Ursprünge
Den eigentlichen Ursprung der Langobarden, also der "Langbärtigen", kennen wir ebenso wenig wie den der anderen Völkerschaften, die uns bisher beschäftigt haben. Es gibt Hinweise auf ein Siedlungsgebiet an der unteren Elbe. Bardowick, ein Dorf bei Lüneburg mit einem eindrucksvollen Dom, soll beispielsweise den Namen in sich tragen. Um die Zeitenwende werden sie in der Gefolgschaft des Markomannenkönigs Marbod erwähnt. Nach 250 gibt es Hinweise auf Langobarden an der mittleren Donau. Richtig greifbar werden sie dann Ende des 5. Jahrhunderts. Ob das dann der gleiche Volksstamm war, der von der Elbe an die Donau gezogen war, wissen wir nicht. Die namensgebenden langen Bärte sind ja nicht das beste Unterscheidungskriterium. Da wir gelernt haben, dass sich wandernde Völker häufig mit anderen Stämmen und Volksgruppen zusammengetan haben, gehen wir aber schon davon aus, dass einige der Langbärte von Bardowick nach Mautern gezogen sind. Dort, am nördlichen Donauufer in Niederösterreich hatte der oströmische Kaiser Zenon den Langobarden Siedlungsgebiete im ehemaligen Gebiet der Rugier zugewiesen.
Im Jahr 508 befreiten sich die Langobarden aus einer Tributpflicht, die sie gegenüber den Herulern hatten. Diesem ostgermanischen Stamm sind wir bisher kaum begegnet. Er siedelte bis zum Hunnensturm auch nördlich des Schwarzen Meeres, wo er von den Goten unterworfen worden war. Nach dem Untergang des hunnischen Reiches 454 hatten die Heruler im Raum der Südslowakei und dem Weinviertel im Osten Österreichs ein eigenes Reich aufbauen können, dass nun fünfzig Jahre später unter dem Druck der Langobarden unterging. Auch wenn ich gegenüber dem Herulerkönig Rudolf (gest. um 508) gewisse Sympathien nicht verhehlen kann, muss ich doch den Erfolg der Langobarden neidlos anerkennen.
Morde und Expansion
Den Sieg über Rudolf hatte ein Heerführer oder König namens Tato (reg. um 490 bis um 510) erfochten. Ihm folgte sein Neffe Wacho, der um an die Spitze zu kommen, seinen Onkel ermordete. So ganz unbekannt sind uns diese Gebräuche ja nicht, trotzdem schaudert es einen doch immer ein wenig, wenn man dies so beiläufig liest oder schreibt. Nach Wachos Tod wurde sein minderjähriger Sohn Walthari (gest. 546, reg. 540 bis 546) sein Nachfolger, den wir hier nur aufführen, weil er ein Enkel des Herulers Rudolf war, dem ich damit die Ehre einer neuerlichen Erwähnung gönne. Regent wurde ein Herr namens Audoin (um 515 bis um 560, reg. 546 bis um 560), der 546 Walthari nach sechs Jahren – Du weißt schon – ermorden ließ und sich selbst auf den Thron setzte.
Audoin siegt über die Gepiden
Audoin betrieb eine expansivere Politik als seine Vorgänger und besetzte die von den Ostgoten aufgegebenen Gebiete im Süden Pannoniens, nicht ohne sich diesen Schritt 548 von Kaiser Justinian gutsagen zu lassen. Dadurch wurden die Langobarden Nachbarn der Gepiden, die, wie wir uns erinnern, in Abstimmung mit Konstantinopel in den Gebieten um Sirmium in Serbien lebten. Ab 549 kam es folgerichtig wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen beiden, wobei alle darauf bedacht waren, Ostrom keinen Grund für einen Eingriff zu geben. Kriege mit angezogener Handbremse, wenn Du mir das Bild gestattest.
Die erste Auseinandersetzung 549 war eigentlich gar keine. Beide Heere flohen, bevor es überhaupt losging - wohl aufgrund einer Sonnenfinsternis. Wir erinnern uns kurz an die abgebrochene Schlacht zwischen Lydiern und Medern im Jahr 585 v. Chr. Im Jahr 552 konnten sich die Langobarden dann entscheidend durchsetzen. Justinian stand zwar grundsätzlich auf der Seite der Langobarden, wollte sie allerdings auch nicht zu stark sehen. Ein zweites großes Reich neben dem der Ostgoten konnte er nicht gebrauchen. Die Hilfe der langobardischen Reiterei nahm der Kaiser dagegen gerne. Über 5000 Kämpfer sollen im Jahr 552 beim Sieg über den Ostgoten Totila beteiligt gewesen sein. Audoin starb 560, sein Sohn Alboin (vor 526 bis 572/573, reg. um 560 bis 572/573) folgte auf dem Thron.
Heiratspolitik
Wie viele andere Herrscher auch, versuchten die Langobarden ihre Stellung durch kluge Eheschließungen zu stabilisieren und zu stärken. So war Wacho dreimal verheiratet. Zunächst mit einer Tochter des thüringischen Königs Bisinus (reg. um 500) namens Raicunda (gest. 512). Dann mit einer Gepidin, die aufgrund ihres Namens Austrigusa (um 525) vielleicht ostgotischer Abstammung war und unter anderem Mutter von Walderada (531 bis 572) wurde, die dann wiederum den fränkischen König Chlothar I. heiratete. Dritte Ehefrau Wachos war die Herulerin Silinga (um 535), die Mutter des unglücklich Walthari.
Audoin, ein Halbbruder von Wachos erster Frau Raicunda, heiratete zunächst Rodelinde (um 510 bis 587), die spätere Mutter Alboins. Dann bot ihm Justinian eine Verbindung mit einer Tochter des thüringischen Königs Herminafried und seiner Frau Amalaberga an, immerhin eine Nichte Theoderich des Großen. Wie diese Dame geheißen haben mag, wissen wir leider nicht. Auf jeden Fall musste Rodelinde für diese vom byzantinischen Kaiser eingefädelten Ehe weichen. Vielleicht war es auch gar nicht so schlimm, in machen Quellen wird die zweite Ehefrau mit Rodelinde gleichgesetzt – und alles andere ist einfach nur ein Produkt der fröhlichen Geschichtsschreibung kreativer Autoren.
Noch interessanter ist die Ehegeschichte von Alboin. Zunächst war er mit Chlodosinda (vor 546 bis vor 567), einer Tochter Chlothars I. verheiratet. Nach deren Tod heiratete er mit Rosamunde (gest. um 573) eine Tochter des gepidischen Königs Kunimund (gest. 567). Eine toxische Beziehung, wie wir gleich sehen werden.
Alboin zieht nach Italien
Hatte sich Audoin mehr getraut als Wacho, so traute sich Alboin mehr als sein Vater. 567 konnte er im Verbund mit den Awaren das nach der Niederlage von 552 schon geschwächte Gepidenreich endgültig vernichten.
Nachdem Alboin also erfolgreich den Lebensraum in Pannonien gesichert hatte, gab er ihn auch gleich wieder auf und zog im April 568 mit seinem gesamten Volk gen Italien. Dies ist schwer nachzuvollziehen. Das Land war verwüstet, Reichtum konnte also kaum locken. Dass Narses sie als Verbündete im Kampf gegen die Goten gerufen haben könnte, mag plausibel klingen, passt aber nicht mit dem Umzug des gesamten Volkes zusammen. Zudem hatte Narses durchaus Erfahrungen mit langobardischen Truppen, von denen er einige ob ihrer Wildheit und unkontrollierten Plünderungen gleich wieder nach Hause geschickt hatte. Auch der in Völkerwanderungszeiten nicht abwegige Gedanke eines durch die Awaren ausgelösten Migrationsdrucks greift nicht. Langobarden und Awaren waren Bündnispartner. Alboin gestattete ihnen, in das durch seinen Abzug freiwerdende Land nachzurücken, sicherte sich jedoch eine Rückkehroption. Was trieb die Langobarden also nach Italien?
Für eine mögliche Erklärung müssen wir einen Schritt zurücktreten. Die Langobarden hatten zwar erst die Heruler und dann die Gepiden besiegt. Damit waren allerdings auch die Krieger und Familien der besiegten Völker in das langobardische Reich zu integrieren. Wir stoßen auf das bekannte Problem, mit dem sich beispielsweise schon der Westgote Alarich herumschlagen musste. Wie schaffe ich es, diese Krieger ruhig zu stellen? Lukrative Beutezüge wären nur gegen das Oströmische Reich möglich gewesen. Das traute sich Alboin klugerweise nicht. Aber sich als erfolgreicher Kriegsherr zu präsentieren, war eine probate Möglichkeit sich den Respekt der Menschen zu verschaffen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Alboin ja nicht aus einer seit langem herrschenden Dynastie stammte. Es gab Konkurrenten. Einer davon, Hildiges (gest. 555), war zeitweise mit sechstausend Kriegern durch die Lande gezogen. So mag der Zug nach Italien hauptsächlich der Sicherung des eigenen Machtanspruches gedient haben. Zielgerichteter Aktionismus, wenn Du so willst.
Das Unternehmen gelang. Das lag weniger an Alboins genialer Führung, denn an mangelnder Stärke der Gegner. Neben der strukturellen Schwäche der oströmischen Herrschaft in Italien kam die Pestepidemie von 541 hinzu, die insbesondere im nordwestitalienischen Ligurien zahlreiche Opfer kostete. Die römische Führung war zerstritten. Narses weigerte sich abzureisen, wiewohl sein Nachfolger Flavius Longinos (amt. 567 bis 584) schon vor Ort war. Die Bevölkerung erhoffte sich von den Langobarden Besserung, insbesondere eine Senkung der Steuerlast und öffnete bereitwillig die Tore der Städte. So hatte Alboin bereits Ende 569 mit wenigen Ausnahmen die Poebene unterworfen.
Rosamunde
Sein Bestreben, seine besondere Stellung als König zu untermauern, zeigte mutige und absonderliche Verhaltensweisen. So ehelichte er 572 oder 573, nachdem er ihren Vater im Kampf getötet hatte, mit Rosamunde die Tochter des letzten Gepidenkönig Kunimund. Auf der Hochzeitsfeier bot Alboin ihr aus einem Becher zu trinken an, den er aus der Hirnschale ihres Vaters hatte fertigen lassen. So könne sie doch wunderbar auch mit ihrem Vater trinken. Manche Ideen sind auch auf den zweiten Blick nicht lustig. Dies musste Alboin bald erfahren.
Rosamunde schwor Rache und ließ Alboin am 28. Juni im Schlafzimmer ermorden. Die Geschichte geht aber noch weiter. Rosamunde floh daraufhin zum oströmischen Präfekten Longinos nach Ravenna. Der überredete sie, ihren Kompagnon und neuen Ehemann Hilmechis (gest. um 573) zu vergiften. Sie willigte ein, spekulierte vielleicht darauf, als Longinus‘ Frau die Herrin von Italien werden zu können. Hilmechis fand jedoch, nachdem er das Gift getrunken hat, noch die Kraft, Rosamunde ebenfalls von dem Trank kosten zu lassen. Sie starben beide, wohl eher nicht Arm in Arm. Longinos schnappte sich nun fröhlich den langobardischen Königsschatz und brachte ihn nach Konstantinopel. Kein Wunder, dass diese Geschichte insbesondere zu Zeiten der Romantik im 19. Jahrhundert viele Dichter und Komponisten angeregt hat. Ein sehr freier Umgang mit dem Thema findet sich beispielsweise in dem Schauspiel "Rosamunde" von Helmina von Chézy (1783 bis 1856), zu dem Franz Schubert (1797 bis 1828) die Bühnenmusik schrieb,
Die Macht der Könige
Wir befinden uns ja mittlerweile in den letzten Zügen der sogenannten Völkerwanderungszeit. Dies mag ein Grund sein, dass es den Langobarden im Gegensatz zu den Vandalen, Franken oder Goten nicht gelang, ein starkes Königtum zu etablieren. Die Strukturen des weströmischen Kaiserreiches, die von den Germanen für Organisation der Steuereinnahmen und die gesamte Verwaltung des Reiches weiter genutzt wurden, waren immer schwächer geworden. Titel wie patricius oder magister militum gab es zwar noch, aber sie hatten ausschließlich einen formalen Charakter, mit dem man sich ein wenig gegenüber der einheimischen Bevölkerung legitimieren wollte.
Die geringere Bedeutung eines langobardischen Königs erkennen wir auch daran, dass nach der Ermordung von Alboins Nachfolger Cleph (gest. 574, reg. 572/573 bis 574) der Thron für zehn Jahre unbesetzt blieb. Treiber der Entwicklung waren spätestens jetzt die einzelnen gotischen Anführer. In den großen eroberten Städten verblieb ein Militärkommandant, der mit seinen Truppen über Stadt um Umland gebot. So entstanden über dreißig Fürstentümer oder Dukate – ein aus dem lateinischen Titel dux abgeleiteter Begriff.
Dukate
Das erste dieser Dukate entstand früh. Noch im Jahr 569 hatte Alboin seinen Neffen Gisulf I. (reg. 568 bis etwa 581) mit einer Reihe von farae – bei den Langobarden war ein fara ein wehrhafter Familienverbund – im Friaul gelassen, um sich gegen Angriffe aus dem Nordosten abzusichern. Der Begriff hat sich bis heute in einigen italienischen Ortsnamen wie Farra di Soligo oder Farra d'Isonzo erhalten.
Wichtige Dukate entstanden 571 im Benevent in Kampanien und ein paar Jahre später nach Alboins Tod in Spoleto in Umbrien. Die Herausbildung dieser Herzogtümer bedeutete jedoch nicht, dass es den Langobarden gelang, ganz Italien unter ihre Herrschaft zu bringen. Die Küste bei Genua, die Lagune um das heutige Venedig, Ravenna und auch Rom blieben in der Hand des oströmischen Kaisers.
Die langobardischen Fürsten hatten mit dem Erhalt ihrer Herrschaft hinreichend zu tun. Aufgrund eines Zusammengehens der Franken mit dem Oströmischen Reich sahen sich die sonst sehr eigenständig agierenden Fürsten dann doch gezwungen, sich enger zusammenschließen. So wurde Alboins Sohn Authari (reg. 584 bis 589) mit zehn Jahren Verspätung doch noch König. Er machte Pavia zu seiner Hauptstadt. Auch wenn seine Herrschaft nicht uneingeschränkt war, gelang es, den Kern des langobardischen Siedlungsgebietes in Norditalien zu verteidigen, die Lombardei hat ihren Namen nicht aus Zufall. Es blieb insgesamt eine unruhige Zeit. Die Fürsten ließen sich nur schwer unter eine straffe Herrschaft zwingen. Immer wieder kam es zu Friedensverträgen mit den Römern, immer wieder zu neuen Zwistigkeiten.
Auch Autharis Nachfolger Agilulf (reg. 590 bis 616) hatte mit dieser Situation zu kämpfen. Er war der neue Ehemann von Autharis Witwe Theudelinde (um 570 bis 627), einer Enkelin Wachos, der aufgrund ihrer hohen Reputation das Recht zugesprochen worden war, einen neuen Gatten zu wählen, der dann auch König werden sollte. Agilulf griff auf der einen Seite 593/594 sogar Rom an, wobei es Papst Gregor I. (um 540 bis 604, amt. 580 bis 604) gelang, gegen einen jährlichen Tribut von 500 Goldpfund den Abzug der Angreifer zu verhandeln. Formal gehörte Rom zum byzantinischen Exarchat von Ravenna, so dass wir hier mittelbar von einem Vertrag zwischen Konstantinopel und den Langobarden sprechen können. In den nächsten Jahren kam es zu weiteren Verträgen mit Konstantinopel, ein de facto-Anerkenntnis der langobardischen Herrschaft durch den oströmischen Kaiser.
Bis zur offiziellen Anerkennung durch Konstantin IV. (um 650 bis 685, reg. 668 bis 685) im Jahr 680 dauerte es noch ein Dreivierteljahrhundert. Könige wie Agilulf und Rothari (um 606 bis 652, reg. 636 bis 652) hatten es zwischenzeitlich geschafft, dem langobardischen Königtum durch Siege über aufständische duces etwas mehr Bedeutung zukommen zu lassen. Hilfreich für den Ausgleich mit Konstantinopel war sicherlich, dass mit Perctarit (um 635 bis 688, reg. 661/662 und 671 bis 688) der langobardische König dem katholischen Glauben anhing.
Konflikte mit dem Papst, Konstantinopel und den Franken
In Italien blieben die Langobarden und Byzantiner Konkurrenten. Kaiser Maurikios hatte die byzantinischen Besitzungen unter der Führung eines Exarch genannten, in Ravenna residierenden Oberkommandierenden zusammengefasst. Direkt dem Kaiser unterstellt verfügte der Exarch über große Machtbefugnisse und war so in der Lage, sich der Expansion der Langobarden erfolgreich entgegenzustellen.
Mit dem Papst stand ein weiterer Spieler auf dem Spielfeld der Macht. Die Bedeutung der Religion in der Entwicklung der Völker ist uns ja hie und da schon aufgefallen. An dieser Stelle genügt es, dass wir konstatieren müssen, dass es den Langobarden nicht gelang, die päpstlichen Territorien, den späteren Kirchenstaat ihrem Reich einzuverleiben, auch wenn wir mit diesem kurzen Hinweis das häufig notwendige diplomatische Geschick der Päpste nicht hinreichend würdigen.
Beispielhaft wollen wir uns noch zwei Könige anschauen. Grimoald (um 600 bis 671, reg. 662 bis 671), bis dahin Herzog des Dukats von Benevent, hatte einen Thronstreit der beiden Söhne des verstorbenen Königs Aripert (gest. 661, reg. 653 bis 661) ausgenutzt und sich selbst auf den Thron geputscht. Ihm gelang es, sowohl den Franken als auch den Römern Paroli zu bieten. Die Franken, die zugunsten des bisherigen Königsgeschlechtes eingreifen wollten, wurden 663 bei Asti vernichtend geschlagen. Auch der Versuch des oströmischen Kaisers Konstans II. (630 bis 668, reg. 641 bis 668), im Jahr 662 das Langobardenreich unter seiner persönlichen Führung von Süden her aufzurollen, scheiterte. Zwar standen im Benevent die Winde zunächst günstig, er musste sich aber bereits 663 nach Sizilien zurückziehen. Trotz dieser Erfolge war Grimoalds Herrschaft nicht unumstritten, er musste sogar ein Bündnis mit den Awaren gegen rebellierende Herzöge eingehen.
Luitprand (gest. 744, reg. 712 bis 744), der etwa vierzig Jahre später an die Macht kam, führte das Langobardenreich zu einem letzten Höhepunkt. Bis auf das Territorium des Papstes und Süditalien konnte er den gesamten Stiefel unter seiner Herrschaft vereinen. Seine Herrschaft begann den damaligen Gebräuchen entsprechend mit der Ermordung seines Verwandten und Konkurrenten Rothari. Auch dessen vier Söhne wurden auf diesem Wege gleichfalls beseitigt.
Luitprand war ein durchaus erfolgreiches Herrscher und hätte es vielleicht sogar schaffen können, sich ganz Italien zu unterwerfen. Letztlich war er aber klug genug, es nicht bis zum Äußersten zu treiben. Ein Sieg über Ostrom und ein Sieg über den Papst wäre ja noch nicht gleichbedeutend mit einer stabilen Herrschaft. Dafür war das Oströmische Reich noch zu groß und ein Angriff auf den Papst hätte im Zweifel einige Unterstützer auf den Plan gerufen, wie es die Karolinger ja wenige Jahrzehnte später zeigten. Das Seelenheil war den Fürsten an allen Höfen wichtig.
Luitprand war es zunächst gelungen, die Beziehungen zum Frankenreich deutlich zu verbessern. Aus verwandtschaftlichen Gründen waren die Langobarden traditionell eher mit den Bayern verbandelt. Theudelinde, die hochgeschätzte Gemahlin von Authari und Agilulf, war eine Tochter des bayerischen Herzogs Garibald I. (nach 500 bis um 593, reg. um 548 bis um 593), der Wachos Tochter Walderada geheiratet hatte, nachdem deren Ehe mit Chlotar I. aufgelöst worden war. Auch Luitprand hatte bei seiner Machtergreifung auf die Unterstützung des Bayernherzogs Theodo II. (vor 665 bis 717, reg. 680 bis 717) setzen können und 715 dessen Tochter Guntrud (geb. um 690) geheiratet. Der fränkische Hausemeier Karl Martell (zw. 688 und 691 bis 741) bemühte sich dann im Rahmen der innerfränkischen Machtkämpfe um ein gutes Verhältnis zu den Langobarden. Freunde kann man nie genug haben. Als er sich dann um 725 gegen das nach Theodos Tod geteilte Bayern wandte, nutzte Luitprand die Gelegenheit, sich auch ein paar bayerische Rosinen in Südtirol zu schnappen. Die Freundschaft zwischen Franken und Langobarden war interessegetrieben. Interessen ändern sich mitunter.
Pippin verschenkt, was ihm nicht gehört
Die Unterstützung der Karolinger für den Papst hatte für die Langobarden eine nachhaltige Wirkung. Keine gute, aus ihrer Sicht. Der Papst salbte den ersten Karolingerkönig Pippin den Jüngeren (714 bis 768, reg. 751 bis 768) am 28. Juli 754 in Saint-Denis zum König. Im Gegenzug erhielt er die sogenannte Pippinsche Schenkung. Pippin sagte dem Papst das Dukat Rom, das Exarchat Ravenna, die Pentapolis, Tuszien, Venetien, Istrien sowie die Herzogtümer Spoleto und Benevent zu. Bis auf das Patrimonium Petri war das alles in langobardischer Hand.
Eigentlich kann man ja nur verschenken, was einem gehört. Die Karolinger mussten erst einmal dafür sorgen, dass sie diese Gebiete den Langobarden abnehmen. Dies gelang nur in Teilen. Pippin begann zwar, in zwei Feldzügen gegen den Langobardenkönig Aistulf (gest. 756, reg. 749 bis 756) für die Realisierung seines Geschenkes zu fechten. Aistulf versprach beim ersten Feldzug 754/755, die besetzten römischen Gebiete an den Papst zurückzugeben. Pippin zog zufrieden ab. Aistulf brach allerdings seine Versprechen und Pippin kam 756 unzufrieden wieder. Das Exarchat Ravenna wurde erobert und dem Papst überantwortet. Aistulf musste die fränkische Oberherrschaft anerkennen.
So hatte unter Luitprand das Langobardenreich zwar seine größte Ausdehnung erreicht, war jedoch kurze Zeit später als eigenständiger Machtfaktor nicht mehr auf dem Spielfeld. Karl der Große eroberte 774 die langobardische Hauptstadt Pavia und ließ sich als Nachfolger des letzten Königs Desiderius (gest. nach 786, reg. 757 bis 774) selbst als Herrscher der Langobarden krönen. Zwar gab es weiterhin langobardische Herzogtümer, die sich als selbständige Einheiten halten konnten. Benevent, das sogar bis zur normannischen Eroberung im 11. Jahrhundert eigenständig blieb, ist ein Beispiel. Ein langobardisches Reich war allerdings Geschichte. Über viele Jahrhunderte ließen sich die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches mit der langobardischen Eisernen Krone krönen, um ihren Anspruch auf Italien zu untermauern. Noch Napoleon suchte die Legitimation seiner Herrschaft über diese langobardische Insignie.
Damit sind wir fast am Ende unserer Erzählung über die Völkerwanderung. Das nächste Mal schauen wir uns abschließend an, wie es in Europa zu dieser Zeit insgesamt aussah.