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(25) Eine Pharaonin, ihr Stiefsohn und ein Armageddon

Die 18. Dynastie

Die 18. Dynastie, mit der das sogenannte Neue Reich beginnt lohnt es, ein wenig bei ihr zu verweilen. Spannend war es allemal, sowohl nach außen in den Konflikten mit den Nubiern im Süden und den Reichen der Assyrer im Zweistromland, der Hethiter in Kleinasien und nicht zu vergessen Mitanni oder Hanilgabat, wie es die Ägypter nannten, im heutigen Nordsyrien. Zudem gab es noch hinreichend Stadtstaaten, die Ärger machen konnten, und in dieser Beziehung dann auch nicht enttäuschen wollten.

 

Ahmose I., der aufgrund seines Sieges über die Hyksos als Begründer einer neuen, eben der 18. Dynastie gilt, und in Folge sein Sohn Amenophis I. (1541 bis 1520 v. Chr.) konzentrierten sich zuerst auf den Süden. Sie schafften es, die Nubier zu unterwerfen, was neben dem Ausschalten eines Unruheherdes vor allem auch einen gewaltigen Zufluss an Gold und Waren wie Elfenbein oder Straußeneier bedeutete. Auch Pygmäen waren als Sklaven beliebt. Durch diesen Reichtum konnte Amenophis. I. beispielsweise im Westen Thebens gegenüber von Karnak das Tal der Könige und das Tal der Königinnen weiter ausbauen lassen. In der nächsten Phase stieß Thutmosis I. (reg. 1520 bis 1492 v. Chr.), der ihm auf dem Thron nachfolgte, nach Norden vor, wo er ein erstes Mal auf das Mitanni-Reich stieß. Es gab noch keinen großen Krieg, Ziel war es eher, die Handelsbeziehungen zu sichern. Ägypten lieferte Gold, Getreide und Stoffe und erhielt dafür Silber, Holz, Kupfer und Wein.

 

Hatschepsut

Thutmosis II. (reg. 1492 bis 1479 v. Chr.) musste noch einmal nach Süden ziehen, um das nubische Reich Kusch endgültig zu unterwerfen. Er war – damals nicht ungewöhnlich – mit seiner Halbschwester Hatschepsut (reg. 1479 bis 1458 v. Chr.) verheiratet, die nach seinem Tod 1479 v. Chr. Pharaonin wurde. Der kleine, beim Tod seines Vaters erst vier Jahre alte, Stiefsohn aus der Ehe ihres Mannes mit einer Nebengemahlin musste warten, bis er nach ihrem Tod 1458 v. Chr. als Thutmosis III. selbst den Thron besteigen durfte.

 

Damit nichts schief ging, griff Hatschepsut zu ein paar Maßnahmen, die jeden Widerspruch gegen ihr Pharaonentum im Keim ersticken sollten. Sie berief sich auf den Willen ihres Vaters, dass sie Thronfolgerin sein solle, und sie ließ auf vielen Reliefs ihre Abstammung vom Reichsgott Amun darstellen, der zu ihrer Mutter gekommen sei. Als diskreter Gott hatte er, um unnötiges Aufsehen zu vermeiden, vorher noch die Gestalt des Ehemannes angenommen. Dann ging es zur Sache. »Und [er] wurde heiß gegen sie. Er gab sein Herz in sie. Sie freute sich, seine Schönheit zu sehen, seine Liebe ging ein in ihren Leib…«. Ob eine solche Bildergeschichte das richtige für die unverdorbene ägyptische Jugend gewesen ist, wollen wir nicht diskutieren.

 

Der Zweck heiligt die Mittel, wird sich Hatschepsut gedacht haben. Immerhin war sie die Tochter von Thutmosis I. und seiner Hauptfrau, der Großen Königlichen Gemahlin Ahmose (um 1500 v. Chr.). Thutmosis II., ihr Halbbruder und Ehemann, war dagegen nur das Kind einer Nebenfrau. Zudem war auch sein Sohn, der spätere Thutmosis III., lediglich ein Abkömmling aus der Verbindung Thutmosis II. mit einer Nebenfrau. Wenn man also ein wenig auf die Abstammung achtete, musste Hatschepsut für das Wohl Ägyptens den Pharaonenthron anstreben. Auch ihre Inthronisation und die weitere Zeit ihrer Herrschaft stellte sie in diesen Bildergeschichten dar und begründete damit eine Tradition für viele folgende Pharaonen.

 

Hatschepsut regierte über 20 Jahre. Ihren Stiefsohn schickte sie zur soldatischen Ausbildung nach Memphis, die alte Hauptstadt des Nordens, aktuell das militärische Zentrum des Reiches. Hatschepsut selbst blieb in Theben. Wichtig für ihren dauerhaften Erfolg als Herrscherin war, dass sie die dort residierenden Priester des Reichsgottes Amun hinter sich wusste, deren Gunst sie sich über längere Zeit erarbeitet hatte. Zur Absicherung ließ sie ihren Stiefsohn auch krönen, so blieb für die konservative Fraktion zumindest formal die patrilineare Tradition gewahrt. Aber die Insignien des Pharao, die beiden Kronen und auch den traditionellen Bart der Pharaonen, die trug nur sie. Auf den Bildnissen wurde sie zunehmend männlicher dargestellt, die Brüste werden von Mal zu Mal kleiner, die Schultern breiter und die Gesichtszüge härter.

 

Ihr gelang eine Expedition in das Land Punt, das heute am Horn von Afrika im heutigen Eritrea, Dschibuti, Äthiopien bis hinein nach Somalia und in den Sudan verortet wird. Gold, Weihrauch, Myrrhe, Elfenbein, Edelsteine und auch Paviane wurden nach Ägypten gebracht, die dort als heilige Tiere verehrt wurden. Da sie sich morgens meist der Sonne zuwandten, sahen die Ägypter eine enge Verbindung zum Sonnengott Re.

Auch darüber hinaus war Hatschepsuts Regierungszeit sehr erfolgreich. Der Wohlstand stieg, es herrschte Frieden, Wirtschaft und Handel blühten. 1458 v. Chr. starb sie mit 40 bis 45 Jahren nach heutigem Wissen eines natürlichen Todes und Thutmosis III. konnte – endlich – alleine regieren, was er dann auch noch weitere 32 Jahre tat.

Der ägyptischen Tradition folgend wäre es naheliegend gewesen, wenn er Hatschepsuts Tochter Neferure (gest. etwa 1456 v. Chr.) geheiratet hätte, was aber wohl nicht passiert ist. Vielleicht wollte er Stress mit einer weiteren Frau aus der direkten Linie Thutmosis I. und daraus abgeleiteten Ansprüchen vermeiden. Wir wissen es nicht und können nur rätseln.

 

Irgendwann, vielleicht in den letzten Jahren der Herrschaft Thutmosis III., vielleicht auch später, wurden alle Erinnerungen, Inschriften und Bildnisse von Hatschepsut vernichtet, aus den Stelen heraus gemeißelt und mit anderen Pharaonennamen überschrieben. Ähnliches haben wir ja bei den Hyksos-Herrschern bereits erlebt. Treiber dieser Aktion in Bezug auf Hatschepsut war aller Wahrscheinlichkeit nach die einst doch mit ihr verbündete Priesterschaft, die die Erinnerung an eine Frau als Pharao ausradieren wollte. Als Tote konnte sie nicht mehr schaden, also wurde wieder für Ordnung in der Geschichte gesorgt. Das klappte nur bedingt. Ihr beeindruckender Totentempel nahe dem Tal der Könige ließ sich nicht ausradieren. Erbaut wurde er in 15 Jahren von Hatschepsuts Baumeister Senenmut (um 1460 v. Chr.), dessen Bildnisse sich – versteckt – in dem Tempel finden und dem eine engere Beziehung zu Hatschepsut nachgesagt wird. Und auch wir erinnern uns dieser Pharaonin ja noch ganz gut.

 

Kalender

Wenn wir die Regierungszeit Hatschepsuts als erfolgreich bezeichnet haben, dann müssen wir dieses Prädikat auch Thutmosis III. zuerkennen. Er regierte bis zum 4. März 1425 v. Chr. Jetzt staunst Du, dass ich hier plötzlich mit einem konkreten Datum um die Ecke komme und nicht mit einer Auswahl von Jahreszahlen, deren Spannbreite im Minimum das Lebensalter eines Menschen ausmacht. Wir wissen, dass er am 4. Schemu I 1479 v. Chr. den Thron bestieg, zusammen mit Hatschepsut, die bis 1458 quasi allein regierte, und dass er bis zum 30. Peret III 1425 v. Chr. herrschte.

 

Der ägyptische Kalender orientierte sich überraschenderweise an den Nilüberschwemmungen. Anfang Juni erreichte das Wasser Elephantine nördlich des heutigen Assuan-Staudamms 200 Kilometer südlich von Theben und zur Sommersonnenwende das Nildelta. Es würde zu weit führen, das Kalendersystem im Einzelnen durchzugehen. Wir können uns merken, dass es drei Jahreszeiten gab: Achet für die Zeit der Überschwemmung im Sommer (Juni bis September), Peret für die Zeit der Aussaat im Winter (Oktober bis Januar) und Schemu für die Ernte im Frühjahr (Februar bis Mai). Jeder Jahreszeit war in vier Monate unterteilt, also beispielsweise Peret I bis IV. Der sogenannte Bürgerliche Kalender orientierte sich am ersten Erscheinen des Sirius und bestand aus 12 Monaten zu je 30 Tagen und fünf Ergänzungstagen am Ende des 12-Monats-Zyklus, also zwischen Schemu IV und Achet I. Jeder Tag hatte dabei wie heute 24 Stunden, eine weitere Unterteilung in Minuten und Sekunden war unbekannt. Alles in dieser Größenordnung lief als at, als »Moment«.

Als zweiter Kalender wurde der ältere Mondkalender nur noch für religiöse Zwecke genutzt.

Ich verzichte jetzt darauf, die Umrechnungslogik, die aus dem 30. Peret III den 4. März macht, zu erläutern. Hintergrund der Synchronisierung zwischen dem altägyptischen und unserem gregorianischen Kalender sind einzelne Inschriften, die Daten mit astronomischen Ereignissen, beispielsweise einem Neumond verbinden. Finden sich mehrere solche Hinweise aus unterschiedlichen Quellen, sind diese eine gute Basis, reale Daten und Zeitbezüge herzustellen. Wir sollten aber die Schaffung des ägyptischen Kalenders durchaus würdigen. Selbst Julius Caesar war von ihm so beeindruckt, dass er ihn – in einer 238 v. Chr. von Ptolemäus III. (reg. 246 bis 222 v. Chr.) geschaffenen Form – übernahm. Als Julianischer Kalender galt er, bis Papst Gregor XIII. (1502 bis 1585, reg. 1572 bis 1585) ihn 1582 n. Chr. aufgrund einer Abweichung von gut 11 Minuten pro Jahr mit einer verbesserten Schaltjahresregelung reformierte.

 

Thutmosis III.

Nach 22 Jahren Pharao auf Reserve durfte Thutmosis nun also selber ran. Seine militärische Ausbildung in Memphis zeigte sich sofort, die friedliche Zeit unter Hatschepsut hatte ein Ende. Fast im Jahresrhythmus gab es jetzt Feldzüge nach Vorderasien. Hintergrund war zum einen die Erfahrung mit den Hyksos, die es ratsam erscheinen ließ, die asiatischen Nachbarn nicht zu eigenständig werden zu lassen. Die Zurückhaltung Hatschepsuts hatte das Mitanni-Reich immer stärker werden lassen. Mitanni wurde, wie wir wissen, von den Hurritern gegründet, die den Ägyptern als Hyksos nicht so blendend in Erinnerung waren. Zudem gab es natürlich auch hinreichend wirtschaftliche Gründe, sich das Hinterland mit seinen Handelszentren, Rohstoffen wie libanesisches Zedernholz, Kupfer, Zinn und auch Arbeitskräften zu sichern.

 

Armaggedon

Berühmt ist die Schlacht von Meggido gleich auf dem ersten Ausflug. Einige Stadtstaaten, es werden weniger gewesen sein als die 330, die auf den Inschriften genannt sind, hatten sich unter Führung von Kadesch, in der Nähe des heutigen Homs gelegen, verbündet. Mitanni fand das gut und unterstützte den Aufstand gegen die Oberherrschaft Ägyptens in dieser Region.

 

Bereits 1458 v. Chr., nur zwei Monate nach Amtsantritt, zog Thutmosis III. mit vielleicht 10.000 bis 15.000 Mann los. Zeit für Koalitionsverhandlungen brauchte er ja nicht. Es ging 250 Kilometer durch die Wüste, 23 Kilometer am Tag. Elf Tage benötigte man bis nach Gaza im Süden Palästinas. Nach einem Tag Pause, in der das Fest der Thronbesteigung gefeiert wurde, zog man weiter, 150 Kilometer nordwärts an der Küste entlang nach Jehem. Der Vorlauf war für die Gegner lang genug, dass sie sich in Megiddo sammeln konnten, einem strategischen gut gelegenen Ort mit mächtigen, unüberwindlichen Mauern an der Kreuzung wichtiger Handelswege. Von hier aus blockierten sie die beiden möglichen Zufahrtsstraßen zu beiden Seiten des Karmel-Gebirges. Dachten sie zumindest. Thutmosis, »noch jung in Leben und Macht«, entschied sich für den dritten Weg, ein schmaler Passpfad quer durch das Gebirge. Das Wagnis gelang und plötzlich stand Thutmosis mit seinem Heer zwischen Meggido und den Truppen der Aufständischen. Auch aufgrund des Überraschungseffektes errang Thutmosis einen großen Sieg. Die Stadt selbst konnte er allerdings nicht erstürmen.

Meggido wurde belagert und fiel dann später doch noch. Nun zeigte sich, dass Thutmosis nicht nur ein listenreicher und tapferer Kämpfer war, sondern auch ein Stratege. Er bestätigte die Fürsten in ihren Rollen – gegen Einwurf kleinerer oder größerer Geschenke versteht sich – und nahm die jeweiligen Thronfolger als Geiseln mit nach Ägypten. So erhielt er sich eine Pufferzone gegen Mitanni, was ihn aber nicht davon abhielt, noch mehrmals gen Norden und gegen Mitanni zu ziehen. Der Erfolg von Meggido blieb in Erinnerung, weil Thutmosis ihn im Tempel von Karnak verewigte. In der Bibel taucht die Schlacht in der Offenbarung des Johannes als Harmagedon auf. Armageddon ist seither das Sinnbild einer endzeitlichen Schlacht.

Fast 3400 Jahre später, 1918 n. Chr., zog der britische Feldmarschall Edmund Allenby (1861 bis 1936) im ersten Weltkrieg Nutzen aus seiner Lektüre der ägyptischen Geschichte. Er wendete den gleichen Trick an wie Thutmosis III. und konnte zwei osmanische Armeen vernichten. Bleibe also aufmerksam beim Studium der Geschichte. Wer weiß, wann Du das nächste Mal zwei Armeen besiegen musst.

 

Thutmosis III. unternahm nun nahezu jährlich Feldzüge unterschiedlicher Größenordnung. Der achte Feldzug im 33. offiziellen Regierungsjahr (vermutlich 1447 v. Chr.) führte bis an den Euphrat, wo die Ägypter in der Schlacht bei Karkemisch an der türkisch-syrischen Grenze Mitanni besiegten genauso wie im 35. Regierungsjahr bei Aleppo und im sieben Jahre später bei Irqata im Nordlibanon.

 

Auch im Süden war Thutmosis III. aktiv. Bereits Ahmose I. und die ersten beiden Thutmosis-Pharaonen hatten ja die Oberhoheit Ägyptens bis hinunter nach Kusch in Unternubien wiederhergestellt und auch das Reich von Kerma in Obernubien unterworfen. Wahrscheinlich endete der Einflussbereich irgendwo südlich des dritten Nilkatarakts. Thutmosis III. konnte das beherrschte Gebiet weiter ausdehnen, am Berg Barkal am vierten Nilkatarakt gründete er Napata als Grenzbefestigung und Handelsposten. Ägypten erreichte unter ihm die größte Ausdehnung seiner Geschichte, vom Euphrat bis zum vierten Nilkatarakt.

 

Das nächste Mal wollen wir uns aus gutem Grund ein wenig mit der ägyptischen Götterwelt beschäftigen.