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(79) Caesars Ende / Cicero

Diktator

Caesar hatte die Pompeianer einmal rund um das Mittelmeer besiegt und nun weitgehend freie Bahn. Bereits nach seiner Rückkehr aus Ägypten im Jahr 46 v. Chr. war er zum Diktator für die nächsten zehn Jahre ernannt worden. Nach dem Sieg in Spanien ließ er sich im Februar 44 v. Chr. zum Diktator auf Lebenszeit wählen. Dies war Wasser auf die Mühlen seiner Feinde, die nun befürchteten, er könne sich zum König aufschwingen, eines der absoluten Tabus in der römischen Republik.

 

Was wollte Caesar? Der Rahmen, in dem sich bisher in Rom Karrieren abgespielt hatten, war zerbrochen. Eine Verfassung existierte noch auf dem Papier, real war nur noch Caesars Macht. Diese hatte er sich erst in Gallien, dann gegen Pompeius in Pharsalos, und danach in Ägypten, Kleinasien und Spanien erkämpft. Welche Bedeutung hatte da noch die Stadt Rom, welche Macht verblieb dem Senat?

 

Erst einmal nutzte Caesar die riesige Beute aus seinen vielen Kriegen, um seine Gefolgsleute zu bedienen und das Volk auf seine Seite zu ziehen. Der Senat wurde von 600 auf 900 Mitglieder aufgestockt, Ämter wurden auf Jahre im Voraus vergeben, Schulden wurden getilgt, Bauland – unter anderem in Karthago – wurde zugewiesen, grandiose Triumphzüge und Gladiatorenspiele fanden statt. Riesige Bauvorhaben wurden geplant, der Tiber sollte umgeleitet werden. Einen gesamthaften Plan, was er mit dem Staat Rom vorhatte, den ließ Caesar allerdings nicht erkennen. Für einen wirklich großen Staatsmann war er doch zu selbstbezogen.

 

Und so konzentrierte er sich auf das, was ihm bisher Erfolg gebracht hatte: Krieg und Kampf. Ein Feldzug gegen die Parther sollte es sein, vielleicht auch als Rache für seinen gefallenen Triumvir-Kollegen Crassus. Mittlerweile war er so von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt, dass er die politische Situation in Rom unterschätzte. Zwar war Pompeius ausgeschaltet und seine Truppen besiegt. Zwar war das Volk von den Geschenken und den Spielen berauscht. Zwar waren viele der ehemaligen Senatoren, war die frühere Elite tot oder im Exil. Aber der republikanische Geist lebte noch. Wir werden uns gleich noch mit Cicero beschäftigen, der diese Ideale immer wieder hochhielt. Caesar machte seit jeher in seinem gesamten Handeln deutlich, dass er sich nicht um die Regeln des Staates kümmerte. Er war mit Verfassungsbrüchen groß geworden, musste sich über Jahrzehnte gegen die Regeln des Staates wehren, der gerichtlichen Verfolgung aus dem Weg gehen. Da ihm dies alles gelang, woher soll sein Respekt vor der Verfassung, vor der res publica kommen? Sein Hochmut störte vor allem die Vertreter der alten Führungselite, deren Familien von dem bisherigen System profitiert hatten. Auch wenn Caesar wohl nie explizit nach dem Königstitel gefragt hat, ist seine Rolle der eines Alleinherrschers, eines Monarchen mehr als vergleichbar. Für den anstehenden Feldzug gegen die Parther nahm er sich auch das Recht heraus, sich außerhalb Roms rex zu nennen, da er nur dann als Herrscher der unterworfenen Gebiete akzeptiert werden würde. Das war Wasser auf die Mühlen seiner Gegner.

 

Tod

So nimmt es nicht wunder, dass sich eine Gruppe von immerhin 60 Männern unter Führung von Marcus Junius Brutus (etwa 85 bis 42 v. Chr.), ein Nachfahre des sagenumwobenen Lucius Junius Brutus, der 450 Jahre zuvor den letzten römischen König Tarquinius Superbus vertrieben hatte, und Gaius Cassius Longinus (etwa 86 bis 42 v. Chr.) zusammenschloss, um Caesar zu ermorden. Am 15. März 44 v. Chr., den berühmten den Tag in der Mitte des Monats bezeichnenden Iden des März, war es so weit, im Senat wurde der Diktator von 23 Dolchstichen getroffen und starb. Es gibt die Theorie, dass er von dem geplanten Anschlag wusste und Hinweise auf Tag und Ort ignorierte. Ob er wirklich den Tod gesucht hat, weil er eigentlich keine fassbaren Gegner und damit auch keine Agenda mehr hatte, ob er auf dem Höhepunkt seiner Macht und so für die Nachwelt als der Feldherr und Herrscher mit einer Kette grandioser Erfolge abtreten wollte, können wir nicht wissen. Richtig wahrscheinlich klingt es bei dem bisherigen Lebensweg Caesars nicht. Kleopatra, die sich zu dieser Zeit in Rom aufhielt, wusste auf jeden Fall, was die Stunde geschlagen hatte, packte ihren Sohn und ihre Koffer und reiste zurück nach Ägypten. Wir werden ihr noch begegnen.

 

…und danach

Das eigentliche Ziel der Attentäter wurde nicht erreicht. Marcus Antonius, treuer Gefolgsmann Caesars und Mitkonsul, sicherte sich dessen Vermächtnis. Bei Caesars Witwe Calpurnia (geb. um 76 v. Chr.) holte er noch in der Nacht das Vermögen und das Testament ab. Was man hat, das hat man. Er überzeugte die Freunde Caesars, sich nicht an den Mördern zu rächen, sicherlich auch, um die Kontrolle über das weitere Geschehen zu behalten. Bereits am nächsten Tag setzte er im Senat durch, dass alle von Caesar eingebrachten Gesetze und Vorhaben, auch die noch nicht begonnenen, Gültigkeit behalten sollten - quasi als Gegenleistung für die von den Republikanern geforderte Amnestierung der Mörder. Ein Deal, der auf einen Vorschlag Ciceros zurückging.

 

Am 19. März wurde das Testament eröffnet, das jedem Römer 300 Sesterzen zusprach und überraschenderweise Gaius Octavius posthum als Adoptivsohn erklärte und zum Haupterben bestimmte. Wir werden uns noch um ihn kümmern. Marcus Antonius hielt auf dem Begräbnis die Leichenrede. Du kannst bei Shakespeare nachlesen, wie man so etwas macht. Das Volk, durch das großzügige Testament eh auf Caesars Seite, fing an zu wüten, entzündete Scheiterhaufen und forderte den Tod der Mörder. Die hatten sich wohlweislich bereits aus dem Staub gemacht.

 

Es folgte nun die nächste Phase des Bürgerkriegs, auch diese beginnt mit einem Triumvirat und endet mit dem Kampf von zwei Triumvir-Kollegen, diesmal Octavian (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.) und Marcus Antonius (82 bis 30 v. Chr.).

 

Bevor wir uns dieser Geschichte nähern, wollen wir noch kurz auf Cicero schauen, der die Jahre, die wir bisher durchlebt haben, wesentlich geprägt hat. Auch er ist uns in den Lateinbüchern erhalten geblieben. Quousque tandem abutere, Catilina, patentia nostra (»Wie lange willst Du noch, Catilina, unsere Geduld missbrauchen«, ein berühmter Satz aus einer berühmten Rede des Cicero) wirst Du jetzt denken. Aber Ehre, wem Ehre gebührt. Ich weiß schon, dass Du viel Geduld mit mir haben musst.

 

Cicero

Dass wir uns ein wenig mehr mit ihm beschäftigen, verdankt Marcus Tullius Cicero (106 bis 43 v. Chr.) weniger seinen durchaus bedeutenden politischen Fähigkeiten, als der Tatsache, dass er ein begnadeter Redner war und viele Reden und Briefe auch schriftlich hinterlassen hat, die bis in unsere Zeit, insbesondere aber auch in der Renaissance für viele Vorbild und Lehrmaterial sind und waren. Bereits zu seinen Lebzeiten war er in sprachlichen Dingen stilbildend und hoch angesehen.

 

Cicero stammte nicht aus einer der großen Familien. Sein Vater war Ritter in Arpinum einer kleinen Stadt gut 100 Kilometer südöstlich von Rom. Bereits in seinen jungen Jahren übersiedelte die Familie in die Hauptstadt, damals eine Metropole mit mehreren hunderttausend Einwohnern. Marcus erhielt auch aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen eine gute Ausbildung. Spätestens mit 25 Jahren war er Prozessredner, also Verteidiger in Strafprozessen. Hier konnte er seine beeindruckende Redekunst für alle hörbar einsetzen. Politisch hielt er sich in diesen Jahren zurück, sympathisierte zwar mit den Zielen Sullas, war von dessen Methoden jedoch abgestoßen. Die Brutalität widerstrebte einem Mann des Wortes. Er hielt die überkommene Verfassung der Republik hoch, war somit trotz seiner Herkunft eher ein Mann der konservativen Optimaten als einer der Popularen, für die ein Verfassungsbruch auch ein adäquates Mittel zum Zweck sein konnte.

 

In Folge durchlief er den cursus honorum. 75 v. Chr. war er Quästor in Sizilien und wurde für seine unbestechliche Amtsführung von den Sizilianern sehr in Ehren gehalten. 70 v. Chr. vertrat er die sizilischen Gemeinden in einem Prozess gegen den früheren korrupten Statthalter Gaius Verres (etwa 114 bis 43 v. Chr.), der in den Jahren 73 bis 71 v. Chr. die Insel ausgebeutet hatte. Er gewann den Prozess mit vielen Beweisen und aufgrund seiner Redekunst. Seine Berühmtheit stieg. 69 v. Chr. wurde er Ädil, 66 v. Chr. Prätor und 63 v. Chr. Konsul. Als Aufsteiger aus dem Stand der Ritter war dies schon etwas Besonderes. Als Konsul deckte er die Verschwörung des Senators Lucius Sergius Catilina (etwa 108 bis 62 v. Chr.) auf, der einen Staatsstreich vorbereitet hatte. Er erwirkte einen Senatsbeschluss, die Verschwörer ohne Gerichtsurteil hinrichten zu lassen. Das Volk feierte ihn als Retter und pater patriae, als Vater des Vaterlandes.

 

Dies war der Höhepunkt seiner Laufbahn. 61 v. Chr. lehnte er das Angebot Caesars ab, bei dem ersten Triumvirat mitzumachen, da er diese »Regierungsform« als nicht vereinbar mit der Verfassung betrachtete. In den kommenden Jahren bekamen seine Gegner Oberwasser, der von Caesar gestützte Volkstribun Publius Clodius Pulcher, dessen Tod im Jahr 52 v. Chr. wir schon mitbekommen haben, brachte 58 v. Chr. ein Gesetz ein, dass gegen diejenigen gerichtet war und ihnen Bürgerrechte und Besitz absprach, die den Tod eines römischen Bürgers ohne Gerichtsverhandlung verschuldet hatten. Dies wurde nun auf das Schicksal Catilinas und seiner Mitverschwörer angewandt und gegen Cicero gewendet. Dieser ging vorsichtshalber ins Exil nach Thessaloniki. Die Plünderung seines Besitzes konnte er allerdings nicht verhindern. Nach fast 17 Monaten im Exil wurde er im kommenden Jahr zurückgerufen und bei seiner Rückkehr begeistert empfangen.

 

Sein Verhältnis zu Caesar war gespalten. Er erkannte die politische Intelligenz, aber auch Machtstreben und Skrupellosigkeit. Er machte sich nicht gemein damit, lehnte wie gesagt das von Caesar angebotene Mitwirken im Triumvirat ab – und vergab damit faktisch die Chance auf eine noch wirkungsmächtigere politische Karriere. Als Anhänger der Senatspartei und damit des Pompeius agierte er gegen den auf der Seite der Popularen stehenden Caesar, freute sich über dessen Ermordung und wurde damit zum Gegner von Marcus Antonius. Das Attentat auf Caesar sei »mit dem Mut von Männern, aber dem Verstand von Kindern« ausgeführt worden, befand er, nachdem klar war, dass kein Konzept für die Zeit danach existierte.

 

Cicero setzte seine Hoffnungen auf Octavian, auch wenn er – wie wir wissen: berechtigte – Zweifel an dessen republikanischer Gesinnung hatte. Seinen Aufstieg als Augustus zum ersten Kaiser hat er nicht mehr miterlebt. In der Zeit unmittelbar nach dem Attentat war er der politische Kopf der Republikaner, der Partei der Caesarmörder, um es zugespitzt zu formulieren. Letztlich wurde er auch dadurch ein Opfer der Rache von Marcus Antonius, der ihn am 7. Dezember 43 v. Chr. auf der Flucht ermorden ließ. 

 

So behält die Nachwelt Cicero vor allem als Redner, Schriftsteller und Klassiker der lateinischen Sprache in Erinnerung, weniger als Politiker. Die Zeilen hier hat er sich aber allemal verdient. Wir werden seinen Namen im Folgenden immer mal wieder hören.

 

Das nächste Mal schauen wir dann, wie der Streit um Caesars Nachfolge ablief.