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(1) Vom Urknall zur Erde

Der Beginn

Über die Entstehung der Welt gibt es viele Vorstellungen.

Die phantasieloseste kommt aus der Astronomie und nennt sich Singularität. Nach dieser Theorie lässt sich die Entwicklung des Weltalls zurückrechnen auf bis zu 10−43 Sekunden vor (beziehungsweise nach) dem sogenannten Urknall. Was da geknallt hat, kann leider keiner der Wissenschaftler sagen. Da klingt dann eine Umschreibung mit dem Wort Singularität schon toll. Davor sei die Gravitation so übermächtig gewesen, dass die Krümmung der Raumzeit divergiere.

Versuch erst gar nicht, das zu verstehen. Die Erde als Scheibe von Elefanten getragen auf dem Rücken einer Schildkröte, wie es der Hinduismus sich vorstellt, das ist doch viel poetischer. Leider hören weitergehende Erklärungen, aus welcher Gegend Elefant und Schildkröte genau kommen, welche Ernährungsgewohnheiten sie haben und was die Schildkröte gegen ihre Rückenschmerzen unternimmt, dann schnell auf.

Bleiben wir also bei dem, was die Wissenschaft aktuell für das Wahrscheinlichste hält. Es gab in diesem Modell in dem Moment (darf man das sagen, wenn es keine Zeit gab?) der Singularität weder Raum noch Zeit, keine Naturgesetze, nichts. Dann knallte es und die Geschichte konnte beginnen.

 

Erste Sterne

Zu Beginn, direkt nach dem Knall, bestand das Universum nur aus Strahlung, enormer Hitze und den Naturgesetzen. Nach 30.000 Jahren formten sich die ersten Atome, die dann nach 300 Millionen Jahren begannen, die ersten Sterne zu bilden. Neue Theorien, die auf Messungen des James-Webb-Weltraumteleskops basieren, sehen die ersten Sternbildungen bereits 50 Millionen Jahre nach dem Urknall. 

Wir wollen dankbar sein, dass es bei diesem Prozess nach immerhin etwa 100 Millionen Jahren auch zur Bildung von Kohlenstoffatomen kam. Erste Sterne formten sich, deren Dichte groß genug war, dass sich drei Helium-Kerne zu einem Kohlenstoffatom verschmelzen konnten. Kohlenstoff ist der Träger der organischen Welt, ohne ihn gäbe es uns also nicht. Trotz dieser Bedeutung für uns alle sind wir froh, die 10 Millionen Grad, die es zur Kohlenstoffsynthese braucht, nicht aus der Nähe zu spüren. Immerhin ist es das Sechsfache der Kerntemperatur unserer Sonne, und die ist nicht wirklich kalt.

Ich erinnere mich dabei gerne an einen Fernsehfilm aus den 1970er Jahren. »Welt am Draht« hieß dieser. Er erzählt von einem Computerprogramm eines Forschungsinstitutes, in dem das Leben einer Kleinstadt im Rechner simuliert wird. Am Ende stellt sich heraus, dass auch die Menschen, die dieses Programm geschrieben haben, nicht wirklich existieren, dass also die vermeintlich reale Welt ebenfalls nur eine Simulation ist, die von einer »höheren Ebene« heraus gesteuert wird. Jüngere Zeitgenossen werden sich an den Film »Matrix« erinnern, der mit der gleichen Idee spielt. Vielleicht ist der Urknall also nur der Knopfdruck eines Nerds, der sein Programm startet und seither – immerhin seit etwa 13.800.000.000 Jahren – zuschaut, was alles so passiert in seiner Welt.

Er sieht, soweit wir wissen, mindestens zwei Billionen, in Zahlen: 2.000.000.000.000, Galaxien. Davon sind etwa 90 Prozent für uns aufgrund der hohen Entfernung nicht sichtbar, trotz modernster Technologien wie sie beispielsweise im James-Webb-Weltraumteleskop eingesetzt werden, das uns seit 2022 beeindruckende Bilder aus dem All liefert. In dem für Menschen sichtbaren Teil des Universums gibt es mindestens 70 Trilliarden, also 7×1022 oder ausgeschrieben 70.000.000.000.000.000.000.000 Sterne. Manche schätzen auch, dass es eine Quadrillion, also 1024 sein können. Ob es mehr Sterne oder mehr Sandkörner an den Stränden und in den Wüsten unserer Erde gibt, lassen wir mal offen, noch sehen Schätzungen hier den Sand vorne.

1,8 Milliarden dieser Sterne findest Du im »Gaia EDR3«-Katalog, der die Daten der Gaia-Raumsonde auflistet. In dem Katalog sind sage und schreibe 0,00000000000257 Prozent der 70 Trilliarden Sterne gelistet. Wenn Du mal Langeweile hast, gehe ihn gerne durch, wir machen schon mal weiter Die Dimensionen, in denen wir hier unterwegs sind, sind auf jeden Fall gewaltig.

Wie viele Schwarze Löcher es gibt, konnte auch noch kein Astronom durchzählen. Schätzungen liegen bei 4×1019, also 40 Trillionen. Es gibt auch die Theorie, dass es sich dabei um Verbindungen zwischen ineinander geschachtelten Universen handelt, eine Konstruktion wie wir sie von den russischen Matrjoschka-Puppen her kennen. Wenn dem so ist, ergäbe sich daraus die Möglichkeit, dass sich durch Gravitationskollapse auch neue Raumzeit-Blasen sozusagen ausstülpen, der Urknall für weitere, neue Universen.

Bevor Dir schwindlig wird, erinnere ich daran, dass wir hier keine Erzählung zur Astrophysik vorhaben. Wir schauen lieber weiter, was sich in unserer Universen-Weltgegend so getan hat.

 

Galaxien

Galaxien existieren aufgrund der Gravitationskraft. Denn die ersten Atome breiteten sich noch als Gaswolke aus, in der alles Material noch weitgehend gleichmäßig verteilt war. Erst mit der Zeit entstanden dann aus leichten Unregelmäßigkeiten in dieser Gleichverteilung durch die Masseanziehung Ansammlungen von Materie und zwischen diesen Zonen relativer Leere.

Wir können uns das vielleicht wie einen Schwamm vorstellen, oder wie ein dreidimensionales Spinnennetz, da die einzelnen Galaxien und Galaxienhaufen wohl durch sogenannte »Gasfäden« miteinander verbunden sind. Mit etwa zehn Teilchen pro Kubikmeter sind diese leerer als jedes von Menschenhand hergestellte Vakuum und sollen dennoch die Hälfte der für uns erkennbaren Materie enthalten. So richtig leer ist es dann nur außerhalb der Galaxien und dieser sie verbindenden Fäden.

Materie meint dabei direkt nach dem Urknall zunächst nur wenige Elemente: Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium und Beryllium. Erst durch Kernfusionen in den durch die Gravitation entstandenen Sternen konnten sich dann etwa 100 Millionen Jahre nach dem Urknall schwerere Elemente bilden.

Die gesamte Größe des Weltalls ist nicht messbar. Dafür ist das Licht mit seiner Geschwindigkeit von 300.000 Kilometer pro Sekunde einfach zu langsam. Aufgrund des Alters unserer Welt können wir immer nur in eine Entfernung von maximal 13,8 Milliarden Jahre schauen. Und was in Galaxien passiert, die eine Milliarde Lichtjahre entfernt sind, sehen wir mit genau dieser Zeitverzögerung von einer Milliarde Jahren.

Das Universum dehnt sich mit unglaublicher Geschwindigkeit aus. Pro Sekunde entfernt sich eine Galaxie, die wir im Abstand von 3,26 Millionen Lichtjahren, einem sogenannten Megaparsec, erkennen, um 74 Kilometer von uns – wenn ich denn die Hubble-Konstante richtig verstanden habe. Die Physik geht momentan von einem Durchmesser des gesamten Kosmos von 90 Milliarden Lichtjahren aus. Ein Lichtjahr sind knapp 10 Billionen Kilometer. Alles Zahlen, die meinen kleinen Kopf sprengen. Und es kommt noch schlimmer.

 

Dunkle Materie und Dunkle Energie

95 Prozent des Universums sind für uns gar nicht erkennbar, und zwar nicht, weil die Objekte zu weit entfernt sind, wie die 90 Prozent der aufgrund ihrer Entfernung nicht sichtbaren Himmelskörper. Auch wenn wir diese physikalische Hürde überwinden könnten, blieben wir größtenteils blind.

Das liegt zu einem Viertel an der sogenannten Dunklen oder Anti-Materie, deren Existenz die Wissenschaftler aus den Bewegungen der Sterne in einer Galaxie ableiten. Denn da diese insbesondere an den Rändern der Sternhaufen deutlich schneller kreisen, als es zu erwarten wäre, muss es eine Gravitationswirkung geben, die dies bewirkt. Die Forscher glauben, dass dunkle Materie die (Mit-)Ursache dafür ist. Sie ist (rechnerisch) da, aber wir können sie nicht sehen. Es wird auch noch geforscht, ob es Anti-Materie-Sterne gibt. Auch das können wir uns nicht wirklich vorstellen. Als potentielle Anwärter für Anti-Materie gelten auf der einen Seite sehr massereiche Wimps - weakly interacting massive particles -, die im Gegensatz zu "normalen" Elektronen langsam sind und nicht mit elektronischen Wellen, also auch nicht mit Licht, interagieren. Vielleicht stecken aber auch Axionen hinter der Dunklen Materie, sehr flüchtige und leichte Teilchen, die eher als Welle denn als Partikel daherkommen. Oder es ist etwas ganz anderes. Wir bleiben aufmerksam.

Gleiches gilt für die »Dunkle Energie«, die drei Viertel dieser großen Unsichtbarkeit ausmacht. Ihre Existenz leitet man von der beschleunigten Ausdehnung des gesamten Universums ab. Denn eigentlich war erwartet worden, dass sich das Universum aufgrund der Gravitationskräfte immer langsamer ausdehnt. Doch das Gegenteil ist der Fall, die Expansionsgeschwindigkeit nimmt zu.

Wir leben also in einer Welt, die wir zu 5 Prozent sehen und begreifen könnten – und damit tun wir uns insgesamt schon sehr schwer. Neben unseren intellektuellen Fähigkeiten liegt dies ganz einfach daran, dass 90 Prozent davon viel zu weit weg sind, als dass wir diese Galaxien – oder was immer es sein mag – beobachten könnten. Zudem bestehen knapp 27 Prozent aus Dunkler Materie und gut 68 Prozent aus Dunkler Energie. Möge die Macht mit uns sein, wir haben es nötig.

Wirklich sichtbar sind für uns Menschen somit nur 0,5 Prozent des Universums, soviel Alkohol darf in alkoholfreiem Bier sein. Oder platt gesagt: Wir sind blind und sehen so gut wie nichts.

 

Unser Sonnensystem

Von diesem Nichts wollen wir uns im Folgenden auf eine Galaxie (in Zahlen: 1) und dort auf einen (in Zahlen: 1) mittelgroßen, na ja eigentlich eher kleineren Planeten eines (in Zahlen: 1) der nach Schätzungen zwischen 100 und 800 Milliarden Sterne dieser Galaxie konzentrieren. Willkommen auf der Erde, in unserem Sonnensystem in der Milchstraße.

Deren Kern entstand vor 13 Milliarden Jahren, etwa 800 Millionen Jahre nach dem Urknall. Wir leben also in einem älteren Viertel unseres Universums, auch wenn es in der Zwischenzeit einige Anbauten gegeben hat, wie etwa einen Zusammenstoß mit einer kleineren Galaxie vor 11 Milliarden Jahren.

Die tiefere Vergangenheit liegt, je weiter wir zurückschauen, in einem Nebel von Ungewissheit und Vermutung. Das ist allerdings nicht der Grund, warum unsere Sonne aus einem Nebel entstanden ist. Diese Nebel rührte nicht aus Unwissenheit, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Sternenexplosion her. Es gibt die Theorie, dass dies im Nachgang zu einer Kollision unserer Milchstraße mit der Sagittarius-Zwerggalaxie geschah. Immerhin haben sich die Wege dieser beiden Galaxien in den letzten sechs Milliarden Jahren bereits drei Mal gekreuzt. Ein lieber Bekannter für uns – aus galaktischer Perspektive betrachtet.

Durch die Gravitationskraft und durch Materiezufuhr von außen zum Beispiel durch Asteroiden verdichtete sich dieser Nebel und wurde schließlich zur Sonne. Das alles passierte vor etwa 4,6 Milliarden Jahren, also 9,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall.

Aus dem verbliebenen Staub des Nebels entstanden die Planeten des Sonnensystems und kleinere Asteroiden. Aus Sicht der Sonne war das allerdings Kleinkram, denn aufgrund ihrer Gravitationskraft vereinte sie 99,9 Prozent der Masse des gesamten Systems in sich.

Die Bildung der Planeten zog sich etwas hin. Die Staubkörner des Nebels hatten Millimetergröße und es dauerte etwa 10 Millionen Jahre, bis sich Brocken mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern gebildet hatten, sog. Planetesimale. Du hast den Begriff noch nie gehört? Mach' Dir keine Sorgen, bis sich das nächste Mal in unserer Region eine Sonne mit Planeten bildet, wird es noch ein wenig dauern.

Nach etwa 100 Millionen Jahre war die Planetenbildung abgeschlossen. Manche Planetesimale schafften es nicht, irgendwo anzudocken, und so irren sie noch heute als Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und ganz weit draußen, jenseits des Pluto heimatlos durch das kalte Weltall.

In den Planeten selbst wurde es wärmer, zum einen durch Kollisionen mit anderer Materie – vom Staubkorn bis zum Asteroiden -, zum anderen durch gravitativen Druck. Dieser zog die schweren Metalle wie Eisen und Nickel, in den Kern und beließ die leichteren, wie Silizium, Aluminium oder Sauerstoff, im äußeren Mantel.

Die gasförmigen Elemente, insbesondere Wasserstoff und Helium, verflüchtigten sich. Allerdings nicht vollständig und nicht überall. Bei den sonnennahen Planeten wie Erde, Venus und Mars konnte sich eine Atmosphäre bilden, da sie aufgrund ihrer Größe genügend Schwerkraft aufwiesen, um auch flüchtige Stoffe zu halten.

 

Die Erde

Zu Beginn glichen sich Venus und Erde sogar hinsichtlich ihrer Atmosphäre. Die Venus verlor jedoch aufgrund der größeren Nähe zur Sonne und den damit verbundenen höheren Temperaturen nach und nach alles Wasser.

Die Erde konnte diese Inkontinenzschwäche vermeiden oder zumindest kompensieren. Das war nicht unwichtig. Denn die Ozeane haben später das Kohlendioxid aufgenommen und die Voraussetzungen für eine lebensfreundliche Umwelt geschaffen. Wie sich das Leben auf unserem Planeten entwickelt hat, werden wir später noch eingehend beleuchten.

Es gibt auch die Theorie, dass der Wasserstoff in den Mengen, wie wir ihn auf der Erde finden, von außen durch sogenannte Enstat-Chondrit-Meteorite auf die Erde gelangt sei. So seien die Verluste, wie es sie auf der Venus gegeben hat, ausgeglichen worden. Zwei Prozent unseres Planeten bestehen aus Wasser, das Volumen könnte durchaus durch Einschläge von außen auf die Erde gelangt sein. Zudem finden wir im Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars zum Beispiel den Asteroiden Vesta, der Wasser in einer Isotopenstruktur enthält, die identisch zu der des Wassers auf der Erde ist. Ein Indiz, kein Beweis.

Gut, vor ungefähr viereinhalb Milliarden Jahren bildete sich also der Ursprung unserer Erde. Durch viele Treffer von Asteroiden und durch das Einsammeln des Sternenstaubes war ein veritabler Planet, Gaia genannt, gewachsen. Um daraus die Erde werden zu lassen, gebrauchte es allerdings noch eine große Kollision.

Theia kam zu Besuch und wollte bleiben. Theia war nicht irgendwer, sondern ein Asteroid in Planetengröße, der (seitlich) mit Gaia, kollidierte. Dabei wurden ein Teil des Mantels von Gaia und ein Teil von Theia herausgeschleudert. Aus beiden zusammen entstand praktisch sofort (sagen die Astronomen, 100 Jahre wird es wohl noch gedauert haben) der Ur-Mond.

Dass es sich um keine frontale Kollision gehandelt haben muss, schließen die Forscher aus der Tatsache, dass es auf dem Mond kein Eisen gibt, der eisenhaltige Erdkern durch die Kollision also nicht betroffen war.

In den nächsten 10.000 Jahren bildeten sich dann Stück für Stück die uns bekannten Himmelskörper Terra und Luna mit ihren heutigen Abständen und Rotationsgeschwindigkeiten heraus.

Bevor wir uns jetzt näher mit dem befassen, was auf der Erde so passiert ist, wollen wir noch einen kurzen Blick in die weitere Zukunft werfen, wir haben uns gerade so schön an die Milliarden-Jahres-Zeiträume gewöhnt.

Die Sonne wird in gut sieben Milliarden Jahren zu einem sogenannten Roten Riesen anschwellen, ihre Ausdehnung wird so groß sein, dass Merkur und Venus in ihr verschwinden.

Dass wir dann die Venus nicht mehr als Abend- oder Morgenstern begrüßen dürfen, sollte uns aber nicht traurig machen. Denn unsere Sonne wird bereits in 900 Millionen Jahren so groß geworden sein, dass bei einer Steigerung der mittleren Oberflächentemperatur von einhundert Prozent auf schlappe 30 °C kein höheres Leben auf der Erde mehr möglich sein wird.

Nach 600 Millionen Jahren als Roter Riese wird der Brennstoff unseres Sterns verbraucht sein und sie wird zu einem weißen Zwerg zusammenschrumpfen. Das ist alles noch ein bisschen hin, Du kannst also getrost weiterlesen, es lohnt sich noch.