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(143) Probleme im Westen, Behauptung im Osten

Kampf um den Thron

Nachdem wir das letzte Mal mit Leo III. einen durchaus erfolgreichen Kaiser erleben durften, wollen wir nun schauen, ob Konstantinos V., bereits seit 720 ebenfalls mit dem Kaisertitel ausgestattet, es seinem Vater gleichtun konnte. Nun sass er alleine auf dem Thron und es war nicht unbedingt gemütlich. Sein Schwager Artabasdos, den wir das letzte Mal als Mitusurpator gegen Theodosios III. erlebt hatten und der jetzt mit Leos Tochter Anna (um 715 bis 773) verheiratet war, griff nach der Macht. Konstantinos musste in die Berge Isauriens fliehen. Erst im Mai 743, nach anderthalb Jahren im Exil, gelang es ihm, die Streitkräfte des Usurpators zu schlagen und auf den Thron zurückzukehren. Artabasdos und seine zu Mitkaisern erhobenen Söhne wurden geblendet und in ein Kloster bei Konstantinopel gesteckt.

 

Erfolge im Osten

Danach hatte Konstantinos Zeit, sich um sein Reich zu kümmern. Sein Augenmerk richtete sich vor allem nach Osten. Er knüpfte ein Bündnis mit den Chasaren, indem er Tzitzak (gest. um 750), die Tochter des Khagans Bihar (um 717 bis 737/740, reg. 732 bis 737), heiratete, die sich nach der Hochzeit Eirene, in den Büchern häufig auch: Irene, nannte. Ebenso wie sein Vater reformierte Konstantinos die Armee und die Struktur der Themen. Um künftigen Usurpationen vorzubeugen, schuf er Gardeeinheiten, sogenannte tagmata (Singular: tagma), die verteilt stationiert waren und direkte Loyalität zum Kaiser garantieren sollten. In ihnen ging auch die von Leo I. gegründete Garde der excubitores auf.

 

Um den immer wiederkehrenden arabischen Überfällen entgegenzutreten, entvölkerte er die Grenzregion bzw. tauschte die dort lebenden Menschen gegen wehrhafte Bauernsoldaten oder ähnliche Kräfte aus, zu einem nicht unerheblichen Teil im Tausch mit der Bevölkerung an der bulgarischen Grenze im Balkan. Bereits 743, also direkt nach seiner eigentlichen Thronbesteigung, griff er das Gebiet des Kalifats an. Und hatte Erfolg. Dabei kamen ihm innerarabische Machtkämpfe zugute, die den 750 vollzogenen Wechsel von der Dynastie der Umayyaden zu den Abbasiden begleiteten. So gewann er 746 Germanikeia, heute Kahramanmaraş, in Südanatolien, konnte 747 eine arabische Flotte vor Zypern bezwingen und marschierte 752 gen Osten und eroberte Metilene und Theodosiupolis, heute Malatya und Erzurum in Ostanatolien. Weitere Erfolge bis hinein in den Libanon sicherten die Ostgrenze.

 

Ein früher Tod

Auch auf dem Balkan blieb die Lage angespannt. Bündnisse und Zwistigkeiten wechselten einander ab. So stand Khan Kormisosch (reg. 753/754 bis 756) im Jahr 755 sogar vor den Mauern Konstantinopels. Wir müssen hier allerdings auch hier mit den Namen und Jahreszahlen etwas vorsichtig sein, es gibt durchaus auch andere Zuordnungen in der bulgarischen Herrscherliste.

 

Richtig kümmerte sich Konstantinos um die Slawen und Bulgaren erst nach den Erfolgen im Osten, also in den 760/770er Jahren. Auch wenn nicht jeder Feldzug siegreich beendet wurde, konnte auch die Grenzregion im Balkan gesichert werden. Allerdings endete die Sache für ihn nicht so gut. Am 14. September 775 starb er zu Beginn eines neuen Feldzugs, den er gegen Khan Telerig (reg. 768 bis 777) führen wollte, der sich mit byzantinischen Überläufern zusammengetan hatte.

 

Der Westen geht verloren

Die weiter westlich gelegenen Gebiete des Reiches gerieten dagegen zunehmend aus dem Fokus. Byzanz entwickelte sich immer mehr zu einem nach Osten ausgerichteten Reich. 751 war das Exarchat Ravenna an die Langobarden gefallen, ein machtvolles Eingreifen des Kaisers war kaum möglich. Das hatte sich ja bereits in den vorangegangenen Jahren angedeutet.

 

Auch Konstantinos' scharfer Kurs gegen die Bilderverehrung zeigt uns die wachsende Kluft zwischen Ost und West. Seine Politik war nicht allein theologisch motiviert, gründend auf dem Gedanken, dass sich das göttliche Wesen Jesu nicht in Bildern darstellen lasse, sondern mindestens ebenso stark machtpolitisch.

 

Der Kaiser wehrte sich gegen eine gewisse Tendenz junger Männer, Mönch zu werden, um dem Militärdienst zu entgehen, und suchte über das Mittel des Bilderstreits mehr Einfluss auf die Kirche zu bekommen. So berief er 754 das Konzil von Hiereia bei Konstantinopel ein.  338 Bischöfe erklärten dort die Bilderverehrung zur Häresie. Leider fehlten Patriarchen und Vertreter des Papstes, so dass die Wirkungsmächtigkeit dieses Beschlusses eher gering blieb.

 

Was geschah bei der Taufe des Kaisers?

Der Papst merkte auf jeden Fall, dass er sich immer weniger auf den politischen Schutz des Kaisers in Konstantinopel verlassen konnte. So wandte er sich stärker dem aufstrebenden Reich der Franken zu. Papst Zacharias (gest. 752, amt. 741 bis 752) krönte 751 Pippin zum König der Franken, Leo III. (der Papst, wohlgemerkt) dann 800 Karl zum Kaiser. Der Kaiser saß dann aus Sicht der Päpste in Aachen und nicht mehr in Konstantinopel.

 

Bei seinen Gegnern kam Konstantinos Kampf gegen die Bilder nicht so gut an. Sie gaben ihm den Beinamen »der Mistnamige« (Koprónymos) und verbreiteten, dass er bei seiner Taufe in die Windeln gemacht habe. Schwerere Vorwürfe sind kaum denkbar.

 

Der Kaiser baut einen Kreißsaal

Bevor wir weitergehen, wollen wir noch auf eine Tradition hinweisen, die Konstantinos begründete. Er baute einen Kreißsaal, der mit kostbarem Porphyrstein aus der östlichen Wüste Ägyptens ausgelegt war und in dem fortan die legitimen Familienmitglieder geboren werden sollten. Diese waren dann entsprechend der Farbgebung des Porphyrs »Purpurgeborene«, eine Eigenschaft, die bei Thronstreitigkeiten von Wichtigkeit war und die daher über das byzantinische Kaiserhaus hinaus für Herrscherkinder Verwendung fand, die während der Regierungszeit ihres Vaters geboren wurden.

 

Leo IV. - ein kurzer Auftritt

Konstantinos Sohn Leo IV. (750 bis 780, reg. 775 bis 780) konnte den Titel eines »Purpurgeborenen« nicht beanspruchen. Zum einen hatte er nicht während der Regierungszeit seines Vaters, sondern bereits 750, das Licht der Welt erblickt und zum anderen naturgemäß auch nicht in dem porphyrenen Kreißsaal.

 

In seiner relativ kurzen Regierungszeit konnte er die in Kleinasien wieder vordringenden Araber 778 klar besiegen. Auch gegen die Bulgaren behauptete er sich. Da seine Frau Irene Sarantapechaena von Athen (752 bis 803, reg. 797 bis 802) Bilder verehrte und der Kaiser anscheinend ein liebender, rücksichtsvoller Ehemann war, ließ der Druck des Bilderstreits deutlich nach. Wir müssen aber auch hier – wie immer – beachten, dass die Geschichtsschreibung nie objektiv erfolgt und unsere Quellen nicht aus der Fraktion der Ikonoklasten kommen und insofern die Taten der Vorgänger Leos im Zweifel über Gebühr dramatisieren. Wie auch immer, Leo setzte im Februar 780 wieder einen bilderfreundlichen Patriarchen von Konstantinopel ein. Kurz darauf starb er, wie sein Vater auf einer Expedition gegen die Bulgaren.

 

Der sechste Konstantin

Sein um 771 geborener Sohn Konstantinos (771 bis vor 805, reg. 780 bis 797) folgte ihm als der sechste seines Namens auf den Thron. Er regierte bis 797, in den ersten Jahren noch unter der Regentschaft seiner Mutter Irene. Pläne, ihn mit Rotrud (etwa 775 bis 810), der ältesten Tochter Karls des Großen, zu verheiraten, zerschlugen sich – angeblich war Irene letztlich dagegen. Allein der Gedanke zeigt uns aber, dass die Newcomer aus dem Nordwesten so langsam auf Augenhöhe mit den ehrwürdigen Byzantinern und ihrer 1500jährigen Geschichte kamen.

 

Bilder - Anbeten oder Verehren?

Zwischen beiden stand – nicht nur geographisch betrachtet – der Papst. Wir haben schon gesehen, dass der byzantinische Einfluss in Italien immer mehr zurückging. Die Rolle als Schutzmacht für den Heiligen Stuhl konnte von Konstantinopel nicht mehr geleistet werden. Zudem lag man im Clinch, da gerade in Rom die Kirchen sehr prachtvoll mit Bildern geschmückt waren. Die »bilderstürmenden« Kaiser im Osten fanden insofern wenig Freunde. Auch dass Leo III. (der Kaiser) die süditalienischen Güter und Bistümer dem Papst weggenommen hatte, war ein Punkt auf der Liste.

 

Konstantinos VI. versuchte 787, durch ein Konzil in Nikaia, nach 325 das zweite an diesem Ort, die Einheit der christlichen Kirche(n) wiederherzustellen. Zumindest ein Teilerfolg gelang. Der Papst unterschrieb die Beschlüsse. Ein bedeutender Teil seiner Schäfchen war kritischer. Auf dem Konzil war zwar die Verehrung, aber nicht die Anbetung von bildlichen Darstellungen erlaubt worden. Es ist klar, dass es hier nun allenthalben fröhliche Auslegungen gab. Wir sparen uns die Diskussion.

 

Trotz der getroffenen Einigung, die durchaus im Sinne des Westens war, war Karl der Große ungehalten. Manche unterstellen ihm, dass ihn störte, auf einer Ebene mit der Regentin Irene gestellt zu werden, einer Frau, horribile dictu. Das würde allerdings wenig zu einem Pragmatiker wie Karl passen. Vielleicht schwang da eher die abgesagte Hochzeit zwischen Konstantinos und Rotrud mit – oder, dass keine fränkische Delegation zum Konzil nach Nikaia eingeladen worden war.

 

Die Mutter will mehr

Als Konstantinos älter wurde, bekam er zunehmend Stress mit seiner Mutter. Irene fand das Regieren ganz nett und konnte nicht loslassen. 790 wollte sie sich sogar zur Alleinherrscherin aufschwingen, was aber an dem Protest insbesondere der armenischen Soldaten unter Führung des strategos Alexios Musele (gest. nach 792) scheiterte. Irene wurde abgesetzt, 792 allerdings von ihrem Sohn rehabilitiert. Dies war ein Fehler, wie sich fünf Jahre später herausstellen sollte.

 

797 zettelte die Mutter nämlich eine Rebellion gegen die Herrschaft ihres Sohnes an und hatte Erfolg. Konstantinos wurde am 19. April 797 vom Thron vertrieben und geblendet. Von der Nase war man ja mittlerweile auf die Augen umgestiegen. Er starb an den zugefügten Wunden. Wir schütteln uns bei soviel Mutterliebe ein wenig. Da er innen- wie außenpolitisch wenig Erfolge vorzeigen konnte, hatte Irenes Rebellion viele Anhänger und eben auch Erfolg.

 

Von 797 bis 802 stand nun eine Frau offiziell an der Spitze des Byzantinischen Reiches. Irene nannte sich Kaiserin, basilissa. Den eigentlichen Kaisertitel, basileus, nutzte sie nur selten. Aber es war eigentlich allen klar, dass sie auf dem Thron saß und den Kaiser(innen)titel beanspruchte. Leider müssen wir sagen, dass auch sie hier wenig Fortune bewies. Ihr halfen die Eunuchen Aetios (gest. vielleicht 811) und Staurakios (gest. 800), aber viel brachte diese Unterstützung nicht. Mit Kalif Harun ar-Raschid (um 766 bis 809, reg. 786 bis 809), der bereits 780, zu der Zeit noch als General, auf byzantinischem Gebiet erfolgreich unterwegs gewesen war, musste ein Friedensvertrag geschlossen werden, der Konstantinopel hohe Tributzahlungen abverlangte.

 

Zwei Kaiser, keine Kaiserin

Und dann war es verwirrend, was am Weihnachtstag 800 in Rom passierte. Dass Papst Leo III. Karl den Großen zum Kaiser krönte, stand in keinem Drehbuch. Zwar hatte es ja immer wieder mehrere Kaiser gegeben, wir denken an die Tetrarchie Diocletians. Auch in den Jahren nach Theodosius I. hatte es mit Honorius und Arcadius und ihren Nachfolgern zwei Kaiser gegeben, die sich aber immer noch als zu einem Reich zugehörig betrachteten. Zwei Kaiser in gänzlich unterschiedlichen Reichen, das war neu. Noch schwieriger zu begreifen war, dass die Kaiserkrönung Karls durchaus mit Bezug auf das Römische Reich erfolgte. Den Thron in Konstantinopel sah der Papst als verwaist an, er leugnete das Problem also einfach. In Konstantinopel schaute man sich in die Augen. Usurpationen waren ja nun wirklich nichts Neues, aber ein Usurpator, der gar nicht an dem Thron in der eigenen Hauptstadt interessiert war, das war schwierig zu begreifen.

 

Irene musste sich nicht lange mit dem Thema beschäftigen. 802 griff der Schatzmeister Nikephoros (um 760 bis 811, reg. 802 bis 811) nach der Macht und schickte die Basilissa nach Lesbos ins Exil. Damit endete die von Leo III. begründete syrische Dynastie und wir begeben uns in ein neues, das 9. Jahrhundert. Das Byzantinische Reich hatte sich gegen die Araber behauptet. Anders als die Sassaniden in Persien, lebte es noch, wenn auch deutlich geschrumpft. Man schaute nach Kleinasien und auf den südlichen Balkan. Der Rest war Ausland. Aber es kommen ja immer auch andere Tage. Und die schauen wir uns das nächste Mal an.