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(44) Perserkriege - Der Zug des Xerxes

Hölzerne Mauern

Auch wenn in der Außenwirkung Miltiades die alles überstrahlende Gestalt der Jahre um 490 v. Chr. war, so dürfen wir Themistokles in seiner nachhaltigen Wirkung nicht unterschätzen. Sein Blick ging immer in Richtung See, wie wir schon bei der Verlegung und Befestigung des Hafens gemerkt haben. Er setzte den Aufbau einer starken Flotte durch, auch unter dem Vorwand, sich gegen vorwitzige Inseln wie Ägina wehren zu müssen. Dabei half ihm das Orakel von Delphi, das den Athenern riet, sich hinter hölzernen Mauern in Sicherheit zu bringen. Themistokles deutete diese Mauern als die aus Holz gebaute Flotte. Seine Beharrlichkeit zahlte sich ab 481 v. Chr. aus, als die Perser unter Xerxes eine große Invasionsarmee in Marsch setzten.

 

Zehn Jahre hatte es gedauert, bis dieses Vorhaben beginnen konnte. Der Tod des Dareios und die zu Beginn notwendige Konsolidierung seiner Herrschaft hatten Xerxes diese Zeit gekostet. Den Hellespont wollte er durch zwei aus aneinandergereihten Schiffen gebauten Brücken überwinden. Nachdem diese ein Opfer von Sturm und Wellengang geworden waren, ließ der Großkönig das Meer dreihundertmal auspeitschen. Es zeigte sich insoweit beeindruckt, dass anschließend der Übergang auch gelang.

Dass die Perser es ernst meinten, mag man auch daran erkennen, dass sie am Berg Athos, wo Dareios' Flotte das letzte Mal im Sturm unterging, einen Kanal durch die Halbinsel trieben. Das macht man selbst als Großkönig ja nicht mal so eben nebenbei. Zudem schickte Xerxes wohl auch Boten nach Karthago und bat es, sich ein wenig um Sizilien zu kümmern, in der Hoffnung, dass von den griechischen Mutterstädten Unterstützung in die dortigen Kolonien geschickt würde, die dann zur Verteidigung in der Heimat fehlten. Ein wenig Respekt vor den Griechen schimmert da schon durch.

 

Wanderer, kommst Du nach Sparta…

Diese schlossen sich unter der militärischen Führung Spartas zum Hellenenbund zusammen. Angeführt von dem spartanischen König Leonidas (gest. 480 v. Chr., reg. 489 bis 480 v. Chr.) starben 300 Spartaner und 700 Thespier aus Böotien am Thermopylen-Pass bei dem Versuch das persische Heer, das diesmal aus 50.000 bis 100.000 Mann bestand, aufzuhalten. Auch wenn aufgrund des engen Geländes die Perser viele Verluste hatten, konnten sie den Übergang erzwingen. Die Spartaner sind in Erinnerung geblieben, an die Thespier denkt heute keiner mehr. Andere Kontingente der etwa 7000 Mann starken Truppe waren frühzeitig zurückgeschickt worden, als klar wurde, dass die Perser eine Umgehung gefunden hatten und so von beiden Seiten angreifen konnten. Ein Spartaner überlebte. Wie wir wissen, war das für Sparta ein Beweis seiner Feigheit. Den anderen blieb der Nachruhm. Auf die ikonische Inschrift am Platz des Geschehens haben wir schon hingewiesen.

 

Die Perser in Athen

Das parallel stattfindende Seegefecht bei Artemision endete zwar unentschieden bei größeren Verlusten auf persischer Seite. Dennoch musste sich die griechische Flotte am Ende der drei Tage dauernden Schlacht zurückziehen. In Folge fiel Mittelgriechenland an die Perser. Athen und Attika wurden evakuiert, von den Persern eingenommen und verwüstet, die Akropolis zerstört. Das klingt nach einem endgültigen Sieg. Weit gefehlt.

 

Salamis

Ende September kam es zur Entscheidung.

Während die Spartaner aus einem gewissen Eigeninteresse die Verteidigung am Isthmos von Korinth, dem Übergang zum heimischen Peloponnes konzentrieren wollten – nach der Niederlage bei den Thermopylen hatte man mit dem Bau einer Mauer begonnen -, plädierten die Athener für eine Verteidigung zur See. Auch das geschah aus einem nachvollziehbaren Eigeninteresse, da die Frauen und Kinder auf die Inseln im Saronischen Golf, vornehmlich nach Salamis direkt gegenüber von Athen evakuiert worden waren. In Salamis lag auch die griechische Flotte, die nach der Schlacht von Artemision und den dortigen Verlusten der Perser nicht mehr ganz so hoffnungslos unterlegen schien. Wir können bei der Anzahl der Schiffe vielleicht von einem Verhältnis von 1:2 ausgehen, wobei die griechischen Trieren deutlich wendiger und damit in der Meerenge zwischen Salamis und dem Festland im Vorteil waren. Sparta hatte auf dem Oberbefehl bestanden, den wie schon vor Artemision Eurybiades (amt. 480 bis 479 v. Chr.) ausübte. Das Gros der Schiffe, etwa 200 der insgesamt 350 stellte allerdings Athen und so ist es nicht verwunderlich, dass Themistokles der wahre Treiber des Geschehens war.

 

Er griff zu einer entscheidenden List und schickte Xerxes eine Botschaft. Die Griechen seien uneinig, er würde ja Xerxes unterstützen und im Übrigen seien Heer und Flotte kurz vor der Auflösung. Xerxes nahm das für bare Münze – man glaubt gerne, was einem in den Kram passt – und versperrte in der Erwartung eines totalen Sieges den Fluchtweg um die Nordseite der Insel. Diese Entwicklung wurde Themistokles von Aristides (530 bis 468 v. Chr.), seinem politischen Feind, den ein Ostrakismos nach Ägina verbannt hatte, hinterbracht. Eine vorbildliche Tat, da hier das Schicksal der Heimat über die politische Fehde gestellt wurde. Nun hatten die Griechen keine Wahl mehr, sie mussten kämpfen. Und das taten sie sehr erfolgreich. Durch die List des Themistokles war die persische Flotte gespalten, das Kampfgebiet war eine Meerenge zwischen Insel und Festland und die griechischen Ruderer waren ausgeruhter, ihre Schiffe zudem wendiger. Darüber hinaus kämpften sie für ihre Heimat und ihre Familien, waren also bis in die Fingerspitzen motiviert. Auf dieser Basis gelang es der griechischen Flotte trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit, große Teile von Xerxes‘ Flotte zu vernichten.

 

Plataiai

Dem Landheer der Perser erging es am Ende nicht besser. Xerxes selbst hatte sich nach der Niederlage von Salamis mit dem Rest seiner Flotte auf die Heimreise begeben. Wir werden sie gleich noch einmal treffen. Sein Heer stand allerdings noch in Griechenland. Athen war weiterhin besetzt und es gab unter den griechischen Städten noch einige Verbündete der Perser. Theben ist ein Beispiel. Der persische Heerführer Mardonios (gest. 479 v. Chr.) überwinterte mit seinen Truppen in Thessalien nördlich von Athen. Er schickte den makedonischen König Alexander I. (reg. 497 bis 454 v. Chr.) zu den Athenern mit einem aus seiner Sicht sehr verlockenden Angebot. Persien als starke Landmacht und Athen als überlegene Seemacht sollten sich verbünden und könnten dann über das gesamte Griechenland herrschen. Xerxes würde auch für den Wiederaufbau der zerstörten Stadt zahlen. Die Idee mag aus Sicht der Perser kaum abzulehnen gewesen sein, sie kam aber zu einer vollkommen falschen Zeit. Auch wenn es zwischen den griechischen Städten immer viele Rivalitäten und Kleinkriege gegeben hatte, waren alle nach dem Erfolg von Salamis von einem so starken panhellenischen Hochgefühl beseelt, dass solche Angebote in Bausch und Bogen abgelehnt werden mussten. Dazu bedurfte es gar nicht der spartanischen Gesandtschaft, die herbeigeeilt war, um die Athener bei der Stange zu halten.

 

Mardonios zog also Anfang 479 v. Chr. aus seinem Winterquartier in Thessalien wieder gen Süden, verheerte erneut Athen und wiederholte das Angebot einer strategischen Partnerschaft zwischen Athen und Persien. In der Ratsversammlung sprach sich ein gewisser Herr Lykidas (gest. 479 v. Chr.) dafür aus, das Angebot des Großkönigs anzunehmen. Die von Idealismus und eigenem Erfolg getragenen Athener waren not amused und steinigten ihn darauf kurzerhand zu Tode. Vorher nahmen sie aber die Kränze vom Kopf, die sie aufgrund von religiösen Feierlichkeiten trugen. Man war ja kein Barbar. Frau Lykidas und den Kindern der Familie erging es nicht anders, bei ihnen schritten allerdings die Frauen zur Tat. Auf das Schicksal dieser Menschen sei nur am Rande verwiesen, falls Du immer noch glauben solltest, hier kämpfe Gut gegen Böse oder die westliche Zivilisation gegen die Barbaren aus dem Osten, so wie es in Folge die griechischen Geschichtsschreiber in bewährter Neutralität überliefert haben.

 

Undank ist der Welten Lohn

Es kam also im August/September – ein ganzes Jahr nach Salamis – zur Schlacht von Plataiai in Böotien, die die Griechen erneut gewannen. Über die Truppengröße gibt es unterschiedliche Einschätzungen, vielleicht waren es 70.000 Griechen auf der einen und 120.000 Perser (und Griechen aus den verbündeten Städten) auf der anderen Seite. Vielleicht aber auch halb oder doppelt so viele. Den Sieg verdanken die Griechen ihrem Anführer, dem Spartaner Pausanias (amt. 479 bis 478 v. Chr.), der als Regent für den noch minderjährigen König Pleistarchos (gest. 458 v. Chr., reg. 480 bis 458 v. Chr.), Sohn des bei den Thermopylen gefallenen Leonidas, die Truppen führte. Pausanias eroberte später Byzantion, wurde der Kooperation mit den Persern beschuldigt und nach Sparta zurückgebracht, wo er sich in den Tempel der Athene flüchtete. Da er dort nicht angegriffen werden durfte, mauerte man die Türen zu und löste das Problem auf »elegante« Weise. Mit Siegern ging man häufig nicht nur dankbar um.

 

Auch Themistokles bekam da so seine Probleme. Seine Gegner warfen ihm vor, mit den Persern paktiert und Athen ohne Not der Plünderung preisgegeben zu haben. 470 v. Chr. wurde er durch einen Ostrakismos verbannt, dann auf Betreiben Spartas wie Pausanias zum Tode verurteilt. Er floh - pikanterweise zu den Persern, wo er sich unter den Schutz des neuen Großkönigs Artaxerxes I. stellte und bis zu seinem Tode als Vasallenkönig über noch unter persischer Herrschaft stehende griechische Orte wie Magnesia am Mäander herrschte. Wir wollen jetzt aber nicht zu sehr vorgreifen, vorerst kämpfen noch alle Seit an Seit gegen die Perser.

 

Mykale

Fast gleichzeitig mit dem Sieg von Plataiai vernichteten die Griechen unter Führung des spartanischen Königs Leotychidas (etwa 545 bis 469 v. Chr., reg. 491 bis 476 v. Chr.) bei Mykale auf dem kleinasiatischen Festland gegenüber von Samos gelegen den Rest der persischen Flotte, der bei Salamis entkommen war. Dies geschah an Land, da die Perser aus Angst vor einer Seeschlacht ihre Schiffe ans Ufer gezogen hatten. Furcht gebiert nicht immer die besten Ideen.

 

Dieser Sieg sorgte für Bewegung bei den ionischen Städten, die nun endlich ihre Chance sahen, die persischen Herrschaft loszuwerden. Leicht hatten es die vorgelagerten Inseln wie Lesbos, Samos oder Chios, die aufgrund ihrer starken Flotten willkommene Bundesgenossen für die Griechen waren. Mit Hilfe der noch unter dem Befehl von Pausanias stehenden Bundesflotte wurden auch viele Orte auf dem Festland und auf Zypern befreit. Für die Städte auf dem Festland wollte für die Zukunft jedoch zumindest Sparta keine Garantien geben. Wie auch? Gegen einen konzentrierten Angriff der Perser hätte man diese kaum verteidigen können. Athen war hier optimistischer und schloss Verträge mit einer Reihe ionischer Städte.

 

Die Griechen hatten auf ganzer Linie gesiegt. Die Spartaner sahen dies genau so, sie zogen sich zurück und fühlten sich auf ihrem Peloponnes vor den Persern sicher. Die Athener waren im Überschwang ihrer unerwarteten Erfolge mutiger. Sie zogen mit der Bundesflotte – allerdings immer noch unter dem Kommando des Spartaners Pausanias – weiter an den Hellespont und Bosporus und vertrieben die Perser auch dort. Ihre moralische Überlegenheit bewiesen sie dann dadurch, dass sie nach Eroberung der Stadt Sestos den persischen Befehlshaber, der mit Xerxes’ Tochter verheiratet war, fesselten und ihn bei der Steinigung seiner Söhne zuschauen ließen. Ihm erging es danach nicht besser.

 

Gründe für den Sieg

Wenn wir herausfinden wollen, was letztlich zum durchschlagenden Erfolg der Griechen geführt hat, fallen uns fünf Gründe ein. Es gelang (1) eine belastbare Koalition wichtiger Städte, allen voran Sparta und Athen zu schmieden. Die (2) Waffentechnik der griechischen Hopliten war denen der persischen Krieger deutlich überlegen. Zudem kämpften die Perser (3) weit von ihrer Heimat, was zum einen hinsichtlich der Versorgung der vielen Soldaten eine große Herausforderung darstellte, die den Befehlshabern ein wenig die Geduld nahmen, abzuwarten, bis die Griechen nervös wurden und Fehler machten. Daneben war auch die Motivation bei den einzelnen Kämpfern eine andere als bei den Griechen, die buchstäblich um Familie, Haus und Hof fürchteten. Mit Themistokles hatten sie zudem (4) eine Führungsgestalt, die strategisch denken konnte und weit im Voraus mit dem Bau einer schlagkräftigen und großen Flotte die Voraussetzungen schuf, überhaupt mit Chancen in den Krieg ziehen zu können. Auch im Taktischen war er ein Meister, wie sein geschicktes Vorgehen bei Salamis beweist. Und sie hatten letztlich (5) das Glück des Tüchtigen, das ihnen zehn Jahre vorher bei Marathon schon zur Seite gestanden hatte. Sie wussten es aber auch beherzt zu nutzen.

 

Das nächste Mal schauen wir dann, was Athen aus diesem Sieg machte.