· 

(110) Alarich, Constantius, Galla Placidia

Wir haben das letzte Mal Stilicho, den starken Mann im Weströmischen Reich, relativ abrupt sterben sehen. Für das Reich war dies sicherlich erst einmal eine Schwächung.

 

Alarich vor Rom (1)

Alarich wusste die Situation zu nutzen. Die Stimmung im Weströmischen Reich war nach dem Tod des Halbvandalen Stilicho deutlich gegen die fremdländischen Bundesgenossen gerichtet. Der Foederaten-Vertrag mit Alarich wurde dementsprechend gekündigt. Viele in der römischen Armee dienende Nicht-Römer machten sich ihre Gedanken und sagten ihrem Centurio "Auf Wiedersehen!" Eine ganze Reihe davon schlossen sich danach den Westgoten an.

 

Alarich analysierte die Situation, sah eine Gelegenheit und zog gen Rom. Im September 408 belagerte er die Stadt. Ohne Chance auf eine militärische Lösung zahlten die hungrigen Römer schließlich zweitausend Pfund Gold, dreitausend Pfund Pfeffer sowie Seiden- und Ledergewänder. Andere Quellen sprechen von fünftausend Pfund Gold und dreißigtausend Pfund Silber. Es war auf jeden Fall reichlich.

 

Alarich vor Rom (2)

Die Geschichte ist damit aber noch nicht vorbei. Alarich wollte mehr. Die Stelle des führenden Heermeisters war ja gerade frei geworden, außerdem forderte er die Erträge der Region zwischen Venetien und der oberen Donau für sich und seine Mannen ein. Diese cura annonae oder kurz annona genannten Zuwendungen hatten ihren Ursprung in den Subventionen der Getreidepreise für römische Bürger bereits zur Zeit der Republik. Anders als diese annona civica war die annona militaris, die Alarich hier einforderte, eine geregelte Versorgung von römischen und reichsfremden Truppen durch den römischen Staat. Honorius fand diese Ideen nicht so prickelnd, so dass Alarich sich erinnerte, was schon einmal gut funktioniert hatte. Er zog wieder gen Rom. Im Grunde waren seine Forderungen durchaus gemäßigt angesichts seiner aktuell überlegenen Militärmacht und den Bedrohungen, denen Honorius insbesondere auch durch die Usurpation von Konstantin III. ausgesetzt war. Allein, der Hof Ravenna sah dies anders.

 

Alarich wünscht sich einen Kaiser

Diesmal ließ Alarich sich nicht mit Geld, Kleidern und Pfeffersäcken abspeisen. Er vereinbarte mit dem Senat, dass dieser einen neuen Kaiser auszurufen habe. Die Wahl fiel auf den Senator und Stadtpräfekten Priscus Attalus (gest. nach 416). Nun macht ein Kaiser noch kein Reich. Dieses hielt dann auch in seinen wesentlichen Teilen zu Honorius. Ein Feldherr in Afrika, Heraclianus (gest. 413), sorgte für die Entscheidung. Er stoppte die für Rom lebenswichtigen Getreidelieferungen. Attalus weigerte sich, gegen Heraclianus zu kämpfen. Und schon war er kein Kaiser mehr. Alarichs Idee, seine Ziele über einen von ihm abhängigen Herrscher zu erreichen, war gescheitert.

 

Honorius hatte dagegen mittlerweile Hilfstruppen von seinem Neffen aus Konstantinopel erhalten und konnte es nun wagen, auch militärisch gegen Alarich vorzugehen. Dessen Versuch, doch zu einer Verhandlungslösung zu kommen, waren vor diesem Hintergrund ohne realistische Chance.

 

Alarich in Rom

So drückte Alarich das dritte Mal auf den Knopf, der ihm schon zwei Mal das Erfolgstürchen geöffnet hatte. Dies öffnete sich diesmal nicht nur im übertragenen Sinne. Es waren die Tore Roms selbst, durch die er in die Stadt einziehen konnte. Am 24. August 410 begannen die Goten, die Stadt zu plündern, über achthundert Jahre nachdem Brennus 410 v. Chr. den Römern sein vae victis entgegengeschleudert hatte. Die Goten verhielten sich für Plünderer dieses Mal relativ rücksichtsvoll, verschonten die heiligen Stätten und die Menschen, die dort Zuflucht gesucht hatten. Neben vielen Aristokraten geriet dabei aber auch Galla Placidia, Honorius‘ Schwester, in Alarichs Gefangenschaft.

 

Alarich nicht in Afrika

Die Plünderung Roms war trotz dieser relativen Milde ein Schock, auch wenn die Stadt im Gesamtreich nicht mehr die zentrale politische Rolle spielte. Sie war immer noch das Symbol für den Machtanspruch, der Markenkern, wenn Du so willst.

 

Für Alarich selbst endete die Geschichte nun bald. Er hatte begriffen, dass es mit Honorius zu keiner Verständigung kommen würde. Ebenso hatte er gelernt, dass die Kornkammer Roms in Afrika lag. Wenn er diese Provinz erobern könnte, hätte er für seine Leute ausgesorgt und zudem ein probates Druckmittel gegenüber dem Römischen Reich. Der Plan war schlüssig, dennoch schlug er fehl. Auf der Überfahrt nach Afrika geriet seine Flotte in einen schweren Sturm, viele Schiffe wurden zerstört, viele Soldaten starben. Wir erinnern, dass die Römer ein paar Jahrhunderte zuvor ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Alarichs Zeit war kurze Zeit später abgelaufen, er starb in Cosenza in Kalabrien. Als Anführer folgte ihm sein Schwager Athaulf (um 370 bis 415, reg. 411 bis 415).

 

Weitere Bedrohungen

Alarich haben wir ein wenig Zeit geopfert, weil er die Römer im Osten wie im Westen doch ordentlich durcheinanderbrachte. Jetzt wollen wir noch kurz auf die anderen Bedrohungen schauen, denen das Weströmische Reich begegnen musste. Wir erinnern die Vorstöße der Hunnen unter Uldin und die des Goten Radagaisus. Um Konstantin in Arelate müssen wir uns ja auch noch kümmern. Der Geschichte der Vandalen und Sueben nach dem Rheinübergang werden wir uns später in der notwendigen Ausführlichkeit widmen.

 

Radagaisus war ein gotischer Feldherr, vermutlich Greutunge, also nicht aus dem Stammesverband, aus dem Alarich stammte. Er führte 405/06 etwa zwanzigtausend Krieger plündernd nach Italien, belagerte Florenz und wurde dort von Stilicho in der Schlacht bei Faesulae im Sommer 406 vernichtend geschlagen und am 23. August hingerichtet. In dem Kampf gegen Radagaisus bekam Stilicho, wie wir wissen, Unterstützung von Uldin.

 

Konstantin III.

Honorius saß in Ravenna und musste mit all dem umgehen: Alarich, Radagaisus, den Hunnen um Uldin, den Germanen am Rhein, Stilichos vermeintlichem Putschversuch und der nicht vermeintlichen, sondern realen Usurpation Konstantins. Der hatte sich in Gallien etabliert und sowohl die Angriffsversuche aus Spanien als auch aus Italien zurückschlagen können. Da Honorius 408 gerade Stilicho hatte umbringen lassen, was dessen Gefolgsmann Sarus veranlasste, mit seinen Mannen aus Ravenna abzuziehen, stand der Kaiser plötzlich relativ schutzlos da. Alarich zog durch Italien, da hatte der Kaiser wenig Muße, sich mit Konstantin zu beschäftigen.

 

Dieser hatte seinerseits eine Gesandtschaft nach Ravenna geschickt. Honorius musste ihn wohl oder übel als Mitkaiser anerkennen – auch wenn er eine formale Bestätigung allem Anschein nach vermeiden konnte.

 

Doch auch Konstantin hatte seine Probleme. Die Alanen, Vandalen und Sueben, die zum Jahreswechsel 406/407 den Rhein überschritten hatten, waren im September 409 an den Pyrenäen angekommen. Diese konnten sie ebenso wie Konstantins dortige Stellungen überwinden. Spanien lag vor ihnen. Konstantin machte gute Miene zum bösen Spiel und versuchte, möglichst viele der Germanenstämme als Bundesgenossen zu gewinnen – sicherlich auch als Absicherung gegen Honorius.

 

Gerontius' Versuch scheitert

Zumindest im Norden gelang dies. Den Franken und Burgundern sagte er die begehrten annona-Zahlungen zu. So war zumindest in Gallien für ein wenig Stabilität gesorgt. Das nutzte Konstantin allerdings wenig, da sich sein Feldherr Gerontius (um 410) mittlerweile gegen ihn erhoben hatte und Maximus (gest. um 422), seinen Sohn oder Untergebenen, zum Kaiser ernannt hatte. Er konnte 410 oder 411 den Sohn von Konstantin, Constans (gest. 411), gefangen nehmen und hinrichten lassen. Daraufhin zog er nach Arelate, um auch Konstantin aus dem Weg zu räumen. Dort traf er allerdings nicht nur auf die Truppen Konstantins, sondern auch auf Flavius Constantius (gest. 421, reg. 421), einen General in den Diensten von Honorius, der ebenfalls den Usurpator aus Britannien schlagen wollte. Constantius war ein fähiger Mann, der erst Gerontius vertrieb und dann Konstantin gefangen nehmen konnte. Als Constantius III. war er später kurzzeitig sogar Kaiser des Weströmischen Reiches.

 

Jovinus macht es nicht besser

In diesem turbulenten Umfeld gab es weitere Bedrängnisse, die wir hier ausblenden, um nicht vollkommen den Faden zu verlieren. Die Angriffe sächsischer Piraten auf Britannien oder die Erhebung des Senators Jovinus (gest. 413) an der Rheingrenze zum Kaiser können wir beiseitelegen. Konstantin, Honorius und ihre Berater und Generäle konnten das nicht. Constantius schaffte es zumindest in Gallien, ein wenig aufzuräumen. Bei der Niederschlagung der Usurpation des Jovinus half ihm Athaulf, Alarichs Nachfolger. Der stand zunächst auf Jovinus‘ Seite, wechselte aber zu Honorius, als er sich von dem Usurpator schlecht behandelt fühlte, insbesondere, als dessen Bruder Sebastianus (gest. 413) zum Mitkaiser erhoben wurde. Hier hatte Athaulf andere Vorstellungen. Er besiegte und tötete erst Sebastianus und schließlich 413 auch Jovinus, den er in Valene an der Rhône stellen konnte.

 

Constantius setzt sich durch

Constantius war nach seinen Erfolgen der neue starke Mann Westroms, sozusagen der Nachfolger Stilichos. Das rief Neider auf den Plan. Heraclianus, den wir als treuen Gefolgsmann von Honorius bei der von Alarich gesteuerten Erhebung des Priscus Attalus bereits kennengelernt haben, versuchte von Afrika kommend einen Angriff in Italien, wurde jedoch geschlagen und getötet.

 

Galla Placidia wird Königin der Westgoten…

Auch Athaulf, der gegen Konstantin noch geholfen hatte, fand den Tod. Er hatte 414 zur Überraschung von Freund und Feind Honorius‘ Schwester Galla Placidia geheiratet, die ja bei Alarichs Plünderung Roms gefangengenommen worden war. So wollte er deutlich machen, dass nicht die Vernichtung des Römischen Reiches sein Ziel sei, sondern die Erneuerung mit Hilfe seiner Goten.

 

Diese Idee überzeugte Constantius jedoch wenig. Er versuchte das Herrschaftsgebiet Athaulfs in Südgallien unter anderem durch Hafenblockaden zu schwächen. Athaulfs Reaktion war letztlich wenig wirksam. Er reanimierte zwar die Usurpation von Priscus Attalus, der in Burdigala, dem heutigen Bordeaux, residieren durfte. Constantius‘ Blockade war allerdings relativ wirkungsvoll, so dass die Goten Anfang 415 nach Spanien auswichen, wo Athaulf im Sommer durch ein vermutlich von Constantius beauftragtes Attentat den Tod fand.

 

…versklavt…

Sein Nachfolger Sigerich (gest. 415, reg. 415) herrschte nur sieben Tage. Zeit genug, die Söhne aus Athaulfs erster Ehe zu töten und Galla Placidia zu den Sklaven zu stecken, wo sie gemeinsam mit der Armee viele Meilen zu Fuß mitmarschieren musste. Sigerich wurde jedoch nach nur einer Woche ebenfalls ermordet.

 

…und befreit

Wallia hieß sein Nachfolger. Dieser hatte einen pragmatischeren Blick auf die Geschichte. Er suchte einen Ausgleich mit Honorius und Constantius, insbesondere nachdem sein Versuch, mit seinem Volk bei Gibraltar nach Nordafrika überzusetzen, um sich dort niederzulassen, gescheitert war. 416 wurde der Friedensvertrag geschlossen. Priscus Attalus und Gallia Placidia wurden nach Ravenna ausgeliefert, dafür bekamen die hungernden Goten Getreide.

 

Die Westgoten erreichen ihr Ziel

Zudem wurden sie verpflichtet, Rom gegen die Vandalen, Alanen und Sueben zu helfen, die 410/411 mittlerweile in Spanien angekommen waren. Wallia und seine Westgoten bekämpften sie durchaus erfolgreich. Die silingischen Vandalen wurden weitgehend vernichtet, ebenso die Alanen. Die Überlebenden beider Völker schlossen sich den hasdingischen Vandalen an. Der Lohn für die Westgoten war 418 die Zuweisung einer Region zwischen Toulouse und Bordeaux in Südwestfrankreich, in der sie sich niederlassen konnten und aus der sie sich versorgen durften. Dort haben wir sie ja auch zu Zeiten des Hunnenkrieges in Erinnerung.

 

Die mögliche vollständige Vernichtung der Vandalen unterblieb. Dem römischen Heermeister Constantius war ein labiles Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Barbarenvölkern angenehmer als ein starkes westgotisches Reich, dass sich als ebenbürtiger oder irgendwann auch vielleicht überlegener Partner aufstellen konnte. Das langersehnte Ziel, dem bereits Alarich viele Jahre hinterhergejagt war, war aus westgotischer Sicht aber auf jeden Fall erreicht, weitere Ambitionen existierten gar nicht. Wallia selbst konnte diesen Erfolg nicht mehr genießen, er starb 418. Seinem Enkel Ricimer werden wir noch begegnen.

 

So eine Landzuweisung funktioniert natürlich nicht »einfach so«. In aller Regel leben dort Menschen und die Grundstücke und Felder gehören jemandem. Die Abtretungsquote lag in diesem Fall bei zwei Dritteln des aufzuteilenden Gutes. Aus anderen Fällen sind auch andere Quoten bekannt, im Italien Odoakers etwa lediglich ein Drittel. Aufgrund der Zahl der empfangsberechtigten Goten war auch nicht jedes Gut betroffen. Wie die Auswahl verlief, lassen wir an dieser Stelle einmal offen. Da die Besitzverhältnisse durch einen hohen Anteil an sehr reichen Großgrundbesitzern aus den senatorischen Familien geprägt waren, stürzte die Landzuweisung an die Goten keinen in wirkliche Armut. Gejubelt wurde aber wahrscheinlich auch eher verhalten.

 

Galla Placidia, immer noch Schwester des Kaisers, aber nicht mehr Königin der Westgoten, war nun wieder in Italien und erlebte den letzten Triumphzug eines römischen Kaisers auf italienischem Boden, auf dem auch Priscus Attalus vorgeführt wurde. Er durfte hinterher, nachdem man ihm zwei Finger abgeschnitten hatte, auf einer der Liparischen Inseln weiterleben. Ob es die Mittelfinger waren, die er vielleicht etwas unglücklich zur Schau gestellt haben könnte? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich handelte es sich eher um die Finger, die er zu einem bei der Krönung obligatorischen Schwur erhoben hatte.

 

Constantius erntet die Früchte seines Erfolgs: Er wird Kaiser…

Constantius konnte sich 418 ein wenig zurücklehnen und mit Stolz auf die letzten Jahre zurückschauen. Das Weströmische Reich wurde seinem Namen wieder halbwegs gerecht. Das Gotenproblem war gelöst, die plündernden Vandalen und Sueben zumindest zurechtgestutzt und von irgendwelchen Usurpationen hörte man auch nichts mehr. Zudem war die Schwester des Kaisers wieder zu Hause. Honorius sah dies ähnlich und macht den erfolgreichen Heerführer 421 als Constantius III. zum Mitkaiser.

 

… und heiratet (trotz Glubschaugen) Galla Placidia

Bereits 417 durfte dieser Galla Placidia heiraten, die von dieser Idee nur so mittel begeistert war. Wenn wir uns die Beschreibungen ihres künftigen Mannes zu Gemüte führen, bekommen wir eine Ahnung, warum. Er sei ein eher unzugänglicher, verdrossener Typ gewesen, der mit Glubschaugen und seinem breiten Kopf auf einem langen Hals nicht sehr wohlgestaltet war. Auch hinsichtlich der Körperkoordination soll es Schwächen gegeben haben, zumindest hatte er angabegemäß eine Neigung, häufiger über den Hals von seinem Pferd zu fallen. Es muss kein Freund gewesen sein, der das geschrieben hat, insofern glauben wir nicht alles.

 

Besser als das Reiten schien anderes zu funktioneren, denn aus der Ehe entsprangen zwei Kinder: Justa Grata Honoria (etwa 418 bis 455) und der spätere Kaiser Valentinian III. Insgesamt konnte Constantius seinen Aufstieg allerdings wenig genießen. Bereits kurz nach seiner Krönung, am 2. September 421, starb er an einer Rippenfellentzündung.

 

Machtkämpfe nach Constantius' Tod

Für die Zeit danach wird zum einen von einem inzestuösen Verhältnis zwischen Galla Placidia und Honorius berichtet, auf der anderen Seite aber auch von zunehmenden Streitigkeiten zwischen den Geschwistern. Aber das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Honorius weigerte sich wohl, Gallas Sohn Valentinian als Thronfolger zu akzeptieren. Am Hof bildeten sich Fraktionen, die sich zunehmend bekämpften, Honorius stellte sich gegen seine Schwester, die 422/23 Ravenna verließ und mit ihrem Sohn nach Konstantinopel flüchtete. Dort herrschte ja mittlerweile ihr Neffe, Arcadius‘ Sohn Theodosius II.

 

Ein Notar als Kaiser?

Die Situation in Ravenna bekam mit dem Tod von Honorius im August 423 eine neue Wendung. Valentinian saß mit Galla Placidia in Konstantinopel, ein direkter Zugriff auf den weströmischen Thron war damit nicht möglich. Nach einigen Rangeleien wurde dort der Chef der Notare, ein Hofbeamter namens Johannes, zum Kaiser ausgerufen. Theodosius II. wollte sich verständlicherweise das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen, er war ja nun wieder senior augustus. Als solcher ernannte er den fünfjährigen Valentinian im Herbst 424 zum caesar und verlobte ihn mit seiner zweijährigen Tochter Licinia Eudoxia (422 bis etwa 493), die dieser dreizehn Jahre später dann auch wirklich heiratete.

 

Das funktioniert nicht

Johannes‘ Position war auch im Westen nicht unangefochten. Bonifatius, der Heerführer in Afrika, blieb beispielsweise auf Distanz. Zu den Unterstützern gehörte neben dem Heermeister und Konsul Flavius Castinus (amt. 424) auch ein gewisser Flavius Aëtius. Johannes war klar, dass er gegen Konstantinopel nicht würde regieren können. Die Gesandtschaft, die er in den Osten schickte, wurde allerdings ziemlich grob abgefertigt und ins Exil expediert. Stattdessen sah er sich alsbald einem oströmischen Heer gegenüber. Dies machte kurzen Prozess, Johannes wurde geköpft und Valentinian III. am 23. Oktober 425 in Rom zum augustus für das Westreich ausgerufen. Da war er immerhin schon sechs Jahre alt. Die Zusammengehörigkeit der beiden Reichshälften und das dynastische Prinzip waren eindrucksvoll bestätigt worden.

 

Galla Placidia regiert

Faktisch regierte im Westen nun Galla Placidia, die aber anerkennen musste, dass ihr Einflussbereich deutlich kleiner geworden war als der ihres Bruders Honorius, auch wenn dieser ebenfalls nie uneingeschränkt über das gesamte Reich hatte herrschen können. Die Westgoten hatten sich in Gallien ausgebreitet, die Vandalen waren in Spanien erfolgreich, Sevilla und Carthago Nova waren gefallen. Zudem hatte sich der Ostkaiser Theodosius für seine Unterstützung wahrscheinlich Teile Illyriens, der lange zwischen beiden Reichen umstrittenen Provinz auf dem Balkan, fest zuschreiben lassen. Auch an ihrem Hof hatte sie nicht alles im Griff, die Zwistigkeiten setzten sich fort. Wir wollen diese hier nicht im Einzelnen nachspielen.

 

Aëtius konnte zunächst den neuen Heermeister Italiens, Flavius Felix (gest. 430), ausschalten und anschließend auch den alten, treuen Gefolgsmann Galla Placidias aus Afrika, Bonifatius. Aus dem alten Gegner war nun der starke Mann im Westen geworden. Das muss Galla Placidia nicht unbedingt gefallen haben. Wie Aëtius die Sache anging, das schauen wir uns das nächste Mal an.