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(48) Der Peloponnesische Krieg - Das Ende

Die letztem zehn Jahre des Peloponnesischen Krieges von 414 bis 404 v. Chr. sind als Dekeleisch-Ionischer Krieg bekannt. Überraschenderweise passierte viel in Ionien und Dekelaia. Dort entstand ein strategischer Stützpunkt Spartas von eminenter Bedeutung. Sehen wir zu, dass wir die Sache zu Ende bringen.

 

Sparta setzt sich fest

Ruhe war zu dieser Zeit in Griechenland ein Fremdwort. Athen in seiner Großmannssucht griff 414 v. Chr. in vermeintlicher Bündnistreue zu Argos, aber wider die bestehenden Friedensvereinbarungen spartanisches Territorium an. Diese nahmen dies als Einladung und schlugen volley zurück. Nach dem Sieg von Mantineia war das Selbstvertrauen wieder da. Sie waren sich sicher, dass Athen zwei Kriege in sehr entfernten Gegenden, Sizilien und Griechenland, nicht gleichzeitig würde erfolgreich führen können. Also nahmen sie den Vertragsbruch Athens als Vorwand, ihrerseits mal wieder gen Attika zu ziehen.

 

Diesmal hatten sie aber ein konkretes Ziel. Sie wollten nicht allein das Land verwüsten, sondern sie wollten einen festen Stützpunkt errichten, um als ständiger Pfahl im Fleische Athens jederzeit sofort agieren und reagieren zu können. Sie wählten strategisch klug Dekelaia, viereinhalb Wegstunden von Athen entfernt in Richtung Böotien und Euböa. Die Eroberung im Frühjahr 413 v. Chr. klappte problemlos. Einer der beiden spartanischen Könige, Agis II. (gest. 399 v. Chr., reg. 427 bis 399 v. Chr.), residierte nun ständig in dem uneinnehmbar befestigten Ort und machte ihn zunehmend zum Zentrum der spartanischen Politik. Er hatte das Heft des Handelns in der Hand, die Ephoren in Sparta waren in der politischen Realität Nebenfiguren geworden. Agis konnte alles tun, die Schafe der Athener fangen, ihren Sklaven die Freiheit versprechen – 20.000 flohen zu ihm – und sie dann doch weiterverkaufen, die Zufahrtswege nach Athen blockieren, was dort Versorgungsschwierigkeiten und Preissteigerungen zu Folge hatte, und Tribute bei den umliegenden Städten erpressen.

 

Athen ist überall dabei

Die Athener waren getroffen, jedoch ihr Überlebens-, ja Siegeswille war ungebrochen. Inwieweit es Realitätsferne und Überheblichkeit oder Mut und Tapferkeit waren, die sie dazu brachten, neben Sizilien und der Gegend vor ihrer Haustür noch einen dritten Kriegsschauplatz zu eröffnen, muss offenbleiben. Aus der Entfernung von über 2.400 Jahren staunen wir.

 

Auf jeden Fall unterstützten die Athener in Karien in Kleinasien einen lokalen Machthaber, der sich gegen die Perser erhoben hatte. Zwar hatte man die Perser zwei Mal davon abgehalten, Griechenland zu erobern, aber vernichtend geschlagen hatte man sie nicht. Persien war immer noch ein Großreich, auch wenn die griechischen Städte an der kleinasiatischen Küste wieder frei waren - sofern wir die Mitgliedschaft im Attischen Seebund mit seinen Verpflichtungen zu Tributzahlungen an Athen als eine Form der Freiheit begreifen möchten. Die Aktion hatte auf jeden Fall zu Folge, dass es zu einem Bündnis zwischen den Persern und Sparta kam. Dabei spielte der uns schon bekannte Alkibiades wieder eine merkwürdige Rolle.

 

Alkibiades reloaded

Dieser war ja aus Angst vor einer Verurteilung aus Sizilien nicht nach Athen zurückgekehrt, sondern nach Sparta geflohen. Als die Nachrichten von der drohenden Niederlage in Sizilien sich verdichteten, keimten in vielen Städten die Gedanken, sich von Athen zu lösen. Sei es, um sich aus den Bündnisverpflichtungen zu befreien, sei es, um am Ende auf der Seite der Sieger zu stehen. Euböa machte den Anfang. Das war für Athen besonders kritisch, da die Insel für die Versorgung der Stadt eine hohe Bedeutung hatte.

 

Lesbos und Chios an der ionischen Küste schickten Boten nach Sparta, um Hilfe gegen die Athener zu erbitten. Sparta versprach diese auch und fokussierte sich zunächst auf Chios. Von Korinth aus sollte eine Flotte zur Unterstützung der Sparta-Partei zu dieser Insel aufbrechen. Athen roch Lunte und verfolgte die spartanischen Trieren, die sich nur durch Flucht retten konnten.

Alkibiades bot nun an, persönlich nach Chios zu fahren und die Anti-Athen-Front zu stärken. Dies gelang. Chios sagte sich von Athen los, einige weitere Städte und Inseln folgten, so auch das seit jeher unsichere Mytilene auf Lesbos. Alkibiades fuhr weiter nach Milet und auch diese wichtige Stadt kündigte das Bündnis mit Athen.

 

Dort wurden nun die letzten Kräfte mobilisiert. Sogar der unantastbare Tempelschatz wurde benutzt, um eine weitere Flotte auszurüsten, die an die ionische Küste segelte und dort dann auch insoweit erfolgreich war, dass sie Chios einnehmen konnten – bis auf die Hauptstadt. So verwüsteten die Athener in bekannter Manier das Land und der spartanische Gouverneur wütete in der Hauptstadt, indem er alle Freunde der Athener hinrichten ließ. Der anschließende Versuch, Milet zu entsetzen, scheiterte. Als nächstes wandte sich auch Rhodos ab, es stand schlecht um Athen.

 

Sparta verpasst seine Chance

Was die Athener in der gesamten Zeit zu aktiv und handlungseilig gewesen waren, waren die Spartaner zu langsam. In der nun entstandenen Situation brauchten sie eigentlich nur den Sack zumachen. Er blieb offen.

 

Sparta verhandelte 412/11 v. Chr. mit den Persern, um Geld für den weiteren Krieg zu erhalten. Am Ende kam wenig an konkreter Unterstützungsleistung heraus. Zudem waren die ionischen Städte nicht erbaut davon, dass ihre durch die Loslösung vom Attischen Seebund wiedergewonnenen Freiheit nun an die Perser verscherbelt wurde. Ein entscheidender Passus im persisch-spartanischen Vertragswerk besagte nämlich, dass alle Städte, die der persische Großkönig aktuell beherrscht oder die Vorfahren des Großkönigs besessen hatten, zum Reich des Großkönigs gehören sollen. Das wird Milet und den anderen nicht gefallen haben.

 

Alkibiades wechselt mal wieder die Seiten

Erfolg macht dumm. Es begannen innerspartanische Grabenkämpfe. Der ein oder andere Würdenträger Spartas war neidisch auf den charismatischen und erfolgreichen Alkibiades und man begann ein Mordkomplott gegen ihn auszuhecken. Alkibiades bekam davon Wind und floh abermals. Diesmal zog es ihn zu Tissaphernes (445 bis 395 v. Chr., amt. 415 bis 408 und 401 bis 395 v. Chr.), den persischen Satrapen im lydischen Sardes. Dort begann er – nicht, dass er nachtragend gewesen wäre - systematisch gegen Sparta zu arbeiten.

 Im Grunde verzögerte er das Kriegsende, indem er Tissaphernes riet, die ganze Sache immer schön am Köcheln zu halten, dann würden sich die Griechen selbst zerlegen und Persien wäre am langen Ende der Nutznießer. Im Hintergrund bereitete er seine Rückkehr nach Athen vor. Dies ging auch nicht ohne Drama.

 

Er muss schon etwas an sich gehabt haben, dass er sowohl in Athen, als auch in Sparta und nun beim persischen Satrapen jeweils schnell in eine einflussreiche Position gelangen konnte. Neben seinen politischen und militärischen Fähigkeiten, reüssierte er im Übrigen auch als Sportler. Bei den Olympischen Spielen 416 v. Chr. wurde er im Wagenrennen Erster, Zweiter und Vierter. Vier weitere seiner Mannschaften landeten auf hinteren Plätzen. 

 

Aufgrund seiner guten Beziehung zu Tissaphernes erzählte er den aristokratischen Kommandanten der in Samos liegenden Flotte, dass die Perser Athen viel Geld geben würden, wenn dieses sich nicht mehr demokratisch, sondern als Oligarchie aufstellen würde. Die Kassen waren leer, das Versprechen wirkte. Die Oligarchen in Athen setzten 411 v. Chr. einen Rat der 400 durch, der eine neue Verfassung ausarbeiten sollte. Dabei half, dass viele Bürger der unteren Klasse, der Theten, als Ruderer mit der Flotte unterwegs waren und nicht mitstimmen konnten.

 

Alkibiades‘ Versprechungen waren allerdings kaum mehr als heiße Luft. Von den Persern kam kein Geld und so konnten sich die Umstürzler nicht lange halten. Alkibiades selbst war, wen wird es überraschen, mittlerweile schon längst Parteigänger der Demokraten. Von den Ruderern in Samos hatte er sich zum Strategen wählen lassen. Und so war er wieder Athener.

 

Zugeben müssen wir allerdings schon, dass er nicht nur als Opportunist und Taktiker agierte. Er konnte auch etwas. Mit der Flotte auf Samos, die nun unter seinem Kommando stand, fuhr er in den nächsten Jahren beeindruckende Siege ein. Bei Abydos am Hellespont schlug er 411 v. Chr. die Spartaner, bei Kyzikos im Marmarameer im Folgejahr erneut und diesmal vernichtend. Danach gab es keine spartanische Flotte mehr. Der spartanische Kommandant Mindaros (gest. 410 v. Chr.) war gefallen, der ranghöchste überlebende Offizier schickte einen Boten in die Heimat. »Verloren die Hölzer. Mindaros tot. Die Männer hungern. Wissen nicht, was tun«. Wenn wir uns erinnern, das Sparta in der Landschaft Lakonien liegt, wird uns die ausschweifende Darstellung dieser Botschaft nicht wundern. Und aus Sicht einer Landmacht waren die Boote eben nur Hölzer.

 

Athen wieder obenauf

Nun war es wieder an Sparta, Frieden anzubieten. Das taten sie auch, auf Basis des existierenden Besitzstandes. Und es war diesmal erneut an den Athenern, das Angebot abzulehnen. Alkibiades, der glorreiche Sieger und Vernichter der Flotte Spartas, schien der Garant des Sieges, da er nach dem Sieg von Kyzikos noch einige Städte, unter anderem Byzantion, für den Attischen Seebund zurückgewinnen und mit Pharnabazos II. (amt. 413 bis 374 v. Chr.), dem für Phrygien zuständigen Kollegen des Tissaphernes einen Waffenstillstand vereinbaren konnte. 408 v. Chr. kehrte er umjubelt nach Athen zurück, auch weil er vorher etwas Geld eingesammelt hatte, das er nun großzügig verschenkte.

 

Alkibiades wurde zum Hegemòn Autokrátor berufen, zum Befehlshaber mit uneingeschränkten Vollmachten. Und es schien zu funktionieren. Das Volk sah in ihm den erfolgreichen Feldherrn, der die Stadt und damit auch sie durch viele Siege reicher machen würde, die Wohlhabenden eher einen der ihren, der dem Volk im Zweifel auch unangenehme Dinge verkaufen konnte. Von dieser Zustimmung getragen hatte Alkibiades Erfolge. Er führte trotz der spartanischen Besatzung von Dekeleia eine religiöse Prozession auf dem Landweg nach Eleusis an der Küste etwa 30 Kilometer nordwestlich von Athen und er eroberte die abtrünnige Insel Andros zurück. Dann zog er weiter nach Kleinasien, um die Städte zurückzuerobern, die vom Attischen Seebund in den Einflussbereich Spartas abgefallen waren.

 

Sparta verbindet Löwen und Fuchs

But what goes up must come down singen Tom Petty and the Heartbreakers und der Peloponnesische Krieg gibt hierfür hinreichend Beispiele. Alkibiades sollte es nicht anders gehen. In Sparta war 408 v. Chr. Lysander (etwa 454 bis 395 v. Chr.) als Nauarch Kommandeur der Flotte geworden und es gelang ihm, nach dem Desaster von Kyzikos wieder eine solche bauen zu lassen. Von ihm ist die Weisheit überliefert, dass, wenn das Fell des Löwen nicht ausreiche, man eben das des Fuchses annähen müsse.

 

Ob man es als listig bezeichnen will, lassen wir mal dahingestellt, auf jeden Fall war es klug, dass Lysander auf Kyros (den Jüngeren) zuging, der als 16-jähriger Sohn des Großkönigs Dareios II. die Satrapie in Sardes von Tissaphernes und auch die phrygische von Pharnabazos übernommen hatte. Es gelang ihm, Kyros zu überzeugen, sich eindeutig auf die Seite Spartas zu stellen und die bisherige von Alkibiades initiierte abwartende Schaukelpolitik zu beenden. Eine nicht unwichtige Folge war, dass Sparta nun endlich die Mittel zur Verfügung hatte, die es sich von Anfang an von dem Bündnis mit dem persischen Reich versprochen hatte. So konnte Lysander in seinem kleinasiatischen Hauptquartier Ephesos eine neue Flotte bauen und die notwendigen Ruderer auch angemessen bezahlen. Er überbot den athenischen Tarif von drei Obolen pro Tag um eine und machte seine Marine damit auch für auswärtige Ruderer, die beide Seiten benötigten, attraktiver. Ein Obol(us) war eine Silbermünze von in der Regel etwa 0,72 Gramm, wobei der Silberanteil nach Zeit und Region variierte, so dass wir wenig über die Kaufkraft sagen können.

 

407 v. Chr. lag dann eine ansehnliche spartanische Flotte in Ephesos und die athenische nicht weit davon bei Samos. Lysander war leicht unterlegen und wollte sich daher nicht zu einer Schlacht provozieren lassen. Alkibiades meinte Zeit zu haben und ließ seine Schiffe alleine. Er reiste nach Norden, um die dortigen Städte bei der Stange zu halten. Dem Kommandeur, den er zurückließ, trug er zwar auf, keine Schlacht während seiner Abwesenheit zu führen. Der war vielleicht ein wenig zu ehrgeizig, oder er hatte einen Hörschaden, auf jeden Fall hielt er sich nicht an diese Weisung… und verlor. Lysanders Sieg in der Schlacht von Notion hatte zwar militärisch keine sonderliche Bedeutung. Athen hatte einige Schiffe verloren, die Gesamtsituation war jedoch nahezu unverändert. Psychologisch war der Sieg jedoch von eminenter Bedeutung. Das Selbstbewusstsein der Spartaner stieg und – noch wichtiger – das Vertrauen der Athener in Alkibiades bröckelte. Du ahnst, was Alkibiades bei solchen Anzeichen tat. Er haute ab. Diesmal ging es nach Thrakien, wo er private Besitzungen hatte. Sei aber nicht überrascht, wenn wir ihn gleich noch einmal kurz wiedersehen.

 

Athen zieht den Kopf aus der Schlinge

Lysander wurde turnusgemäß abgelöst, ihm folgte Kallikratidas (gest. 406 v. Chr.). Dieser konnte die athenische Flotte bei Lesbos einkesseln, wurde dann aber durch eine Entsatzflotte der Athener zur Schlacht gezwungen, die er bei den Arginusen, drei kleinen Inseln unmittelbar vor der kleinasiatischen Küste östlich von Lesbos, krachend verlor. Diese athenische Flotte war mit den letzten Resten an Geld und Vermögen aufgestellt worden. Man ging auf dem Zahnfleisch. Aber man hatte gewonnen. Erfolg macht aber dumm, wir erwähnten das bereits.

 

Athen wäre nicht Athen, wenn sie die Chance auf ein Drama verpasst hätten. Rückkehrer von der Schlacht berichteten, dass viele, man spricht von zwei- bis dreitausend über Bord gegangene athenische Seeleute nicht gerettet worden seien. Das war schlimm und reichte aus, einige Befehlshaber, fähige Militärs, zum Tode zu verurteilen. Die Kritik kann sich nicht unbedingt gegen den Prozess selbst richten, wohl aber gegen seine Durchführung in dem sehr emotionalen Klima der Volksversammlung und gegen die Härte und sofortige Vollstreckung des Urteils. Insgesamt war man wieder siegesgewiss, auch wenn der letzte Erfolg im wahrsten Wortsinn mit der letzten Silbermünze, die man auftreiben konnte, bezahlt worden war. Gedanken an Friedensverhandlungen hatten in der Volksversammlung keine Chance, der Führer der Demokraten, Kleophon (gest. 405 v. Chr.), wandte sich entschieden gegen jegliche Übereinkunft und das Volk folgte ihm. Direkte Demokratie at its worst.

 

Sparta erfindet den Frühstücksdirektor

In Sparta war man ein wenig ratlos. Sollte man erneut in Athen um Friedensverhandlungen einkommen? Und wenn nicht, wer sollte das Heer und insbesondere die Flotte führen? Es zeichnete sich ja ab, dass die Entscheidung zur See fallen würde. Lysander hatte sich bewährt und wurde auch von den Geldgebern aus Persien favorisiert. Das erzeugte auf der einen Seite Neider im Inneren, zum anderen durfte er nach den Statuten nicht erneut zum Nauarchen gewählt werden. Man behalf sich mit einem Trick. Nauarch wurde jemand anderes, Arakos (amt. 406 bis 405 v. Chr.) mit Namen. Er bekam aber die harte Auflage, alle Entscheidungen seinem Sekretär zu überlassen. Der hieß Lysander. So wurde für Arakos die Rolle des Frühstückdirektors erfunden.

 

Lysander fuhr nach Kleinasien und beendete als Erstes mit frischem Geld von Kyros die Schwierigkeiten, mit denen sich der spartanische Kommandant der Restflotte auf Chios rumschlagen musste – ohne Geld und Nahrung ist es schwierig, hungrige Ruderer und Soldaten ruhig zu halten. Dann ließ er neue Schiffe bauen und sorgte dafür, dass in den Städten die Freunde Spartas fest im Sattel blieben. Dabei ließ er auch mal wie in Milet mehrere hundert der gegnerischen demokratischen Partei umbringen.

 

Pokerrunde bei den Ziegenflüssen

Die Entscheidung fiel dann im Herbst 405 v. Chr. am Hellespont bei den Ziegenflüssen oder Aigospotamoi, für die Altgriechen unter den geneigten Lesern. In gewisser Weise wiederholte sich im Großen, was wir bei Ephesos in der Schlacht von Notion schon erlebt haben. Lysander lag mit seiner Flotte im Hafen von Lampsakos, welches er kurz vorher erobert hatte. Die Athener lagen gegenüber auf der anderen Seite des Hellespont und fuhren jeden Tag vor die Hafeneinfahrt, um eine Schlacht anzubieten. Lysander blieb cool und im Hafen. Er wusste, dass seine Gegner deutliche Schwierigkeiten hatten, ihre Mannschaften zu verpflegen. Die Ratschläge eines Alkibiades, der aus seinem nahegelegenen Landsitz herbeigeeilt war, um zu helfen, und einen besseren Ankerplatz für die Flotte vorschlug, schlugen die athenischen Strategen in den Wind. Sie waren vermutlich nicht sicher, auf welchem Ticket Alkibiades gerade unterwegs war. So musste Lysander nur ein wenig warten, bis die Athener das Herausfahren vor den Hafen von Lampsakos als lästige Routine betrachteten und bei ihrer Rückkehr in ihr Lager davonstoben, um nach Essbarem zu suchen. Nach fünf Tagen schlug er zu, erbeutete alle an Land gezogenen Trieren der Athener und holte auch die nach allen Seiten fliehenden Soldaten schnell ein und setzte sie gefangen. Ein müheloser Sieg, ohne Kampf mit nahezu einhundertprozentigem Erfolg. Ein attisches Heer, eine attische Flotte gab es nicht mehr. Sparta hatte den Peloponnesischen Krieg faktisch gewonnen – und das mit Hilfe der Flotte. Perikles und Themistokles rotierten im Grab.

 

And the winner is … Sparta

Der Rest ist schnell erzählt. Die Städte, die noch zu Athen gehalten hatten, fügten sich der Realität und öffneten Lysander die Tore. Der setzte oligarchische Führer ein, tunlichst ihm wohlgesonnene Gefolgsleute, und fuhr weiter. Allein Samos ergab sich nicht. Die Einwohner wurden dafür mit dem Bürgerrecht Athens belohnt. In den anderen Städten gab Lysander den Athenfreunden freies Geleit – bis zum Hafen von Piräus. Er kalkulierte dabei, dass diese Flüchtlinge die Lage in dem eh schon überfüllten Athen weiter verschärfen würden und eine Belagerung daher schneller erfolgreich wäre. Alle Athener und Verbündeten, die er auf einer anderen Route als der nach Piräus erwischte, mussten sterben. Im widerspenstigen Samos ließ er 50 Schiffe, mit dem Rest seiner Flotte, etwa 150 Trieren, machte er sich auf den Weg nach Athen. Agis, der immer noch in Dekelaia residierte, sollte diese seeseitige Einschließung auf dem Festland vervollständigen.

 

Im November 405 v. Chr. war der Ring geschlossen. Allerdings gingen auch die Vorräte der Belagerer zur Neige und Pausanias, der Königskollege von Agis, der die Landstreitkräfte befehligte, musste im Winter abziehen. Die Truppen des Agis, die ja dauerhaft in Attika stationiert waren, reichten allerdings aus, die Belagerung fortzusetzen. In Athen herrschte eine Mischung aus der Angst, dass die Spartaner nach einer Eroberung der Stadt die Einwohner so behandeln würde, wie es die Athener mit den Einwohnern von Naxos oder Melos gemacht hatten, und Widerstandswillen, der sich auch an der tapferen Haltung von Samos aufrichtete. Nach der Niederlage bei den Ziegenflüssen hatte man entschieden, die Verbannten, die nicht ins Lager der Feinde gewechselt waren, zurückzuholen. Kleophon war immer noch der Wortführer derer, die eine Kapitulation kategorisch ablehnten. Derweil spannen die Oligarchen Athens im Zusammenspiel mit Sparta ihr Netz.

 

Gesandte, die die Athener zu Agis nach Dekelaia schickten, um die Bedingungen für einen Frieden zu erfahren, kehrten unverrichteter Dinge zurück. Agis sei nicht zuständig. Also wurde eine Gesandtschaft nach Sparta geschickt. Dort erfuhr man, dass die Ephoren nur dann verhandeln könnten, wenn die Athener die Langen Mauern zwischen dem Hafen und der Stadt zerstören würden. So weit waren die Athener noch nicht, Kleophon rief weiterhin zum Widerstand auf. Ein General namens Archestratos (2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr.) landete im Gefängnis, weil er sich für die Annahme der Bedingungen Spartas ausgesprochen hatte. Nun trat Theramenes (um 455 bis 404 v. Chr.) auf und bot an, zu Lysander zu fahren, um zu schauen, was wohl dessen Pläne wären. Diesen Strohhalm ergriff die Volksversammlung und schickte ihn los, in der Hoffnung, er könne den Spartaner bewegen, auf die Zerstörung der Langen Mauern zu verzichten. Theramenes war Anhänger der Oligarchen und verzögerte seinen Aufenthalt bei dem spartanischen Feldherrn auf über drei Monate. Währenddessen nutze die oligarchische Partei die Zeit, die Unzufriedenheit der Bürger zu schüren. Kleophon wurde angeklagt und hingerichtet. Sicherheitshalber hatte man den zuständigen Gerichtshof ein wenig manipuliert.

 

Sodann wurde Theramenes mit einer Delegation erneut nach Sparta selbst geschickt, wo den Athenern die Leviten gelesen wurden. Sparta diktierte die Bedingungen: Niederreißen der Langen Mauern, Vernichtung der Flotte bis auf zwölf Schiffe, Rückkehr der Verbannten – in der Regel Oligarchen – und Räumung der auswärtigen Stützpunkte wie Samos. Auf dieser Basis begrüßte man Athen als neues Mitglied im Peloponnesischen Bund.

Auch Spartas Bundesgenossen waren in der Ausgestaltung der Bedingungen sehr kreativ. Die von Korinth oder Theben geforderte vollständige Zerstörung Athens lehnte Sparta mit dem Hinweis auf die Verdienste der Stadt während der Perserkriege ab. Immerhin.

Nachdem die Athener niedergerungen waren, kam es jetzt eher darauf an, dass Korinth, Theben oder jemand anderes nicht zu stark würde. Theramenes kehrte nach Athen zurück und die Volksversammlung nahm die Bedingungen an. Sie hatte keine Alternativen.

 

Das nächste Mal schauen wir dann, was Sparta aus dem Sieg und seiner Führungsrolle machte.