Die Sueben haben wir am Jahreswechsel 406/407 gemeinsam mit Alanen und Vandalen den Rhein überqueren sehen. Ihre Geschichte lässt sich einfacher erzählen als die der Westgoten, Vandalen oder Franken. Wir werden also mit einer Blogfolge auskommen.
Herkunft
Der Name der Sueben ist seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. belegt. Wie bei allen Völkern ist ihre Ethnogenese nicht klar nachzuvollziehen. Ob die Bezeichnung das Mare Suebicum für die Ostsee auf ein Siedlungsgebiet ihrer Vorfahren im Ostseeraum deuten lässt? Das mag sein, ist aber nicht zu beweisen. Auf jeden Fall waren die frühen Sueben ein angesehener Stamm. Viele germanische Stämme waren stolz darauf, sich als »Sueben« zu bezeichnen.
In der Kaiserzeit folgte eine Phase, in der wir eher von Quaden und Markomannen hören. Tacitus nennt 98 n. Chr. neben diesen viele Stämme, die zum Volk der Sueben zählen, beispielsweise auch die Langobarden. Erst im 4. nachchristlichen Jahrhundert taucht der Name der Sueben selbst wieder häufiger in den Überlieferungen auf, vielleicht als Stammeseinheiten, die aus den Quaden und Markomannen hervorgegangen sind, sich aber gegenüber diesen abgrenzen wollten. Bei der Vielfalt der Nutzung dieses Namens wundert es nicht, dass wir Sueben in der Slowakei finden, wo ein Verband unter einem gewissen Hunimund (um 465) 469 bei Bolia den Ostgoten unterlag, nach Westen floh und sich dort den Alemannen anschloss. Drei Jahrhunderte zuvor finden wir die Neckarsueben in der Gegend zwischen Mannheim und Heidelberg, wo sich eine Ortschaft Ulpia Sueborum Nicretum befunden hat. Dies alles spricht eher für die vielfältige Nutzung eines prestigeträchtigen Namens als für eine konsistente Entwicklung eines einheitlichen Volksstamms. Wer also genau 406/407 den Rhein überschritt und sich als Suebe bezeichnete, das wissen wir nicht.
Die Sueben in Spanien
Gemeinsam mit Vandalen und Alanen zogen diese Sueben nach dem Rheinübergang plündernd durch Gallien und erreichten 409 Hispanien. Bei der wie auch immer im einzelnen gelaufenen Aufteilung der Halbinsel erhielten sie die Provinz Gallaecia, also den Nordwesten, mit dem heute portugiesischen Braga als Hauptstadt zugesprochen.
Zunächst mussten sich die Neuankömmlinge mit den bisherigen Machthabern, also den Römern, auseinandersetzen und - was noch anstrengender war - mit den bisherigen Weggenossen. Die Sueben verteidigten ihre neue Heimat immerhin erfolgreich. Hermerich (um 360 bis 441, reg. 406/419 bis 438) konnte eine vandalische Streitmacht besiegen und das Einflussgebiet im Nordwesten auch gegen westgotische Feldzüge sichern und sogar ausbauen. Nachdem die Vandalen sich unter Geiserich weitgehend nach Afrika verzogen hatten, entstand in Spanien ein wenig Freiraum, den die Sueben nutzen konnten.
Hermerichs Sohn Rechila (gest. 448, reg. 438 bis 448) eroberte große Gebiete im Süden der Halbinsel, auch Mérida und Sevilla wurden suebisch. Rechila mag der Vater oder Onkel des uns gut bekannten römischen Heermeisters Ricimer gewesen sein. Unter Rechilas Sohn Rechiar (nach 415 bis 456, reg. 448 bis 456) erreichte das suebische Reich dann seine größte Ausdehnung. Seine Überfälle gingen vom Süden bis in den Nordosten Spaniens, wobei er sich auch auf die Bagauden stützte, Einheimische, meist Bauern oder Hirten, die sich seit langem bewaffnet gegen die römische Oberherrschaft gewehrt hatten.
Im Jahr 456 fand diese Expansion ein jähes Ende. Die zu diesem Zeitpunkt mit dem weströmischen Kaiser Avitus verbündeten Westgoten konnten im Verbund mit den Burgundern bei Astorga die Sueben vernichtend schlagen. Rechiar verlor sein Leben, die Sueben wurden wieder auf den Nordwesten Spaniens zurückgeworfen.
In diesem verborgenen Winkel der Weltgeschichte konnten die Sueben noch über einhundert Jahre weiter in ihrem kleinen Reich leben. Ihre Könige waren faktisch aber vom Wohlwollen der Westgoten abhängig. Diese gestatteten sogar eine gewisse Ausbreitung an der Westküste. Coimbra wurde gegründet, Lissabon erobert. Das Ende eines selbständigen suebischen Königreichs kam 585, als die Sueben mit dem westgotischen Herausforderer Hermenegild paktierten. Wir wissen, dass dessen Erhebung scheiterte. Leovigild siegte und annektierte das suebische Reich.
Die Alemannen
Wenn wir heute an Sueben denken, dann fallen uns als Erstes die Schwaben ein. Und wenn wir an Südwestdeutschland denken, wo wir die Schwaben ja verorten, dann sind wir mit unseren Gedanken auch schnell bei den Alemannen. Die Bedeutung dieser Bezeichnung lässt sich leicht herleiten: alle Männer oder besser: alle Menschen sind gemeint. Wie es zu dieser Bezeichnung für ein germanisches Volk kam, da kann dann jeder seine Phantasie spielen lassen. Die einen vermuten die Gründung einer Vereinigung von Menschen unterschiedlicher Stämme, bei der jeder (alle) mitmachen konnte - ein wegweisender basisdemokratischer Ansatz zur Zeit der Völkerwanderung. Andere sehen eine mögliche Deutung in einer Selbstüberhöhung als »vollwertige Menschen« und verweisen auf eine mögliche Herkunft aus östlichen Gefilden.
Erst seit 289 n. Chr. ist der Begriff belegt. 259 gab es bei Mailand allerdings schon eine Schlacht zwischen Römern und den Juthungen und anderen den Alemannen zugerechneten Stämmen. Es war die Zeit, als Valerian in Auseinandersetzungen mit den Persern gebunden war, die ja sogar zu seiner Gefangennahme führten. Die Grenze zu den Germanen war insofern nicht so gut bewacht. Überfälle und Scharmützel am Limes werden auch in der Zeit davor nicht unüblich gewesen sein. Das Siedlungsgebiet der alemannischen Stämme könnte im elbgermanischen Raum mit einem Schwerpunkt in Ostniedersachsen und dem Thüringer Wald gelegen haben. Nach der Aufgabe des Limes war das Gebiet südlich des Mains für die Römer Alamannia. Wahrscheinlich bildete sich zwischen Römern und Alemannen ein ambivalentes Verhältnis heraus. Immer wieder gab es Plünderungen, so beispielsweise 365 und 368 in Mainz. Auf der anderen Seite wurden die Alemannen auch als Foederaten in die Vorfeld-Grenzsicherung des Römischen Reiches eingebunden.
Im Gegensatz zu den bedeutenden anderen germanischen Völkern organisierten sich die Alemannen eher dezentral. Also doch basisdemokratisch? Dies verhinderte zwar größere Eroberungszüge und Reichsbildungen, wie wir sie bei den Vandalen oder Westgoten kennengelernt haben, machte es potentiellen Feinden allerdings auch schwer, die Alemannen in einer großen Schlacht vernichtend zu schlagen. So waren sie trotz ihrer Niederlage im Jahr 378 gegen Kaiser Gratian in der Schlacht bei Argentovaria im Elsass - wir erinnern uns, dass er dadurch verhindert war, seinem Kollegen Valens in der Schlacht von Adrianopel zu Hilfe zu kommen - nicht vom Spielfeld verschwunden.
Wir finden kleine alemannische Verbände sowohl beim Rheinübergang 406/407 als auch in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts wird von Beutezügen im Süden ins Tessin und nach Italien, in die Gegend von Passau im Osten und Troyes im Westen sowie in das Gebiet von Zülpich östlich von Bonn im Norden berichtet. Es waren wie gesagt Beutezüge und keine Eroberungen mit dem Ziel, ein Reich zu gründen.
Das Siedlungsgebiet der Alemannen war allerdings durchaus ansehnlich. Es beschränkte sich nicht auf Südwestdeutschland, sondern ragte weit nach Frankreich hinein, was im Zusammenspiel mit den dort erstarkenden Franken potentiell konfliktträchtig war. Letztlich der Sargnagel für die Alemannen. In dem rechtsrheinischen Gebiet nördlich und südlich des Mains konkurrierten sie spätestens ab dem 6. Jahrhundert mit den Thüringern, einem Verbund von germanischen Stämmen, die sich in dieser Zeit zu einem durchaus mächtigen Reich zusammenfanden.
Die Rolle der Alemannen als eigenständige politische Einheit endete auch bald im 6. Jahrhundert. Sie ordneten sich unter Führung eines dux in den fränkischen Herrschaftsverbund ein, nachdem Chlodwig I. sie 497 und endgültig 506 bei Zülpich und Straßburg besiegt hatte. Die südlich siedelnden Alemannen konnten zunächst bei den Ostgoten unter Theoderich I. unterschlüpfen. Dreißig Jahre später überließ Witigis (gest. 542, reg. 536 bis 540), einer der Nachfolger Theoderichs, einige Gebiete um Chur und auch das Protektorat über die Alemannen seinem fränkischen Kollegen Theudebert I. (etwa 500 bis 548, reg. 533 bis 548), um sich auf den Kampf gegen das Ostrom Justinians konzentrieren zu können. Damit endete schon die eigenständige Geschichte der Alemannen.
Die Namen als Erbe
Wir müssen aber noch einen Blick auf die Begriffsgeschichte werfen. Dass der Begriff der Schwaben sich von den Sueben ableitet, ist einsichtig. Dass die Deutschen in Frankreich als Les Allemands bezeichnet werden und auch im arabischen, türkischen und spanischen Sprachraum von den Deutschen als Al’Alman, Almanlar oder los alemanes gesprochen wird, leitet sich von den Alemannen ab. Warum haben die Namen dieser beiden Stämme so ein langes Nachleben? Wahrscheinlich lag es an der Sesshaftigkeit. Die Alemannen waren von den fränkischen Merowingern unterworfen, blieben aber als eigenes Volk erhalten und siedelten weiterhin in Südwestdeutschland, an der Grenze zur gallorömisch-fränkischen Gesellschaft. Von hier aus wanderte der Begriff nach Spanien und im Rahmen der Reconquista in den muslimisch geprägten Sprachraum und mit der Kolonisierung Lateinamerikas auch dorthin.
Begrifflich erfolgte allerdings ab dem 6. Jahrhundert erst einmal eine Zusammenführung mit den Sueben, der sich letztlich für die Bevölkerung des südwestdeutschen Siedlungsgebietes durchsetzte. Die Sueben selbst, die wir nach Spanien begleitet haben, sind daran allerdings unschuldig. Erst in lateinischen Texten ab dem 10. Jahrhundert taucht wieder der Begriff der Alemannen auf, im täglichen Leben dominierte auch als Selbstbezeichnung »Sueben«. So hieß auch das zu dieser Zeit gegründete Herzogtum »Schwaben«. Warum griff man auf dieses Volk zurück, das doch seit langer Zeit ausgewandert war und auch in seiner neuen Heimat nicht als eigenständige Einheit überlebt hatte? Nun, es werden auch hier nicht alle Sueben über den Rhein und durch Gallien nach Spanien gezogen sein. Ein Teil wird das Wagnis nicht auf sich genommen haben und so wird der Name in der Region weiter präsent gewesen sein. Wir haben schon gehört, dass er durchaus mit einer hohen Reputation verbunden war, so dass man sich damit im Zweifel genauso schmücken konnte, wie mit einer typisch suebischen Haartracht, dem Suebenknoten. Genau lässt sich das alles nicht mehr rekonstruieren, wir wollen auch sehen, dass wir weiterkommen.
Das nächsten Mal werfen wir dann einen ersten Blick auf die Merowinger im Frankenreich.