Nach unserem Ausflug zu den Bulgaren und Awaren, beide nicht die besten Freunde der Byzantiner, kehren wir nun wieder zu diesen zurück.
Justin und Sophia stellen die Zahlungen ein
Mit dem Tod von Justinian und dem Wechsel zu Justin II. änderte sich die Politik Konstantinopels in einem wichtigen Punkt. Wir erinnern Justin als den Kaiser, dessen Frau Aelia Sophia stark in die Regierungsgeschäfte eingebunden war, insbesondere nachdem Justin schlicht gesagt verrückt wurde. War es bisher über eine sehr lange Zeit geübte römisch-byzantinische Praxis, Probleme mit Geld und Geschenken zu lösen, verfolgten die beiden eine deutlich kompromisslosere Linie. Ganz kurz schien es, als könnten sie damit Erfolg haben. Nachdem die Langobarden gemeinsam mit den Awaren die Gepiden geschlagen hatten, schienen die Grenzregionen im Norden sicher zu sein und das Byzantinische Reich seine unter Justinian erlangte größte Ausdehnung sichern zu können. Die Freude währte nur kurz, denn dann zogen 568 die Langobarden unter Alboin nach Italien und machten der dortigen römischen Herrschaft ein Ende.
Insgesamt sorgte die unnachgiebige Haltung des Kaiserspaares für Stress. Das überrascht nicht. Wenn man es gewohnt ist, beschenkt und bezahlt zu werden, dann wird man kiebig, wenn die Zahlungen ausbleiben. In Afrika wurden die Mauren unter ihrem Anführer Garmules (gest. 579, reg. etwa 570 bis 578) aktiv und konnten erst 578 wieder in ihre Schranken verwiesen werden. Die Awaren waren nach der Ablehnung, sich im südlichen Donaudelta anzusiedeln, ebenfalls nicht freundlich gesinnt.
Im Osten, und das war sicherlich die größte Gefahr, waren die Sassaniden wenig erfreut, dass Byzanz die im Vertrag von 562 vereinbarten Tributzahlungen im Jahr 572 verweigerte. Damit nicht genug, auch die bisher geleisteten Zahlungen von 300.000 solidi, etwa 2700 Goldpfund, wurden zurückverlangt. Chosrau runzelte die Stirn, kratzte sich am Hinterkopf und rief zu den Waffen. Sophia und Justin bauten auf das 569 ausgehandelte Bündnis mit dem Herrscher der Kök-Türken. Hier ist man sich ein wenig uneinig, ob dies Istämi (gest. 575, reg. 552 bis 575) oder der Sogdier Sizabulos (gest. 575/576, reg. 552 bis 575) gewesen sein mag, oder ob die beiden ein und dieselbe Person waren. Auf jeden Fall versuchten die Byzantiner, die Perser in einen Zweifronten-Krieg zu zwingen. Ob es Justin an diplomatischem Geschick mangelte oder erste Anzeichen geistiger Verwirrung zu Aussetzern führten, wissen wir nicht. Auf jeden Fall war dieses Bündnis bereits 570 wieder Geschichte.
Auch mit seinen arabischen Verbündeten überwarf sich der Kaiser. So war es nicht überraschend, dass der Krieg 572 mit byzantinischen Niederlagen begann. Zwar gab es in Persarmenien einige Erfolge, in Kleinasien jedoch konnten die Perser wichtige Festungen wie Dara erobern. Die Türken gingen zwar auch in den Angriffsmodus und wollten die Konzentration der Perser auf deren Westfront ausnutzen. Diese erwiesen sich jedoch als stärker, ein weiterer Tiefschlag für die Byzantiner. Ob Justin diese Kette von Niederlagen nicht verkraftete oder ob andere Gründe vorlagen, wissen wir nicht. Jedenfalls musste er in dieser Zeit aufgrund seines Geisteszustandes endgültig durch den Thraker Tiberius II. Constantinus ersetzt werden.
Tiberius II. zahlt wieder
Mit Tiberius betrat ein Mann die Bühne, der sich wieder auf die gute alte byzantinische Politik des Geldbeutels besann. In seinen ersten Regierungsjahren gab es erst einmal Erfolge in Afrika, wo 578/579 der maurische Herrscher Garmules besiegt werden konnte.
Während Afrika also einigermaßen befriedet war, tat sich im Nordwesten ein neues Problemfeld auf. Das schwierige Verhältnis zu den Awaren konnte nur mit Tributzahlungen beruhigt werden. So halfen sie zunächst auch gegen die Slawen, wandten sich dann aber gegen Tiberius, als er ihnen Sirmium verweigerte. Sie eroberten die Stadt und der Kaiser musste die Tributzahlungen erhöhen.
Dass er sich hier nicht durchsetzen konnte, lag wieder einmal am Stress im Osten. Der Versuch, sich mit den Kök-Türken zu verbünden, scheiterte erneut. Der türkische Khan war mittlerweile gestorben und sein Nachfolger Tardu (gest. 603, reg. 575 bis 603) verweigerte eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit, da die Byzantiner gerade mit seinen Feinden, den Awaren verbündet waren. Hormizd IV., der Sohn des uns ja schon ganz gut bekannten Chosrau I., wollte die Probleme der Byzantiner auf dem Balkan ausnutzen und griff an. Immerhin gelang es Tiberius, die Ostgrenze mit hohem Aufwand und großen Verlusten zu halten. Die Sache zog sich hin. Erst 591, also lange nach dem Tod Tiberius‘ kam es zu einem neuen Friedensvertrag mit den Sassaniden.
In Italien, das sich zumindest im Süden noch in byzantinischem Besitz befand, sorgte man sich vor den Langobarden. Der römische Senator Pamphronius (um 570) reiste mit 3.000 Pfund Gold zu Tiberius, beglückwünschte ihn zur Thronbesteigung und bat um Hilfe gegen die Germanen. Tiberius war freundlich und ehrlich. Er könne nicht helfen, die Perser, die Slawen, die Awaren, und und und … Pamphronius müsse das verstehen. Er dürfe die 3.000 Goldpfund also gerne wieder mitnehmen. Vielleicht ließe sich ja damit in Italien was bewegen, Söldner anheuern oder so etwas in der Art, er wünsche im Übrigen Glück. 580 schickte er dann sogar doch ein paar Soldaten nach Italien, allerdings ohne damit irgendeine Wirkung zu erzielen. Ende des 7. Jahrhunderts erkannte dann Konstantinos IV. die Langobardenherrschaft an, das wissen wir ja schon.
Nach vier Jahren auf dem Thron, in denen er sich auch aufgrund von Steuergeschenken bei der Bevölkerung durchaus beliebt gemacht hatte, erkrankte Tiberius. Mit Germanos (um 580) und Maurikios machte er zwei erfolgreiche Feldherren zu Cäsaren, verheiratete sie auch beide mit jeweils einer seiner Töchter. Er starb am 13. August 582. Am Tag zuvor wurde Maurikios zum augustus erhoben, Germanos scheint nicht dagegen opponiert zu haben. Vielleicht hatte er auch kurz vorher mal in die byzantinische Schatztruhe gelugt und sich dann diskret in die zweite Reihe gestellt. Tiberius hinterließ ein faktisch bankrottes Gemeinwesen. Steuergeschenke ohne Refinanzierung sind am langen Ende meist schwierig. Aktuelle Bezüge verbieten sich.
Maurikios muss sparen …
Maurikios, 539 in Kappadokien geboren, wurde 577 magister militum per Orientem und konnte 581 in der Auseinandersetzung mit den Persern eine wichtige Schlacht gewinnen. Seine Reputation, die sich auch auf diesen Erfolg gründete, führte ihn erst in die Rolle des caesar und dann als Ehemann von Tiberius‘ Tochter Constantina (etwa 560 bis 605) auf den byzantinischen Thron. Sein Vorgänger hatte ihm einige Probleme hinterlassen.
Innenpolitisch suchte er nach Wegen einer Haushaltskonsolidierung, auch durch Kürzung der Zahlungen an die Soldaten. Das war aufgrund der kritischen Situation an der Ostgrenze und auf dem Balkan ein gewisses Risiko und führte zu Revolten in Ägypten und vor allem auch an der persischen Grenze.
Strukturell setzte er auf eine stärkere Dezentralisierung der Macht. Auch an der Schwelle zum 7. Jahrhundert war das Byzantinische Reich vor allem dank der Eroberungen Justinians noch sehr ausgedehnt und aus einer Zentrale heraus schwer zu lenken. Er schuf die Exarchate Ravenna und Karthago. Die dortigen Exarchen, also Statthalter, hatten zivile und militärische Verantwortungen und verfügten so über ein beträchtliches Maß an Autonomie. Das mag für den Kaiser in der Hauptstadt auch mal gefährlich werden. Die Usurpationen römischer Feldherren in Germanien, Asien und anderen Gegenden sind uns noch im Gedächtnis.
… und schließt Frieden mit den Persern
So weit kam es jedoch zunächst nicht. Vielleicht auch, weil es in den Krisenherden langsam ruhiger wurde. An der Ostfront mussten sich die byzantinischen Truppen noch eine ganze Zeit behaupten und auch die erwähnte Meuterei der eigenen Soldaten überstehen.
Dann halfen ihnen Thronstreitigkeiten in Persien. 590 stürzte Chosrau II. seinen Vater Hormizd IV., musste aber alsbald selbst fliehen, da mit Bahram Tschobin (gest. 591) einer der Generäle rebellierte. Wohin er floh? Pikanterweise an den Hof von Maurikios. Der musste sich nun entscheiden, ob er Chosrau oder Bahram unterstützen sollte. Beide machten ihm lukrative Angebote. Die Wahl fiel wenig überraschend auf Chosrau, die Unterstützung von Usurpatoren verbietet sich für einen Kaiser, der etwas auf sich hält. Mit der Hilfe römischer Generäle, einer trug den verheißungsvollen Namen Narses (gest. 605), gelang es Chosrau, Bahram zu vertreiben und sich selbst wieder auf den Thron zu setzen. Im Gegenzug erhielt Maurikios 591 einen vorteilhaften Friedensvertrag, der ihm den Norden Mesopotamiens mit der viel umkämpften Stadt Nisibis und große Teile Armeniens einbrachte. Zuvor hatte er Chosrau II. adoptiert, der sich danach also beispielhaft um seinen Vater kümmerte. Wir wollen ihm das hoch anrechnen, zumal wir noch Justin I. erinnern und seine Weigerung, in den 520er Jahren Chosrau I. zu adoptieren. Wobei eine "Adoption" im diplomatischen Kontext natürlich etwas anderes war, als das, was wir heute mit diesem Begriff verbinden.
Die Truppen, die jetzt nicht mehr gegen die Perser benötigt wurden, konnten allerdings nicht abgezogen werden. Im Südosten musste die Grenze gegen die immer stärker werdenden Araber gesichert werden.
Probleme im Westen …
Während im Dauerkonflikt mit den Persern kurzzeitig Ruhe einkehrte, verschob sich das Problemkarussell nun wieder nach Westen. In Spanien eroberten die Westgoten nahezu alle Gebiete zurück, lediglich kleinere Teile blieben bis 620 unter byzantinischem Einfluss. Auch in Nordafrika nervten die Berber immer wieder mit ihren Überfällen, was viele Menschen dazu veranlasste, das Land zu verlassen, Städte verödeten und Anbauflächen wurden ein Opfer der Wüste.
… und auf dem Balkan
Die eigentliche Groß- oder eher Dauerbaustelle blieb der Balkan. Dort waren die Awaren und Slawen unterwegs. Wir haben schon gehört, dass Maurikios die Tributzahlungen einstellte und militärisch gegen die awarischen und slawischen Völker vorging. Dabei war er durchaus erfolgreich, Orte wie Singidunum (Belgrad) konnten zurückgewonnen werden. Natürlich gab es Gegenstöße. Thessaloniki wurde 584 und 586 belagert, Patras erobert. Slawen konnten sich in den dünn besiedelten Gebieten langfristig niederlassen. In den Folgejahren waren Maurikios‘ Aktionen erfolgreicher. Er konnte die Grenze sichern, allerdings war er weit davon entfernt, das Hinterland wirklich zu beherrschen. 593 gelang eine Reihe von Siegen, 597 war man wieder in Abwehrschlachten gegen awarische Vorstöße gebunden. Durchaus erfolgreich, denn 601 konnten byzantinische Truppen bis ins awarische Kernland an die Theiß vordringen.
Ein Ende aus Sparsamkeit?
Dieser Vorstoß war ein wesentlicher Grund für das Ende von Maurikios. Durch seine Politik der Konsolidierung des Staatshaushaltes sowieso nicht sonderlich beliebt, sorgte sein Befehl, die Truppen nördlich der Donau überwintern zu lassen, für einen Aufstand der Soldaten. Sie wählten den kentarchos, in Rom hätte man centurio gesagt, Phokas zu ihrem Anführer. Der verzichtete auf das Winterlager, sondern zog mit den Truppen in die Hauptstadt. Unterstützt von der blauen und insbesondere der grünen Zirkuspartei konnte er Konstantinopel einnehmen. Maurikios und seine sechs Söhne wurden ergriffen und am 27. November 602 getötet. Seine Frau und seine drei Töchter wurden zunächst in ein Kloster geschickt, wo sie aber um 605 ebenfalls hingerichtet wurden.
Auch wenn wir Maurikios als durchaus kompetenten Herrscher kennengelernt haben, der die Staatsfinanzen konsolidierte, das Reich durch die Gründung der Exarchate besser strukturierte und in den entscheidenden Krisenherden durchaus erfolgreich agierte, fehlte ihm dennoch eine wesentliche Fähigkeit für einen wirklich »großen« Kaiser. Es gelang ihm nicht, seine Herrschaft im Inneren auf stabile Beine zu stellen. So scheiterte er letztlich an sich selbst.
Für das Byzantinische Reich war die Entwicklung fatal. Chosrau II. wollte die Entmachtung und Ermordung seines Adoptivvaters nicht tatenlos hinnehmen. Ob er auch an die Möglichkeit gedacht haben mag, ein paar Vorteile aus den inneren Wirren seines westlichen Nachbarn zu ziehen? Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Persern und Konstantinopel flammten wieder auf. Diese schwächten in Folge beide Reiche so sehr, dass die Slawen auf dem Balkan und die Araber im Süden letztlich leichtes Spiel hatten.
Mit Maurikios endete die Spätphase der justinianischen Großmachtpolitik. Das nächste Mal schauen wir, wie es dann Phokas erging und erleben eine der eher dunkleren Stunden des Reiches.