den Befehl gegeben, seinen Sohn vor Martina zu beschützen. Wir kennen die Einzelheiten nicht. Auf jeden Fall wandten sich Militär, Senat und wohl auch das Volk gegen Martina und Heraklonas. Am 14. September 641 wurde der Palast gestürmt, Martina und Heraklonas wurden nach Rhodos verbannt, wobei Martina ihre Zunge und ihr Sohn seine Nase zurücklassen mussten.
Valentinos zieht die Fäden
Damit war der elfjährige Flavios Herakleios alleiniger Thronerbe. Warum er den schon früh auf Konstans verkürzten Kaisernamen Konstantinos annahm oder ob er diesen Beinamen von vorneherein trug, ist ein wenig unklar. Für Konstantinos III., seinen Vater, ist der Beiname o Neos Constantinos, »der neue Konstantin«, überliefert. Vielleicht war dies ja bei seinem Sohn genauso.
Als Vormund und Führer der Regierungsgeschäfte agierte erst einmal der Senat. Das kommt uns mittlerweile etwas ungewöhnlich vor, da wir diesem Gremium lange nicht mehr in irgendeiner wichtigen Rolle begegnet sind. Führend am Hof war ein Herr Valentinos (gest. 654/655), ein Feldherr aus Armenien, der seine Herkunft auf die Familie der Arsakiden zurückführte. Wir erinnern uns dunkel, dass das die Dynastie war, die von 240 v. Chr. bis 224 n. Chr. das Reich der Parther anführte, die ihr Reich auf Kosten der Seleukiden aufbauten und Roms großer Gegner im Osten waren.
Valentinos hatte auch die Aktion gegen Martina und Heraklonas angeführt, und das nicht nur selbstlos. Er verheiratete den jungen Kaiser mit seiner Tochter Fausta (um 630 bis nach 668). Der Plan ging insoweit auf, als aus dieser Ehe – nicht sofort, schon klar – drei Söhne hervorgingen, die alle zu Mitkaisern erhoben wurden. Im Jahr 654 durfte sich der vierjährige Konstantinos (650 bis 685, reg. 659/668 bis 685) freuen, fünf Jahre später dann auch seine jüngeren Brüder Herakleios (um 655 bis nach 681) und Tiberios (um 657 bis nach 681). Der älteste, Konstantinos IV., schaffte es dann auch als Nachfolger Konstans‘ auf den Thron. So weit sind wir aber noch nicht ganz.
Konstans erhielt übrigens den Beinamen Pogonatos, der Bärtige. Dabei geht die Sitte, dass sich die Kaiser nicht mehr in Tradition Konstantin des Großen glattrasiert, sondern mit Bart zeigten auf Phokas zurück. Vielleicht war die Gesichtsbehaarung Konstans‘ besonders ausgeprägt oder man wollte dem verhassten Phokas nicht die Ehre gönnen, als Trendsetter in die Geschichte einzugehen.
Verluste
Erst einmal musste sich der junge Kaiser mit der islamischen Expansion auseinandersetzen. Schon unter Herakleios waren ja große und wichtige Provinzen des Reiches verloren gegangen. Insbesondere der Verlust Ägyptens war mehr als schmerzhaft. Am 12. September 642 wurde entsprechend des geschlossenen Friedensvertrags Alexandria aufgegeben. Der Versuch einer Rückeroberung scheiterte 645/646, zudem ging 647 weiter westlich das Gebiet rund um Karthago verloren. Die Stadt selbst hielt sich noch erstaunlich 50 Jahre, auch wenn sich kurz zuvor der dortige Exarch Gregor (gest. 647, amt. 646 bis 647) von Konstans losgesagt hatte. Es half ihm wenig, da er kurz darauf in einer Schlacht gegen die Araber fiel.
Diese wurden vom mittlerweile dritten Kalifen Uthman ibn Affan (573/576 bis 656, reg. 644 bis 656) angeführt, der 647 Armenien angriff und in den Folgejahren auch Teile Kleinasiens erobern konnte. Phrygien fiel 648, Kilikien und Isaurien 650/651. Damit nicht genug ging 654 auch Rhodos verloren.
Dabei wurden auch die Reste des Kolosses von Rhodos eingesammelt und später verkauft. Die monumentale, wohl 30 bis 35 Meter hohe Bronzestatue des Sonnengottes Helios war zwischen 304 und 292 v. Chr. errichtet worden – allerdings wohl nicht breitbeinig über der Hafeneinfahrt stehend, wie es auf manchen nachempfundenen Darstellungen zu sehen ist. Den genauen historischen Standort kennen wir nicht. Bereits 227/226 v. Chr. stürzte sie aufgrund eines Erdbebens ein, so dass seither die Bronzeteile etwas unaufgeräumt in der Gegend herumlagen.
Ebenfalls 654 wurde Kreta geplündert und 655 nahm der mittlerweile fünfundzwanzigjährige Kaiser an der Seeschlacht von Phoinix, in Südwestkleinasien zwischen Antalya und Rhodos gelegen, teil, in der die byzantinische Flotte eine herbe Niederlage erlitt. Der Kaiser konnte sich gerade noch retten.
Atempause
Eine Rettung war ganz gewiss auch die Ermordung des Kalifen im Jahr 656. So bekam Konstans eine fünfjährige Atempause, da sich die Araber erst einmal untereinander um die Nachfolge stritten. Auf diese Geschichte mit Ali ibn Ali Talib (etwa 600 bis 661, reg. 656 bis 661) im Mittelpunkt kommen wir noch zurück.
Hinzu kamen eine Reihe kleinerer Erfolge. Eine arabische Streitmacht wurde 654/655 in Kappadokien zurückgeworfen und im Kaukasus konnten die mit Konstantinopel verbündeten Chasaren die Araber schlagen. 657/658 kam es sogar zu einem arabisch-byzantinischen Waffenstillstand, der bis Mitte 662 hielt. Dann hatte sich Muawiya I. (602 bis 680, reg. 661 bis 680) durchgesetzt, der erste Kalif aus der Dynastie der Umayyaden. Wir werden noch von ihnen hören. Mit als erster hörte Konstans von dem neuen Herrscher, denn dieser hatte keine Lust, den Waffenstillstand fortzuführen, sondern verfolgte wieder eine expansive Außenpolitik.
Zwei Wochen in Rom
Konstans entschloss sich zu einem taktischen Rückzug und zog mit seinem Heer nach Italien. Dort herrschten ja, wie wir wissen, in großen Teilen die Langobarden unter ihrem König Grimoald. Der strategischer Gedanke hinter dieser Aktion: Wenn Konstans die Langobarden vertreiben könnte, wäre Italien wieder ein Zentrum eines römischen Reiches, von dem aus die muslimische Eroberung in Afrika viel besser zu bekämpfen wäre. Nach langer Zeit weilte also mal wieder ein Kaiser in Rom, allerdings lediglich zwei Wochen. Die Gegenwehr der Langobarden war zu stark, so dass sich Konstans bald wieder zurückziehen musste.
Widerstand auf Sizilien
Residenzstadt wurde daher Syrakus auf Sizilien, vermutlich auch, da die Insel nach dem Verlust Ägyptens für die Getreideversorgung eminent wichtig war. So richtig froh waren die Menschen auf der Insel und in Süditalien aber nicht über den hohen Besuch, zumal dieser mit mindestens ebenso hohen Steuerzahlungen finanziert werden musste. Eine Refinanzierung durch Feldzüge gegen das langobardische Dukat Benevent war früh gescheitert. Als dann Gerüchte aufkamen, dass Konstans die Hauptstadt von Konstantinopel ganz nach Syrakus verlegen wolle, mögen diese der Grund dafür gewesen sein, dass er 668 im Dampfbad von einem Kammerherrn ermordet wurde. Neben dem typischen Messer taucht auch ein Eimer in den Erzählungen auf, allerdings ohne genauere Angaben zum modus operandi. Ist vielleicht auch besser so. Die darauf folgende Usurpation von Mizizios (622 bis 669) in Sizilien war nur von kurzer Dauer.
Die Regierungszeit Konstans‘ war keine gute für das Byzantinische Reich. Als Erfolg wollen wir ihm anrechnen, dass es, anders als das Sassanidische nicht ganz unterging. Kleinasien nördlich des Tauros-Gebirges blieb byzantinisch, ebenso das nicht-langobardische Italien, also die Achse von Rom nach Ravenna und die Inseln im Mittelmeer sowie vorläufig noch das Exarchat Karthago. Im Osten war allerdings die Messe gelesen. Im wahrsten Wortsinn.
Konstantinos IV. sichert die Macht
Bereits seit 654 war Konstans ältester Sohn Konstantinos als Mitregent inthronisiert worden, so dass die formale Nachfolgeregelung eigentlich geklärt war. Konstantinos gelang es auch schnell, die Rebellion von Mizizios niederzuschlagen. Dabei war es hilfreich, dass er den Weg seines Vaters nach Westen nicht mitgemacht hatte und nun mit einer Flotte von Konstantinopel aus eingreifen konnte.
Konstantinos hatte durchaus militärisches Talent. Vorstöße der Araber, die bis vor die Mauern Konstantinopel reichten, konnte er abwehren. Kurz vorher hatte der byzantinische Kommandant in Armenien, ein Herr Saborios (gest. 668), eine kleine Usurpation versucht. Diese Erhebung scheiterte dann aber, bevor sie richtig begonnen hatte, da er bei einem Reitunfall tödlich verunglückte. Sein Pferd ging durch und er schlug mit dem Kopf gegen ein Stadttor. Manchmal waren die einfach unglücklich gebaut. Da eine Usurpation ohne Usurpator schwierig umzusetzen ist, entstand im Osten kein neuer Krisenherd. Konstantinos war allerdings gewarnt und wollte andere warnen, nicht auf ähnliche Gedanken zu kommen. 681 ließ er seinen jüngeren Brüdern Herakleios und Tiberios vorsichtshalber die Nasen abschneiden, um sie als für den Thron untauglich zu kennzeichnen.
Kampf gegen die Araber
Im Kampf gegen die Araber konnte er durchaus Erfolge erzielen. Zwar misslang eine Expedition zur Wiedereroberung Ägyptens, auf der anderen Seite konnte aber der Vormarsch nach Westen 683 durch einen gemeinsam mit den Berbern erfochtenen Sieg bei der algerischen Oase Biskra gebremst werden. Karthago blieb so bis 697/698 byzantinisch.
In Kleinasien eroberten die Araber zwar einige Städte auch an der Westküste, beispielsweise Smyrna, die Angriffe auf Konstantinopel selbst blieben aber erfolglos. Hierbei half Konstantin das griechische Feuer, eine brennbare Flüssigkeit auf Erdölbasis, die mit Hilfe von Siphonen auf gegnerische Schiffe gespritzt wurde und sich mit Wasser nicht löschen ließ. Erfinder war ein griechisch-jüdischer Architekt aus Heliopolis, dem heutigen Baalbek im Libanon, namens Kallinikos (um 670). Er darf sich daher durchaus als Retter Konstantinopels feiern lassen, da es den Byzantinern dank dieser neuen Waffe gelang, 678 den letzten der arabischen Angriffe zurückzuschlagen. Kalif Muawiya willigte schließlich 680 in den Abschluss eines Friedensvertrags ein, der Konstantinos die Ägäischen Inseln und einen jährlichen Tribut von 3.000 Goldpfund zusprach. Wenn wir uns die letzten Jahrzehnte vergegenwärtigen, war dies kein schlechtes Ergebnis für den Kaiser. Der hatte jetzt ein wenig Zeit, sich um andere Probleme in dem kleiner gewordenen Reich zu kümmern.
Unruhe auf dem Balkan
Die Slawen belagerten Thessaloniki, die Bulgaren hatten, bedrängt von den Chasaren – wir kennen dieses Bild – die Donau überschritten. Konstantinos versuchte, diesen Einfall aufzuhalten, was ihm allerdings misslang. So kam es zum Donaubulgarischen Reich in Moesien unter Asparuch. Wir haben ja schon davon gehört. Auch die Herrschaft der Langobarden in Italien wurden bereits 680 von Konstantinos anerkannt. Er starb 685. Seine große Leistung besteht sicher in dem Erhalt des Reiches, auch wenn es bei seinem Tod wieder ein wenig kleiner geworden war.
Themen
Ob Konstantinos IV. die Themenorganisation eingeführt hat, ist eher unwahrscheinlich. Erste Erwähnungen finden wir bereits im Jahr 667, es mag sein, dass die Idee auf Herakleios zurückgeht und sich im Lauf der Jahre entwickelte und verfestigte. Ähnlich den römischen Provinzen gliederte sich das Byzantinische Reich ab dieser Zeit in »Themen«. Der Begriff leitet sich vermutlich von dem Wort thesis ab, was wir in diesem Zusammenhang als »Anordnung« übersetzen können. Die ersten Themen waren
- Armeniakon an der östlichen Schwarzmeerküste Kleinasiens (erste Erwähnung 667/668),
- Anatolikon in Zentralanatolien (669),
- Opsikion in der nördlichen Ägäis und der Küste des Marmarameers (680),
- Thrakesion südlich davon gelegen und
- Kibyrrhaiotai an der Südküste Kleinasiens (beide 687).
Später, als das Reich sich ein wenig erholt hatte, wurden es etwa fünfzig. Der Befehlshaber eines Themas war gleichzeitig oberster Militär und Verwaltungschef. Diese Organisationsform hielt immerhin bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts. Wir erwähnen das nur, weil der Begriff uns nun hie und da über den Weg laufen wird.
Das nächste Mal schauen wir dann, wie es Konstantinos‘ Sohn Justinian (668/669 bis 711, reg. 685 bis 695 und 705 bis 711) erging, der 681 zum Mitkaiser erhoben worden war und seinem Vater als Justinian II. nachfolgte.