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(132) Eine Kaisermacher und drei Kaiser

Aspar macht Kaiser (1)

Wie ihre westlichen Kollegen stützten sich auch die oströmischen Kaiser auf mächtige Heermeister. Gainas als Gefolgsmann von Arcadius ist uns schon kurz über den Weg gelaufen, als wir bei dem Hunnen Uldin waren. Theodosius II. machte den alanischstämmigen Flavius Ardaburius Aspar zum führenden Heermeister. Dieser nahm dann nachhaltig Einfluss auf die Politik im Reich.

 

Aspar sollte sich in den nächsten Jahren als Königsmacher bewähren – und scheiterte am Ende doch. Zunächst zeigte er Mut und Erfolge bei Kämpfen gegen Vandalen, Hunnen und gegen die Perser. So erlangte er den Posten als Heermeister und konnte nach Theodosius' Tod seinem Kandidaten Markian bei der Kaiserwahl helfen. Vorsichtshalber heiratete dieser kurz vorher noch Aelia Pulcheria, die mittlerweile 51-jährige Schwester des verstorbenen Theodosius, die wir als Regentin schon kennenlernen durften. Ob sie für Markian ihr Keuschheitsgelübde aufgab, wissen wir nicht. Offiziell galt die Verbindung als sogenannte Josefsehe, d.h. die beiden kamen sich nicht wirklich nahe. Markian regierte von 450 bis 457 durchaus erfolgreich. Die Zeit war ruhig, er konnte Steuern senken und dennoch die Finanzen konsolidieren und mit dem Konzil von Chalkedon auch religionspolitisch einen wichtigen Punkt setzen.

 

Markian: Ruhe im Osten …

Auch das Ende der hunnischen Bedrohung fiel in Markians Regierungszeit. Auf seine Weigerung, Attila die bisher üblichen Tributzahlungen zu leisten, folgte der Zug der Hunnen nach Westen, die Niederlage auf den Katalaunischen Feldern, Attilas Tod 453 und der nachfolgende Zerfall des hunnischen Reiches. Im Osten hielt sich Markian zurück. Auch als der persische Großkönig Yazdegerd II. (gest. 457, reg. 438/439 bis 457) im Jahr 451 Probleme mit einem Aufstand der christlichen Armenier hatte, versuchte er nicht, dies auszunutzen. Im Süden konnte er die Grenze gegen die nubischen Blemmyer halten, die wir aus diesem Anlass auch noch einmal erwähnen können.

 

… und im Westen

Interessant war seine Politik gegenüber dem Westteil des Reiches. Erst wollte der dort herrschende Valentinian III. Markian nicht anerkennen, zumal er bei der Entscheidung, diesen zum Kaiser zu wählen, nicht eingebunden war. Attila als gemeinsamer Feind sorgte dann doch dafür, dass er – allerdings erst 452 – einlenkte.

 

Nach Valentinians Tod pochte Markian im Gegenzug nicht darauf, im Westen groß Einfluss zu nehmen. Zwar sah er sich formal als augustus für das gesamte Reich, schickte bei äußeren Bedrohungen auch Hilfe, beispielsweise gegen die Vandalen, überließ den westlichen Reichsteil aber ansonsten sich selbst und seinen inneren Kämpfen. Faktisch waren es eben doch schon zwei Reiche mit unterschiedlichen Interessen. Markians plötzlicher Tod am 27. Januar 457 war insofern kein Glücksfall.

 

Immerhin waren die Schatztruhen mit über einhunderttausend Goldpfund gut gefüllt. Noch lange rief man Kaisern bei ihrem Herrschaftsantritt »Herrsche wie Markian« zu.

 

Markians Erfolg war auch Aspars Erfolg gewesen. Der alanische Heermeister hatte bewiesen, dass er nicht nur Schlachten gewinnen, sondern auch Kaiser machen konnte. Als nun erneut ein Thronwechsel anstand, sah Aspar seine Chance gekommen, seine Macht weiter auszubauen.

 

Aspar macht Kaiser (2)

Ähnlich wie in Ägypten gab es auch im Byzantinischen Reich Dynastien, die uns ein wenig als Wegmarken dienen könnten, wenn wir die kommenden tausend Jahre durchschreiten. So beginnt 457 mit Flavius Valerius Leo nach der Valentinianisch-theodosianischen Dynastie die Thrakische, so benannt, weil Leo aus Thrakien stammte.

 

Königsmacher blieb Aspar, auch für Leo I. Dieser war im Gegensatz zum arianischen Aspar Katholik. Machtkalkül schlägt meist religiöse Überzeugungen, diese dienen dann nur der Verbrämung der eigentlichen Absichten. Das galt für Aspar, aber auch für Leo.

 

Aspars Idee war, seinen Sohn Patricius langfristig als Nachfolger aufzubauen. 470 wurde dieser auch caesar und damit Thronfolger. Aspar selbst war als Konsul, princeps senatus und patricius mit allen möglichen verfügbaren Titeln ausgestattet. Man hätte denken können, es lief für ihn alles wie gewünscht. Dachte er selbst wahrscheinlich auch. Er hatte die Rechnung allerdings ohne Leo gemacht.

 

Leo macht sich selbständig - als Schlachter?

Der war mit etwa 50 Jahren an die Macht gekommen. Als erfahrener Heerführer ließ er sich nicht so einfach an der Nase durch den Ring führen. Es dauerte zwar ein wenig, aber spätestens Mitte der 460er Jahre baute Leo eine eigene Garde, die excubitores, auf. Dabei setzte er stark auf Männer aus dem Volk der Isaurier. Das war ein nördlich des Taurusgebirges siedelndes Bergvolk aus dem Süden Kleinasiens. Sie waren als wild und barbarisch bekannt, sollten aber in den kommenden Jahrzehnten eine Schlüsselrolle in der byzantinischen Militärorganisation spielen. Sie als kaiserliche Garde zu akquirieren, das war eine mutige Idee Leos.

 

Leo hatte nun eine eigene Machtbasis, die er stetig ausbaute. Insbesondere einen Herren namens Tarasicodissa, den wir als Zenon kennen, förderte er, verheiratete ihn sogar mit seiner Tochter Aelia Ariadne. Das ist eine andere als die mit dem Faden, wir sind ja doch schon ein wenig weiter in unserer Geschichte.

 

Für Aspar begann es langsam ungemütlich zu werden. Schon 466/467 wurde sein Sohn Ardabur (gest. 471, amt. 447), seines Zeichens Heermeister für den Orient des Hochverrats beschuldigt und abgesetzt, ein Menetekel, das Aspar nicht lesen konnte. Er versuchte weiterhin, seine Familie zu protegieren. Ardaburs Bruder wurde – wie beschrieben – noch 470 zum Thronfolger ernannt. Doch Leo meinte das nicht so ernst. Bereits im Folgejahr entledigte er sich des ehrgeizigen Königsmachers. Er wurde 471 zusammen mit seinen Söhnen von Leos Garde erschlagen. Leo erhielt übrigens den Beinamen ho Makelles, was sich schlicht mit »der Schlächter« übersetzen lässt. Wir ahnen, warum.

 

Die Entscheidung gegen Aspar kam bei den Goten, auf die dieser sich vornehmlich gestützt hatte, nicht so gut an. Nachdem bereits 468 die Wiedereroberung Nordafrikas gescheitert war – wir erinnern den unglücklichen Feldherrn Basiliskos, dessen Flotte Geiserich durch Brander zerstören ließ – musste sich Leo nun verstärkt um den Balkan kümmern. Die Geschichte mit Theoderich Strabo hast Du vielleicht noch im Gedächtnis. Der andere Theoderich, aus dem später der Große werden sollte, war von etwa 459 bis 469 als Geisel am kaiserlichen Hof in Konstantinopel, ein freundlich gemeinter Deal, der noch aus Aspars Zeiten stammte.

 

Der Vater beerbt den Sohn

Auf Leo I. folgte sein gleichnamiger Enkel Leo II., der jedoch noch 474, im Jahr seiner Thronbesteigung, starb. Ihn beerbte – eher unüblich, nicht nur bei Kaisers – sein Vater, der uns bereits bekannte Isaurier Zenon. Er hatte es nicht leicht, musste kurz nach seiner Thronbesteigung für gut anderthalb Jahre nach Antiochia ins Exil gehen, da er weder beim Volk noch in der Aristokratie über irgendeinen Rückhalt verfügte. Der gewaltsame Tod Aspars und seiner Söhne war nicht vergessen und den barbarischen Isauriern konnte man trotz ihres römischen Bürgerrechts nicht wirklich trauen. Zumindest auf dem Thron schien so jemand als eine vollkommene Fehlbesetzung. So zog sich Zenon erst einmal taktisch zurück, baute seine Armee weiter auf und wartete ab, was in Konstantinopel so veranstaltetet wurde.

 

Basiliskos scheitert mal wieder

Dort vesuchte sich der unglückliche Feldherr Basiliskos als Herrscher. Er war der Bruder von Verina, der Witwe des verstorbenen Leo I., also ein für die Aristokraten der Hauptstadt akzeptabler Kandidat. Schein und Sein passen nicht immer. Basiliskos' Fähigkeiten waren leider eher von der sehr übersichtlichen Sorte, so dass ihm zumindest die Armee schnell nicht mehr folgte. General Flavius Illus kündigte mit seinen Truppen die Gefolgschaft, selbst Basiliskos Neffe Flavius Armatus (gest. 477) meinte, bei Zenon auf der sichereren Seite zu sein. Diese Einschätzung war allerdings aus seiner persönlichen Sicht schlichtweg falsch.

 

Zenon setzt sich durch

Zenon sah seine Zeit gekommen und zog nach Konstantinopel. Er nahm die Stadt ohne Gegenwehr und sorgte dann für Ordnung. Basiliskos wurde verbannt, was er nicht lange überlebte. Armatus hoffte noch auf seine Karriere, insbesondere nachdem sein Sohn zum caesar avancierte. Nach einem Jahr war es dann aber aus. Der gerade erst berufene caesar wurde seines Amtes enthoben und zum Priester gemacht, sein Vater wurde ermordet. Wenn man schon als Barbar verschrien ist, will man die Leute ja auch nicht enttäuschen, mag sich Zenon gedacht haben. Auf jeden Fall sind Menschen, denen ihr eigenes Fortkommen wichtiger ist als irgendwelche Loyalitäten für jeden Herrscher eine potentielle Gefahr. Da baut man besser schon mal vor.

 

Lavieren im Westen

Im Westen endete 476 mit der Machtübernahme von Odoaker das Weströmische Reich. Zenon hielt natürlich an der Fiktion eines Gesamtreiches fest. Für ihn blieb weiterhin Julius Nepos der rechtmäßige Herrscher im Westen. Der war ja von Leo I. zum Westkaiser ernannt worden, hatte Italien dann aber schnell wieder verlassen müssen. Zenon konnte nun seine Meinung zwar Ravenna kund und zu wissen geben. Die Macht, seinen Kandidaten wieder wirklich auf den Thron zu bringen, hatte er nicht. 468 war der teure Kriegszug gegen die Vandalen verloren gegangen, die Staatskasse war leer und der uns bekannte Zwist zwischen den beiden gotischen Theoderichs war das naheliegendere Problem. Wir wollen diese Geschichte hier nicht erneut erzählen, erinnern aber, dass Zenon beiden wechselweise hohe Titel gab – eher wohl: geben musste – und sich so durch die Zwistigkeiten durchlavierte, bis es gelang, die Goten Richtung Italien zu schicken.

 

Mit dem Vandalenherrscher Geiserich schloss er einen foedus-Vertrag, der die Römer vor vandalischen Übergriffen, die immer mehr nervten, bewahrte.

 

Kurze Freundschaft mit den Persern

Im Osten blieb es halbwegs ruhig. Erst einmal hatten die Sassaniden mit den Hephthaliten, einem in Zentralasien siedelnden Volk, zu tun. Diese konnten 474 sogar den Großkönig Peroz I. (gest. 484, reg. 459 bis 484) gefangen nehmen, der sich dann von Zenon freikaufen lassen musste. Diese Hilfe hätten wir bei der langen kriegerischen Vorgeschichte zwischen Römern und Persern nun wirklich nicht erwartet. Die Freundschaft zwischen Römern und Persern war auch nur von kurzer Dauer. Zenon versuchte später, aus dem Tod von Peroz – gefallen 484 in einem erneuten Kampf mit den Hephthaliten – Kapital zu schlagen und die Übergabe der häufig umkämpften Stadt Nisibis zu erzwingen. Peroz‘ Nachnachfolger Kavadh I. (473 bis 531, reg. 488 bis 496 und 499 bis 531) konnte dies verhindern und forderte seinerseits Tribute vom römischen Kaiser. Die Dinge begannen sich doch hochzuschaukeln. Zenons Nachfolger Anastasius musste dann auch wieder Krieg führen.

 

Unruhe im Reich

Neben Goten und Persern musste sich Zenon hauptsächlich mit der Innenpolitik herumschlagen. Die schwierige Religionspolitik, die im Akakianischen Schisma kulminierte, wollen wir nicht noch einmal hochziehen, sie war aber über all die Jahre ein prägendes Thema. Zenon hatte daneben aber auch immer wieder mit seiner Akzeptanz zu kämpfen.

 

Seine Schwiegermutter Verina intrigierte weiter, einen Aufstand konnte der loyale General Illus 479 niederschlagen, nur um selbst im Jahr 483 darauf an der Spitze eines Aufstands zu stehen. Zenon schickte den verdienten Militär Leontius (gest. 488) zur Vermittlung zu Illus, der diesen jedoch auf seine Seite ziehen und sogar zum Kaiser ausrufen konnte. Sein Plan, sich durch ein Bündnis mit den Persern die notwendigen Mittel für den Kampf gegen Zenon zu besorgen, schlug allerdings fehl, so dass sich die Aufständischen nach Isaurien in die Bergfestung Papyrios zurückziehen mussten. Dort konnten sie sich noch vier Jahre bis in den Herbst 488 halten.

 

Am 9. April 491 starb Zenon. Er hinterließ trotz aller Kritik an seiner Herkunft ein stabileres Reich, als er es vorgefunden hatte. Insbesondere das Gotenproblem war gelöst, wenn auch zu Lasten jeder Chance, in absehbarer Zeit wieder Zugriff auf den Westteil des Reiches zu bekommen.