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(42) Die Perser (2): Dareios I., Xerxes I. und das Ende

Dareios

Wir haben das letzte Mal die Perser nach dem Tod von Kambyses II. in einer etwas unklaren Situation zurückgelassen. Kambyses Sohn Bardiya oder ein medischer Magier namens Gautama, wobei beide vielleicht auch nur eine Person waren, wollte(n) an die Macht. Am Ende setzte sich jedoch ein Herr namens Dareios (etwa 550 bis 486 v. Chr., reg. 522 bis 486 v. Chr.) durch, ein Adeliger aus dem Gefolge des Kambyses. Dareios' Machtübernahme können wir durchaus als Putsch einordnen. In späteren Quellen stellt er sich als Urururenkel des Dynastiegründers Achaimenes dar. Auch wenn eine entfernte Verwandtschaft existiert haben mag, sollten wir uns auf diese Aussage aber nicht verlassen. Auf jeden Fall heiratete er mit Atossa (550 bis 475 v. Chr.) eine Tochter Kyros’ II., um seine Herrschaft und die seiner Kinder stärker zu legitimieren.

 

Viel Stress, schnell bewältigt

Wie es Dareios I. gelang, an die Macht zu kommen, wissen wir nicht genau. Er hatte loyale Mitstreiter und auch das Heer scheint ihm problemlos gefolgt zu sein. So konnte er von Syrien weiter in die Hauptstadt Pasargadae ziehen und Gautama/Bardiya zur Rechenschaft ziehen, was für diese(n) einen schnellen Tod bedeutete. Damit war Dareios’ Herrschaft aber noch nicht gesichert. Aufstände in Elam und Babylon konnte er schnell beenden, die Anführer wurden hingerichtet. In Baktrien, im Nordosten des Reiches, erledigte ein loyaler Satrap, also Provinzgouverneur, diesen Job, auch hier am Ende mit der Tötung des Anführers, eines Mannes namens Frada.

Das alles war aber nicht genug. In der Persis, Stammland der Perser in der heutigen iranischen Provinz Fars mit der Hauptstadt Shiraz unweit des Zagrosgebirges am Urmiasee, tauchte ein Mann auf, der sich als Kambyses' Sohn Bardiya ausgab und die Macht beanspruchte. In Elam gab es einen erneuten Aufstand und auch in Medien, Assyrien, Ägypten, neuerlich auch in Babylon, bei den Parthern im Norden, überall herrschte Aufruhr. Es ist bei der Größe des Reiches schwer zu glauben, aber Dareios gelang es mit einem loyalen Heer, in dem seine Vertrauten an den entscheidenden Stellen saßen, bis Ende 521 v. Chr., also innerhalb eines guten Jahres, alle diese Putschversuche und Aufstände niederzuschlagen. Lediglich in dem schon unter Kyros II. schwierigen Nordosten dauerte es bis 517 v. Chr., dann waren auch die Saken unterworfen und zahlten artig Tribut.

 

Persien ist groß

Das Reich, über das Dareios jetzt herrschte hatte eine enorme Ausdehnung, vom Indus im Osten bis nach Kleinasien, Ägypten und die libysche Küste im Westen. Heute liegen auf diesem Gebiet Pakistan, Afghanistan, der Iran, der Irak, Kuwait, Armenien, Aserbaidschan, die Türkei, Syrien, der Libanon, Jordanien, Israel, Ägypten sowie Teile Georgiens. Thrakien wurde dem Reich eingegliedert, die Kleinasien vorgelagerten Inseln wie Samos ebenfalls. Makedonien zahlte Tribute und auch mit Athen wurde 507/6 v. Chr. ein Vertrag geschlossen. Dass es in Thrakien was zu holen gibt, wissen wir seit Peisistratos. Und um zu erkennen, dass es klug war, die Meerengen zwischen der Ägäis und dem Schwarzen Meer zu beherrschen, müssen wir nicht lange die Landkarten studieren.

 

Die Griechen mucken auf

Das lief zugegebenermaßen alles nicht nur wie geschnitten Brot. 498 v. Chr. erhoben sich die ionischen Städte unter Führung des Tyrannen von Milet, Aristagoras mit Namen (gest. 497/496 v. Chr.). Milet war ja zu Zeiten des Kyros die einzige Stadt gewesen, die sich auf die Seiten der Perser geschlagen hatte. Auch politische Klugheit währt nicht ewig. Zuerst sah es für die Aufständischen allerdings noch gut aus, es gab einige Landgewinne, auch Teile Zyperns wurden erobert. Dann war aber Schluss mit lustig. Dareios konnte sich erneut durchsetzen, allerdings unter erheblichen Anstrengungen. Milet wurde 494 v. Chr. zerstört, es folgte zwei Jahre später eine Strafexpedition nach Griechenland, in denen er Thrakien und Makedonien, die sich dem Aufstand angeschlossenen hatten, zurückgewann.

 

Marathon: Athen hat Erfolg

Unangenehm war Dareios aufgefallen, dass sich Athen trotz des geschlossenen Vertrages auf die Seite der aufständischen Städte gestellt und Truppen gesendet hatte. So hatte er eigentlich vor, auch diese Stadt erobern zu lassen, allein seine Flotte zerschellte im Sturm vor dem Berg Athos und Athen war fürs Erste gerettet. Eine zweite Bestrafungsaktion endete 490 v. Chr. auf der berühmten Ebene von Marathon. Die Athener verweigerten die offene Feldschlacht und nutzten dann eine Taktikänderung der Perser aus. Sie schlugen zu, als diese ihre Truppen wieder auf die Schiffe verladen wollten, um Athen direkt von der See her anzugreifen. Nach dem Sieg zogen sich die Athener schnell in ihre Stadt zurück und konnten so die Einnahme durch die Perser verhindern. Diese hatten genug von dieser aus Sicht des Weltreiches aufmüpfigen Kleinstadt an der Peripherie und zogen sich zurück. Aus persischer Sicht war dies ein unglückliches Ende eines ansonsten erfolgreichen Feldzugs, mehr aber auch nicht. Die Athener sahen dies naturgemäß anders und die Bedeutung dieses Sieges ist für die griechische Geschichte nicht zu unterschätzen. Wir kommen darauf zurück.

Auch innenpolitisch hatte Dareios einige Erfolge aufzuweisen. Die Details seiner Verwaltungs- und Steuerreform ersparen wir uns. Er baute ein weit verzweigtes Straßennetz und begann die Residenzen in Susa und Persepolis zu errichten. Bei seinem Tod 486 v. Chr. hinterließ er seinem Sohn Xerxes (reg. 486 bis 465 v. Chr.) also ein riesiges und wohlgeordnetes Reich. Nach Kyros II. war auch Dareios I. ein wirklicher Großkönig. Die im Westen so hochgelobte Schlacht von Marathon war für ihn eine Petitesse, sein Sinn stand nicht primär nach der Eroberung der griechischen Kleinstaaten.

 

Xerxes I.

Die Herrschaft des Xerxes begann wie die seines Vaters mit der Niederschlagung von Aufständen. Das persische Reich war in Satrapien gegliedert, die von sehr selbstständigen, machtvollen, allein dem Großkönig verantwortlichen Satrapen regiert wurden. In Ägypten scheint der Satrap Aryandes (gest. 496 v. Chr., amt. 525 bis 496 v. Chr.) sehr selbstbewusst regiert zu haben, sogar eigenes Münzgeld ließ er prägen. Ob dies der Grund für den Aufstand war, den es kurz nach Xerxes’ Thronbesteigung gab, sei dahingestellt. Immerhin war Aryandes da schon mehr als zehn Jahre tot. Aber manche Leute sind nachtragend und der Tod des Großkönigs mag viele Ägypter bewogen haben, es mal zu versuchen, ob man die persische Herrschaft nicht abschütteln könnte. Xerxes gelang es schnell, den Aufstand niederzuschlagen. Er schaffte es auch, das von seinem Vater geschaffene Großreich zusammen zu halten, eine Leistung, die wir nicht unterschätzen sollten.

 

Griechenland soll persisch werden…

Einen Gedankenfehler machte er aber und dieser sollte sein Bild über die Jahrhunderte bis in unsere Zeit trüben. Er wollte – anders als ein Vater, Griechenland als Ganzes erobern und die Ägäis zu einem persischen Binnenmeer machen. Vielleicht war es der Ehrgeiz, den vielen Eroberungen des Vaters für die Geschichtsbücher eine eigene hinzuzufügen – und am besten dort, wo Dareios gescheitert war. Ein weites Feld für Interpretationen für alle Psychologen. Wir wissen, dass die Sache nicht gut ausging – zumindest nicht für Xerxes.

Eigentlich hatte er dabei ganz gute Chancen, da sich die griechischen Städte nicht einig waren. Wir werden noch sehen, dass dies keine überraschende Erkenntnis ist. Den Messeniern war ihr Konflikt mit Sparta wichtiger. Sie erhofften sich durch die Perser mehr Unabhängigkeit. Auch Theben und Thessalien standen auf persischer Seite, andere wie Argos verhielten sich neutral. Letztlich fanden sich nur 31 Poleis zum Kampf gegen die Perser bereit. So konnten diese relativ problemlos Athen einnehmen und die Akropolis zerstören.

 

…will es aber nicht

Athen gab sich jedoch nicht geschlagen. Dem antipersischen »Hellenenbund« gelangen sowohl zu Wasser (Salamis 480 v. Chr.) als auch zu Land (Plataiai 479 v. Chr.) beeindruckende Siege gegen Xerxes‘ Armee. In der darauffolgenden Gegenoffensive wurden unter der Führung Athens alle griechischen Städte, auch die ionischen an der Westküste Kleinasiens befreit. Mitentscheidend war, dass nahezu zeitgleich mit dem Sieg bei Plataiai ebenfalls 479 v. Chr. bei Mykale die Reste der vor Salamis geschlagenen persischen Flotte vernichtet werden konnten. Da sich Sparta in seiner Selbstbezogenheit an diesen Kämpfen nicht wirklich beteiligen wollte, kam Athen die alleinige Führungsrolle zu. Spätestens nach dem Sieg am Eurymedon 465 v. Chr. war die persische Gefahr gebannt.

Ob es 449 v. Chr. dann zu einem wirklichen Friedensschluss, dem sogenannten Kalliasfrieden, kam, ist umstritten. Aber es herrschte zumindest ein - vielleicht dann unausgesprochener - Waffenstillstand aufgrund der existierenden Pattsituation.

Faktisch waren die Perser gescheitert. Wir werden später sehen, wie sich die Perserkriege auf die griechische Geschichte ausgewirkt haben. Ob der Aufstand in Babylon 479 v. Chr., den Xerxes auch niederschlug, ihn zu sehr abgelenkt hatte und damit ein Faktor für die Niederlagen in Griechenland war, wissen wir nicht. Es ist aber eigentlich nicht sehr wahrscheinlich.

 

Das Ende der Achämeniden: Von Artaxerxes I. bis zu Daraios III.

Xerxes wie auch der Kronprinz Dareios fielen 465 v. Chr. einem Mordanschlag zum Opfer. König wurde mit Artaxerxes I. ein anderer Sohn des Xerxes. Er regierte von 465 v. Chr. bis 424 v. Chr. und dies eigentlich sehr erfolgreich. Ein von Athen unterstützter Aufstand in Ägypten (460 bis 454 v. Chr.) konnte letztlich niedergeschlagen werden. Der Konflikt mit Athen ruhte, vielleicht gab es sogar einen Friedensschluss, und auch in anderen Regionen des Reiches konnte Artaxerxes die Macht der Achämeniden konsolidieren.

Auf Artaxerxes folgten drei seiner Söhne. Xerxes II. (reg. 424 v. Chr.) wurde 45 Tage nach seinem Regierungsantritt ermordet, woraufhin nacheinander zwei uneheliche Söhne von Artaxerxes I. den Thron bestiegen. Zunächst Sogdianus (reg. 424 bis 423 v. Chr.) und nach sechseinhalb Monaten Ochos, den wir als Dareios II. (reg. 423 bis 405/404 v. Chr.) in den Königslisten finden. Es überrascht uns nicht, dass beide ihre jeweiligen Vorgänger töteten. Ochos hatte Sogdianus zwar versprochen, dass dieser nicht durch Schwert, Gift oder Hunger sterben würde. Es gibt viele Todesarten, an Asche zu ersticken ist eine davon.

Dareios II. erhöhte die Steuern und Abgaben, hatte also wohl Schwierigkeiten, seine Machtbasis zu festigen. Auch er musste, wie seine Vorgänger, den einen oder anderen Aufstand niederschlagen, diesmal waren es die Kadusier in Nordmedien und die Karier in Kleinasien. Letztere konnten wieder einmal auf Hilfe aus Athen bauen. Dareios konnte quasi im Gegenzug die traditionelle Uneinigkeit der griechischen Städte ausnutzen und unterstützte den großen Widersacher Athens, nämlich Sparta. Beide befanden sich seit 431 v. Chr. im langen Peloponnesischen Krieg und Sparta war um Geld verlegen, seine Flotte auszubauen. Da sagte Sparta den Persern gerne zu, dass sie die Oberhoheit über die ionischen Städte wiedererlangen sollten. Diese Geschichte schauen wir uns später noch ausführlich an.

 

Artaxerxes II.

Auf Dareios II. folgte sein Sohn Artaxerxes II. (reg. 405/404 bis 359/358 v. Chr.). Er konnte, wie wir gesehen haben, Ägypten nicht halten, das um die Jahrhundertwende verloren ging. Zeitgleich musste er sich den Bemühungen seines Bruders Kyros "dem Jüngeren" (nach 424 bis 401 v. Chr.) erwehren, die Herrschaft an sich zu reißen. 401 v. Chr. starb Kyros in der Schlacht von Kunaxa bei Babylon, die seine Truppen mit Unterstützung der Spartaner eigentlich gewannen. Doch Artaxerxes lockte die überlebenden Offiziere des Kyros in einen Hinterhalt und ging so dann doch als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervor. Da ihm die meisten Aristokraten die Treue hielten, konnte er sich in Folge unangefochten an der Spitze des Staates behaupten. Seine lange 45-jährige Regierungszeit war nach diesen anfänglichen Schwierigkeiten durchaus erfolgreich. Syrien und Palästina konnten gehalten werden, Eroberungsversuche der Spartaner, die Kyros unterstützt hatten, zurückgeschlagen werden. Die Freundschaft zwischen Persern und Sparta hing sehr an der Person des Kyros, war also keine wirklich nachhaltig strategische.

Artaxerxes II. Nachfolger war sein Sohn Ochos, der sich als Herrscher Artaxerxes III. (reg. 359/358 bis 338 v. Chr.) nannte, wobei im Vorwege drei seiner Brüder das Leben lassen mussten. Solltest Du Perser sein, dein Vater auf einem Thron sitzen und Du einen jüngeren Bruder namens Ochos haben, sei extrem vorsichtig. Artaxerxes III. herrschte bis 338 v. Chr. und konnte 343 v. Chr. Ägypten erneut erobern.

 

Ein Eunuch als Königsmacher

Schon bei den Assyrern haben wir gesehen, dass es mit großen Reichen schnell zu Ende gehen kann. Artaxerxes III. starb 338 v. Chr. nicht alleine, sondern mit vielen Familienangehörigen in einem Blutbad. Verantwortlich war ein Herr Bagoas (gest. 336 v. Chr.), Eunuch und wohl sehr machtbewusst. Der von ihm als Herrscher installierte Sohn von Artaxerxes III., Arses (reg. 338 bis 336 v. Chr.), hielt sich lediglich zwei Jahre an der Macht, dann ließ Bagoas ihn fallen und brachte Artaschata, einen Neffen von Artaxerxes II., an die Macht, der sich als König Dareios III. (etwa 380 bis 330 v. Chr., reg. 336 bis 330 v. Chr.) nannte. Dieser hatte gut aufgepasst und entledigte sich als Erstes des gefährlichen Eunuchen.

 

Alexander siegt

Dareios’ III. Schicksal hieß Alexander. Dessen Energie, strategischem Geschick und der überlegenen Militärtechnik seines Heeres hatte er letztlich nichts entgegenzusetzen. Viele haben das Mosaik aus Pompeji vor Augen, auf dem Dareios mit weit aufgerissenen Augen wohl in der Schlacht bei Gaugamela am 1. Oktober 331 v. Chr. seine Niederlage erkennt und sich zur Flucht wendet. Dieses Bild eines feigen Herrschers hat sich eingebrannt. Dabei war es vielleicht nicht nur persönlich, sondern auch politisch klüger, als Herrscher nicht in der Schlacht den Tod zu suchen, sondern sich zurückzuziehen und den weiteren Widerstand zur Rettung des Reiches neu zu organisieren. Wir wissen, dass ihm das letztlich nicht gelungen ist. Immerhin hat es elf Jahre gedauert, bis Alexanders das Riesenreich vernichtet hatte. Dareios selbst wurde bereits im Juli 330 v. Chr. von seinen eigenen Leuten erst gefangen genommen und kurz, bevor Alexander die Fliehenden eingeholt hatte, ermordet. Alexander ließ ihn bei den Königsgräbern in der Hauptstadt Persepolis ehrenvoll bestatten.

So endete die 250-jährige sehr erfolgreiche Epoche der Achämeniden in der persischen Geschichte. Auch wenn sich die griechischen Städte behaupten konnten, waren die Perser doch über eine lange Zeit die einzig relevante Großmacht im Orient.

Wir schauen uns in den nächsten Folgen die andere Seite an und wollen sehen, wie das Ganze aus griechischer Perspektive ablief. Ein wenig gespoilert haben wir ja bereits, aber das wusstest Du sicherlich auch alles schon.